Österreich

Kurz in der Krise: Die Mehrheit der Bevölkerung vertraut dem Kanzler nicht mehr

Leere Impf-Versprechungen, skandalöse Chat-Protokolle und Ermittlungen wegen Falschaussage haben Spuren hinterlassen. Mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung vertraut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht. Im Falle einer Anklage wollen 60 Prozent seinen Rücktritt. Gleichzeitig stürzt die Bundesregierung im Vertrauens-Index massiv ab.

2021 als Jahr der Krise für Kurz

Vor einem Jahr war die türkise Welt noch in Ordnung. Während die Bundesregierung sich dafür lobte, die Corona-Krise besiegt zu haben, lagen die Umfragewerte für Kurz und Co. stabil auf hohem Niveau. Heute sieht alles anders aus. Der Absturz begann bereits Anfang des Jahres. Kurz kündigte großspurig an, dass alle Österreicherinnen und Österreich, die das wollten, bis Juni geimpft sein würden. Es folgte jedoch ein wahres Impf-Chaos. Probleme bei den Impfstoff-Beschaffungen und die nie umgesetzte Ankündigung, Sputnik zu kaufen, ließen die Bevölkerung an der Corona-Politik zweifeln. Von einer Durchimpfung ist Österreich auch aktuell noch weit entfernt.

Ein weiterer Tiefschlag für Kurz waren die Chats rund um Thomas Schmid. Statt dem versprochenen neue Stil, sah die Bevölkerung jetzt Postenschacher in Reinkultur. Die Tatsache, dass Kurz noch letztes Jahr im Ibiza-U-Ausschuss aussagte, sich nicht wesentlich in die Bestellung von Schmid zum ÖBAG-Chef eingemischt zu haben, brachte ihm im Mai schließlich Ermittlungen wegen Falschaussage ein. Im Falle einer Verurteilung drohen Kurz bis zu drei Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Mehrheit der Bevölkerung vertraut Kurz nicht

Das türkise Horrorjahr 2021 spiegelt sich auch in Umfragen wider. Wenig überraschend verzeichnet die ÖVP so schlechte Umfragewert wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch die Beliebtheit von Kurz hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Einer neuen Umfrage zufolge vertrauen ihm 51 Prozent der Menschen nicht mehr. Hauptgründe für diesen Absturz dürften die skandalösen Chat-Protokolle sowie die Ermittlungen gegen den Bundeskanzler sein. Diesen Schluss legen zwei weitere Umfragen nahe. Ganze 74 Prozent sind der Meinung, dass die aufgeflogenen Postenschacher rund um Thomas Schmid und Co. der ÖVP schaden würden.

Über die Ermittlungen gegen Kurz haben sich die Österreicherinnen und Österreicher auch eine eindeutige Meinung gebildet. 60 Prozent finden, dass der Bundeskanzler im Falle einer Anklage zurücktreten sollte. Bei einer Verurteilung von Kurz wünschen sich sogar drei Viertel einen sofortigen Rücktritt. In diesem Fall will sogar die Mehrheit der ÖVP-Wähler ihn nicht mehr als Bundeskanzler haben. Die Umfragen, welche vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse für Puls 24 durchgeführt wurden, zeigen eindrucksvoll, dass die Glanzzeiten für Kurz und Co. vorbei sind. Ob sich die Regierung im Amt halten kann, wird primär vom Verlauf der Ermittlungen gegen den Bundeskanzler abhängen. Die Öffentlichkeit steht jedenfalls schon längst nicht mehr hinter Kurz und seiner Mannschaft. Die Türkisen stecken in einer Krise.

Regierung stürzt im Vertrauens-Index ab

Eine kürzlich veröffentlichte OGM-Umfrage zeigt, wie stark sich der Beliebtheitsverfall von Kurz auf die österreichische Bundesregierung auswirkt. Sie erreicht im aktuellen Vertrauens-Index ein Saldo von Minus 17 Prozent. Damit vertrauen ihr sogar noch weniger Menschen als den Banken und der Industriellenvereinigung. Schlechter als die Regierung schneiden nur noch Kirche, Medien und Versicherungen ab. Stark zulegen konnte hingegen der ÖGB. Ein Gesamtsaldo von Plus 19 Prozent entspricht einer Steigerung von 9 Prozent. Mit einer positiven Bilanz von 44 Prozent liegt die Arbeiterkammer nach wie vor unter den Top 3. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eindeutig, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf die Interessensvertretung der Arbeitnehmerschaft verlassen. Von den Zustimmungswerten der von den Türkisen oft kritisierten Arbeiterkammer können Kurz und Co. nur träumen.

Martin Amschl

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