Was für Arbeitnehmer undenkbar wäre, ist für Mega-Konzerne gängige Praxis: Sie verschieben ihre Gewinne so lange rund um die Welt, bis sie keine Steuern mehr darauf zahlen müssen. Eine globale Mindeststeuer für Unternehmens-Gewinne könnte den Steuertricks ein Ende bereiten. Die Chancen dafür stehen so gut wie noch nie.
Es klingt wie ein Märchen: Die ganze Welt soll sich gemeinsam auf eine globale Steuer einigen. Und zur Kasse gebeten werden ausgerechnet mächtige Mega-Konzerne wie Amazon, Google oder Apple. Genau das könnte bald tatsächlich Wirklichkeit werden – sagen zumindest die Finanzminister der G20-Staaten. Sie arbeiten an einer globalen Mindeststeuer für internationale Konzerne und an einer Digitalsteuer für Internet-Riesen.
Europa verliert jährlich 170 Mrd. durch Steuertricks
Das Problem ist altbekannt – und gewaltig. Durch Steuertricks verlieren die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union jährlich 170 Milliarden Euro an Einnahmen, berechnet das polnische Wirtschaftsforschungs-Institut. Geld, das gerade in der Corona-Krise dringend benötigt wird, etwa um neue Jobs zu schaffen oder das beanspruchte Gesundheitssystem zu finanzieren.
46 der 170 Milliarden entgehen dem Fiskus durch die Verlagerung von Privatvermögen in steuerschonende Länder, 64 Milliarden verliert die EU durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuer-Betrug. Und 60 Milliarden Euro schieben Konzerne durch legale Steuerverschiebungen in Länder mit niedrigen oder gar keinen Gewinnsteuern. Genau dieses Schlupfloch will die internationale Staatengemeinschaft jetzt schließen.
Was für Arbeitnehmer und kleine Unternehmen undenkbar wäre, ist für Mega-Konzerne legal möglich. Alphabet etwa, der Mutterkonzern von Google, überweist seine in Europa erzielten Gewinne auf die Bermudas. Auf der Insel mitten im Atlantik gibt es keine Gewinnsteuern für Unternehmen – und wahrscheinlich auch sonst nicht viel, das mit Google zu tun hat. Aber ein Konzernsitz des Internet-Riesen befindet sich auf den Bermudas. Dorthin überweisen europäische Tochtergesellschaften von Google hohe Gebühren für die Lizenz und Nutzung der Suchmaschine. Das verringert ihren Gewinn und befreit den Konzern von lästigen Steuern innerhalb der EU.
Globale Mindeststeuer von 12,5% könnte 100 Mrd. bringen
Eine globale Mindeststeuer für Unternehmen soll diesem Steuertrick einen Riegel vorschieben. Wenn es auf der ganzen Welt eine einheitliche Mindeststeuer gibt, können Konzerne ihre Gewinne nicht mehr in Länder ohne Steuern verschieben – das ist die Idee. Im Gespräch ist ein Steuersatz von 12,5 Prozent.
Konzerne können ihre Gewinne zwar weiter hin und her schieben. Wenn ein Unternehmen aber etwa aus Österreich Gewinne auf die Bermudas schickt, könnte der heimische Staat die Geldverschiebung mit 12,5 Prozent nachversteuern, so das Konzept. Eine solche globale Mindeststeuer könnte weltweit bis zu 100 Milliarden Dollar (rund 84 Mrd. Euro) pro Jahr bringen, schätzt die Staatengruppe OECD.
Auch eine zweite Steueridee wälzen die Finanzminister der G20-Staaten gerade: eine Digitalsteuer. Dadurch sollen Internet-Riesen wie Amazon oder Apple nicht nur am Firmensitz, sondern auch dort Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen.
Eine globale Steuer ist schon seit Jahren im Gespräch
Eine weltweite Steuer für Konzerne ist schon länger im Gespräch. Rund um die pompösen G20-Gipfel tauchen immer wieder Zeitungs-Schlagzeilen auf, die eine Einigung bei der Digitalsteuer ausrufen.
So wahrscheinlich wie jetzt war eine weltweite Steuerreform aber noch nie, darin sind sich viele Expertinnen und Experten einig. Der Grund: Nachdem Donald Trump die Idee jahrelang blockierte, treibt die neue US-Regierung unter Joe Biden das Konzept jetzt voran. Die amerikanische Finanzministerin Janet Yellen will mit einer Mindeststeuer den globalen Steuer-Wettbewerb nach unten beenden. Dass mit den USA die größte Volkswirtschaft an Bord ist, könnte der weltweiten Steuer zum Durchbruch verhelfen.
Millionäre schreiben Brief: „Die Menschheit ist wichtiger als unser Geld“
Währenddessen kommt auch von unerwarteter Seite Unterstützung für eine höhere Unternehmens-Besteuerung. Der Internationale Währungsfonds IWF etwa – für gewöhnlich ein Fürsprecher großer Konzerne – fordert, Krisengewinner und Reiche befristet stärker zur Kasse zu bitten. Selbst Amazon-Boss Jeff Bezos, dessen Unternehmen von der höheren Steuer betroffen wäre, unterstützt die Anhebung der Unternehmens-Beiträge.
Und bereits im letzten Jahr schrieben 83 Millionäre aus verschiedenen Ländern einen offenen Brief. Darin fordern sie „dauerhaft höhere Steuern für die reichsten Menschen auf diesem Planeten, für Menschen wie uns“. Der Aufruf endet mit den Worten: „Besteuern Sie uns. Die Menschheit ist wichtiger als unser Geld.“