Kommentar

Kommentar: Die SPÖ muss den 1. Mai wieder zu einem echten „Tag der Arbeit“ machen

Der Tag der Arbeit war lange Zeit ein Protesttag, an dem die Arbeiterinnen und Arbeiter für ihre Rechte kämpften. Machen wir ihn wieder dazu! Kämpfen wir für einen europaweiten Mindestlohn, Anti-Teuerungshilfen, leistbare Pflege, Besteuerung internationaler Konzerne und ökologische Gerechtigkeit! Dann wird die Sozialdemokratie auch wieder Wahlen gewinnen. 

Der traditionsreiche „Tag der Arbeit“ wurde am 1. Mai 1919 zum allgemeinen Ruhe- und Festtag für jedermann und zum Staatsfeiertag. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der „Rebellensonntag“ als Protesttag, an dem Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit für Verbesserungen, wie zum Beispiel den 8-Stunden-Tag, demonstrierten. Bei diesen Demonstrationen kam es auch zu blutigen Auseinandersetzungen und die Bourgeoisie zitterte vor der neuen politischen Kraft, der Sozialdemokratie. Aktuell zittert vor der Sozialdemokratie kaum jemand mehr, weil sie einerseits mit dem „dritten Weg“ von Blair und Schröder ihre klassischen Werte streckenweise verraten hat. Andererseits hat sie sich manchmal von den Lebenswelten und Problemen ihrer typischen Wähler weit entfernt. Dadurch hat sie an Glaubwürdigkeit verloren und diese Menschen an rechte und rechtspopulistische Bewegungen verloren.

Aktuelle Situation eine Riesenchance für Sozialdemokratie

Seit nunmehr über zwei Jahren beschäftigt uns eine Gesundheitskrise, in Europa tobt ein Krieg und wir befinden uns inmitten einer Sozial- und Wirtschaftskrise, die jene am schmerzlichsten zu spüren bekommen, die es sich nicht richten können. Sie leiden besonders unter der Teuerungswelle und der höchsten Inflation seit 36 Jahren. Das Leben wurde für viele Menschen in Österreich zum „Überlebenskampf“. Diese Entwicklung muss aus sozialdemokratischer Sicht besonders zu denken geben, weil unser Land zu den 20 reichsten der Welt zählt. Doch dieser Reichtum ist besonders ungerecht verteilt. In dieser Krisensituation hat die ÖVP-Grüne Bundesregierung eindrucksvoll bewiesen, für wen sie Politik macht. Ihr „Anti-Teuerungspaket“ begünstigt die Reichen und Wohlhabenden. Jene, die nicht wissen, ob sie heizen, einkaufen oder tanken sollen, gehen (fast) leer aus. Für die Sozialdemokratie ist diese Situation – nicht nur in Österreich – eine Riesenchance, wenn sie die Verbesserungen der Lebensverhältnisse dieser Menschen in den Mittelpunkt stellt. Daher muss die SPÖ den 1. Mai wieder zu einem echten „Tag der Arbeit“ machen. Weg von der Symbolpolitik hin zu einer klaren, politischen und glaubwürdigen Programmatik. Die Sozialdemokratie muss sich bedingungslos auf die Seite der ökonomisch Schwachen und der wirklichen Leistungsträger stellen, um soziale und ökologische Gerechtigkeit im Sinne der Menschen zu erkämpfen. Dann wird sie auch wieder Wahlen gewinnen und kann, ja sie muss umsetzen, was sie versprochen hat.

Sozial ungerechtes Österreich

Wir brauchen eine völlige Neuorganisation von sozialem Ausgleich, bei der ein starker und intelligent agierender Staat im Zentrum steht. Denn die soziale Ungleichheit ist in Österreich wegen der politischen Dominanz der ÖVP besonders ausgeprägt. „Bei gleicher Umgebung leben wir doch alle in einer anderen Welt“, würde Arthur Schopenhauer meinen: Auf der einen Seite besitzt 1 % der Österreicher 40 % des Gesamtvermögens. Auf der anderen Seite sind 1,3 Millionen Menschen armutsgefährdet – Tendenz stark steigend. Mit 1,3 % des Bruttoinlandsproduktes liegt Österreich bei Vermögenssteuern weit hinter dem EU-Durchschnitt von 5,6 %. Viele Menschen in Österreich können von ihrem Gehalt kaum leben, geschweige denn am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Die Löhne sind seit 2010 um rund 23 % gestiegen, aber die privaten Mieten im gleichen Zeitraum um fast 50 %. Gerade für die jungen Menschen und Familien wird das Wohnen immer mehr zum Luxus. Es verwundert, dass die Bevölkerung nicht schon auf der Straße ist und rebelliert, denn das Geld zum Verteilen wäre ja da. Würden wir globale Onlinekonzerne und Vermögen (ab 1 Million €) gerecht besteuern, brächte das Österreich rund 10 Milliarden Euro ein. Damit könnten wir 3-4mal die Pflege finanzieren. Im Zentrum einer sozial gerechten Politik müssen allerdings Löhne stehen, von denen die Menschen auch leben können.

Der Mindestlohn von 1.700 € netto als Erfolgsrezept

Viele Arbeiterinnen und Arbeiter können trotz Vollzeitbeschäftigung nicht ihre täglichen Ausgaben finanzieren, jeden Tag werden es mehr. Sie leiden aktuell besonders unter dem Preisanstieg bei Lebensmitteln und Energie. Das Modell eines Mindestlohnes erfreut sich unter sozialdemokratisch geführten Regierungen immer größerer Beliebtheit. Die SPÖ Burgenland setzt seit über zwei Jahren konsequent einen Mindestlohn von 1.700 € netto um, von dem viele meinten, dass sich das ja „niemand leisten kann.“ Neben dem Landesdienst haben bis dato 133 von 171 Gemeinden diesen Mindestlohn für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie z.B.: Elementarpädagoginnen, umgesetzt. Trotz massivem Widerstand der Wirtschaftskammer und der ÖVP haben immerhin 48 ÖVP-Gemeinden dem Mindestlohn zugestimmt. Bis dato profitieren rund 2.500 Menschen von diesem Modell. Was im Burgenland möglich ist, ist auf Bundesebene und in ganz Europa möglich! Das ist eine Chance für die Sozialdemokratie und für einen sozialpolitischen Paradigmenwechsel. Der 1. Mai könnte der Anfang sein!

Roland Fürst

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