Steiermark

„Wir sind das Gegenteil von Musikgymnasiasten“ – Die Grazer Indie-Band „Love A.M.“ macht Musik ohne Leistungsdruck

Hinsetzen, einfach machen und und gemeinsam neue Ideen entwickeln. So entstehen die Songs der Grazer Indie-Band „Love A.M.“. „Wir sind das Gegenteil von Musikgymnasiasten“, sagen die jungen Steirer über sich selbst. Die Corona-Zeit war auch eine Durchschnauf-Pause für die fünfköpfige Band, weil die „Gesellschaft davor immer mehr im Alltag unterbringen wollte“.

Das Interview führte Hans Jürgen Miggl von Popmagazin.at.

Interview mit der Grazer Band „Love A.M.“

Euch gibt es als Band seit 2016. Wie habt ihr euch kennengelernt?

MATTHÄUS JANDL: Wir sind zu dritt in die Schule gegangen. Paul und ich in die gleiche Klasse. Julian ist zwei Jahre älter als wir. Jeder von uns wollte schon immer eine Band haben. Irgendwann haben wir uns zusammengesetzt und jammten ein wenig. Im Rathaus in Graz haben wir dann 2016 unser erstes Konzert zu dritt gespielt. Es war wirklich sehr schlecht!

JULIAN MELICHAR: Wir machten den schlimmsten Fehler, den man machen konnten: Wir coverten Songs der Beatles.

PAUL PIRKER: Das dortige Publikum, die waren so zwischen 40 und 70 Jahre alt, konnte alle Songs auswendig – aber ich konnte teilweise den Text nicht!

JULIAN: Man muss auch sagen, dass wir uns zuerst nicht ausstehen haben können. Um Musik machen zu können, mussten wir uns zuerst vertragen.

MATTHÄUS: Der Julian und ich hatten eine kleine Rivalität, aber durch das Musikmachen haben wir uns dann näher kennengelernt und sind nun sogar best Friends. Dann waren wir auf der Suche nach Drummer und Bassisten, schauten uns im Freundeskreis um und so sind David und Luki dazugestoßen. Unser erstes Konzert zu fünft hatten wir dann auch noch 2016 auf der Murinsel in Graz. Das war dann schon sehr cool und für uns eine großartige Erfahrung.

Die Band Love AM performt im Orpheum Graz. // Foto: Harald Leitner

Die Murinsel ist eine coole Location! Wie habt ihr zu eurem Bandnamen Love A.M. gefunden?

MATTHÄUS: Ich habe Japanisch auf Duolingo gelernt. Dann musste ich z.B. „Es ist 11 Uhr“ übersetzen. Dann stand unten: „It’s 11 Love A.M.“ Bei Duolingo passt immer ein Wort nicht dazu. Dann habe ich mir den Teil „Love A. M.“ angeschaut und dachte mir, dass das ein ziemlich cooler Bandname sein kann. Auch den anderen gefiel er.

JULIAN: Es hat irgendwie eine schummrige Atmosphäre mit A.M. und Liebe.

PAUL: Wenn du es geschrieben siehst, schaut es einfach geil aus!

Eure Single „Violent Place“ beschäftigt sich mit einer Beziehung. Was ist die Story dahinter?

PAUL: Eine gute Freundin meiner Freundin hat etwas mit einem Typen durchgemacht, der ziemliche Guru-Züge hatte. Sie hat sehr lange Zeit darunter gelitten. Ich kenne die Person nicht persönlich, habe aber Geschichten von meiner Freundin gehört und dann habe ich mir gedacht, dass es interessant ist den Text aus der Perspektive einer Person zu schreiben, die durch so etwas gehen muss. Das ist zwar nicht wirklich persönlich, aber es war für uns eine Art Gedankenexperiment.

Wie geht es bei euch weiter? Kommt eine EP?

MATTHÄUS: Wir werden nun voraussichtlich im Frühjahr 2022 statt einer EP unser erstes Album veröffentlichen. Davor kommen noch ein oder zwei Singles von uns.

Single Cover „Violent Place“ der Band Love AM. // Foto: Harald Leitner

Wie erlebt ihr die Zeit der Pandemie? Was war anfangs schwerer, was war angenehmer?

JULIAN: Angenehmer war sicher, dass es diesen Leistungsdruck nicht mehr so intensiv gab. Die Gesellschaft wollte immer mehr unterbringen im Alltag, so bekamen wir einen natürlichen Riegel vorgeschoben. Andererseits gibt es natürlich auch das Phänomen, gerade jetzt wo wir viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben, dass man dann umso mehr machen will und sich unter Druck setzt. Ich glaube in der Musik sind wir relativ frei von Druck.

MATTHÄUS: Das große Problem der letzten Lockdowns war für uns, da Paul und ich in Wien sind und der Bandsitz in Graz ist, das Hin- und Herpendeln. Es war im Lockdown extrem schwer, auch weil man nicht immer mit dem Zug fahren wollte. Insofern hat sich der Songwriting-Prozess aufgeteilt. Es war schwierig wieder in den Rhythmus zu finden, in dem man gute Songs schreiben kann. Die Harmonie, die wir sonst hatten, hat der Lockdown ein wenig gestört.

Wie ist es bei euch generell beim Songwriting? Findet ihr schnell Ideen für Songs? Nehmt ihr euch zum Beispiel ein Stichwort her?

PAUL: Wir haben da echt sehr wenig Einschränkungen, es kann eigentlich alles passieren. Man kann zuhause eine Akustiknummer schreiben, die man dann in den Proberaum mitbringt, dann entsteht daraus mehr. Oder man spielt auf der Gitarre drei Töne und auf einmal kommt uns eine Idee. Songs entstehen bei uns auf verschiedenen Wegen. Das macht uns auch aus!

MATTHÄUS: Julian und ich nehmen jede Idee mit unseren Handys auf. Wir haben leider das Problem, dass wir das nie benennen. Irgendwann kommen dann tausende Sprachnachrichten zusammen. Wenn wir das in Minuten rechnen …

JULIAN: … dann haben wir sicher schon ein Vierfach-Album.

MATTHÄUS: Wenn wir zu dritt sind, entsteht immer sofort etwas. Das Problem ist vielleicht, dass man einfach Ordnung reinbringen muss und diese Idee wieder finden kann.

PAUL: Man muss sich manchmal auch ein wenig Zeit nehmen und sich mit den anderen Inputs anfreunden und einfach teilweise einen Kompromiss eingehen. Das hat uns noch nie geschadet.

JULIAN: Generell arbeiten wir als Indieband eigentlich wie Rapper. Wir schalten immer einen Loop ein von zwei Akkorden und lassen es mal eine Stunde laufen. Dann probiert jeder etwas dazu. Paul singt dazu, ich mache etwas auf der Gitarre und so bewegen wir uns weiter. Wir sind das Gegenteil von Musikgymnasiasten.

MATTHÄUS: David und Lukas helfen uns immer extrem den Songs eine Struktur zu geben. Wir haben immer so rohe Ideen. Paul, Julian und ich fangen an und zu fünft wird der Song im Proberaum fertiggestellt.

Wie schwer war es für euch euren Stil und Sound als Band zu finden?

MATTHÄUS: Ich denke, dass wir noch dabei sind.

JULIAN: Wir haben so Phasen wie jeder andere auch und das spiegelt sich in der eigenen Musik wider. Wenn man mehr Ryan Adams hört, wird man mehr die Akustikgitarre zum Song schreiben. Wenn man eine „Joy Division“-Phase hat, wird man die Gitarre einfach lauter aufdrehen und es wenig „dreckiger“ spielen.

MATTHÄUS: Was uns dabei hilft ist, dass wir drei einen ähnlichen Musikgeschmack haben. Natürlich hat jeder seine eigenen Favoriten, aber allgemein haben wir uns schon immer gut verstanden, was Musik betrifft und uns gefällt.

Die Besetzung der Band Love AM: David Plank (Drums), Matthäus Jandl (Synthesizer), Lukas Schneeberger (Bass), Paul Pirker (Vocals), Julian Melichar (Gitarre). // Foto: Harald Leitner

Wo würdest ihr gerne einmal als Band auftreten?

MATTHÄUS: Ein Auftritt am Primavera Sound Festival in Barcelona wäre unser Goal als Band!

JULIAN: Gerne würden wir auch wieder auf kleinen Festivals spielen oder sie veranstalten. In Graz gibt es zum Beispiel das Parkhouse Festival. In unserer Szene hilft jeder jedem. Da gibt es nicht so den Konkurrenzgedanken.

Was ist eure größte Motivation?

PAUL: Die Freude an der Musik! Wir haben Spaß Musik zu machen und Spaß als Band. Es ist total interessant Musik zu entwickeln. Man muss zwar sehr viel Zeit investieren, aber es kommt auch sehr viel zurück.

MATTHÄUS: Unsere EP war meine erste Studioerfahrung. Das hat mir eine neue Dimension des Musikmachens gezeigt.

JULIAN: Motivation ist für uns schon, Ordnung ins Chaos hineinzubekommen.

PAUL: Man freut sich dann auch, wenn eine Nummer fertig ist.

JULIAN: Oder es ist auch schön, wenn man sieht, dass sich die Nummer verändert hat, zum Beispiel vom Intro her.

Hier gehts zu weiteren Popmagazin Interviews mit Anna-Sophie und Fred Owusu von Starmania.

NeueZeit Redaktion

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