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Kurz blockiert U-Ausschuss: Der Kanzler redet so lange, bis Vorsitzender Sobotka einschläft

Foto: BKA / Dragan Tatic

Um Aufklärung zu verhindern, griffen Kurz und die ÖVP gestern im Ibiza-U-Ausschuss tief in die Trickkiste. Der Bundeskanzler schaffte es fünf Stunden lang keine konkreten Auskünfte zu geben. Angesichts seiner ausschweifenden Dauerreden schlief sogar der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka zeitweise ein.

Dauerreden bringen Sobotka zum Einschlafen

Mit Spannung wurde gestern der Auftritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor dem Ibiza-U-Ausschuss erwartet. Wer sich Aufklärung erhoffte, wurde jedoch enttäuscht. Kurz versuchte letztlich erfolgreich so wenig konkrete Antworten wie möglich zu geben. Dabei half ihm die ÖVP-Fraktion tatkräftig.

Der Abgeordnete Fürlinger stellte Kurz allgemein gehaltene Fragen mit einer Gesamtlänge von sechs Minuten. So wollte er wissen, wann und wie Kurz vom Ibiza-Video erfuhr. Diese Frage hatte Kurz in den letzten zwei Jahren schon in mehreren Interviews beantwortet. Der Kanzler nutzte die netten Vorlagen seiner Fraktion, um insgesamt eineinhalb Stunden Allgemeinsätze von sich zu geben. Damit schaffte er es, fast die Hälfte der maximal möglichen vier Befragungsstunden verstreichen zu lassen. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) hinderte ihn nicht daran. Dazu wäre er eine Zeit lang physisch auch gar nicht in der Lage gewesen. Sobotka schlief nämlich angesichts der ermüdenden Ausführungen von Kurz minutenlang ein.

Das System hinter der Farce im U-Ausschuss

Es wäre jedoch falsch, der ÖVP angesichts der kuriosen Ereignisse im U-Ausschuss Unfähigkeit zu unterstellen. Viel mehr scheint die Dauerrede von Kurz inszeniert worden zu sein. Es handelte sich wohl um eine Art des „Filibusters“. Dieser Begriff stammt aus den USA. Dort versuchen Senatoren hin und wieder durch Dauerreden den Gesetzgebungsprozess lahmzulegen. Es erfordert eine Mehrheit von 60 der 100 Senatsmitglieder, um sie daran zu hindern.

Während dort oft tagelange Reden gehalten werden, musste Kurz viel weniger Zeit von der Uhr laufen lassen, um eine effektive Befragung durch die Oppositionsparteien zu verhindern. Als Kai Jan Krainer (SPÖ) endlich seine erste Frage stellen durfte, nahm sich Kurz 15 Minuten Beratungszeit, bevor er antwortete. Nach mehr als zwei Stunden hatte der Bundeskanzler erst eine ernsthafte Frage beantwortet. In der Folge stieß die ÖVP-Fraktion eine Geschäftsordnungsdebatte an, die schließlich wieder Zeit von der Uhr nahm. So kam letztlich die einmalige Situation zustande, dass Grüne und NEOS ihre Fragen nicht mehr stellen konnten. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer bezeichnete die Befragung im Nachhinein als ein „Farce“ und stellte fest, dass die ÖVP Aufklärung „effizient verhindert“ habe.

Eine anonyme Anzeige wirft Fragen auf

Völlig ausweichen konnte Kurz kritischen Fragen trotz aller Bemühungen nicht. So wurden die Maßnahmen, die der mittlerweile als ÖBAG-Chef zurückgetretene Thomas Schmid gegen die katholische Kirche setzen wollte, thematisiert. Aus Chatverläufen wurde ja ersichtlich, dass Kurz dessen harte Vorgehensweise begrüßte. Der Kanzler konnte sich aber auch hier entschlagen.

Grund war eine anonyme Anzeige, die kurz vor Beginn der Befragung gegen ihn einging. Kurz wurde versuchte Nötigung bzw. Erpressung von Vertretern der katholischen Kirche durch Drohung mit der Streichung von Steuerprivilegien vorgeworfen. Es ist absehbar, dass es in diesem Fall zu keiner Anklage kommen dürfte. Kurz nutzte die Anzeige aber, um von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch zu machen. Laut Krainer wurde die Anzeige von jemandem mit den Initialen A.H. eingebracht. Der ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger wies daraufhin empört zurück, dass es sich um ihn handle. Seine Empfehlung, Krainer solle einen Psychiater aufsuchen, setzte den Schlusspunkt unter einen Ausschusstag, der einen weiteren Tiefpunkt in der politischen Kultur Österreichs markierte.

Zumindest etwas aufschlussreich war lediglich die Tatsache, dass Kurz sich noch immer als Opfer inszeniert. Er sprach von einer „teilweise missbrauchten“ Justiz und beklagte das „bewusste Schlechtmachen“ des politischen Mitbewerbers. ÖVP-Abgeordneter Hanger sprach anschließend ebenfalls davon, dass es der Opposition nur um „Skandalisierung“ ginge. Am gestrigen Ausschusstag stellte sich Beobachtern allerdings die Frage, was man angesichts der Fakten eigentlich noch skandalisieren sollte.

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