Gesellschaft

Michael Schwarzlmüller: Zu Besuch beim Cowboy der Kalkalpen

Reichraming: Als Kind liest Michael Schwarzlmüller Karl May-Romane und schaut Westernfilme. Als Erwachsener bietet er Kutschenfahrten und Reitwanderungen im Nationalpark Kalkalpen an. Ein Wochenende mit einem Tier- und Menschenversteher der etwas anderen Art und was wir von ihm lernen können. 

„Meine Herren,“ kurze Pause, tief Luft holen, ein lauter Pfiff, „Meine Herren, kommen!“

Sekunden später traben drei Haflinger von der Waldlichtung vor der Bergerwieshütte auf Michael Schwarzlmüller zu. Max, Moritz und Spidy sind drei seiner vier Pferde. Mit ihnen bietet er im Nationalpark Kalkalpen im Winter Schlitten-, im Sommer Kutschenfahrten und Reitwanderungen an.

28 Jahre macht Schwarzlmüller das schon. Und hat sich damit seinen Kindheitstraum erfüllt.

Hintergebirge Nummer 1 

Mitte Juli besuchen wir den Natur- und Tierliebhaber in seiner Heimat und lernen seinen „Arbeitsalltag“ kennen. Ausgangspunkt unserer gemeinsamen Reittour ist die Bergerwieshütte im Nationalpark Kalkalpen. Vor der Hütte mit dem dunklen Holzverschlag und der Hausnummer „Hintergebirge 1“ rauscht der Weißenbach vorbei.

Für die nächsten beiden Tage heißt’s für uns Baden im “Whirlpool Weißenbach”, denn auf der Bergerwieshütte gibt’s kein fließend Wasser und ohne Generator auch keinen Strom. Hintergebirge heißt die Gegend hier  – der Name ist Programm. // Bildcredits: Leonhard Lenz, CC0, via Wikimedia Commons

Bis nach Reichraming fließt er, dort ist Schwarzmüller zuhause. Gemeinsam mit Frau Gitti betreibt er neben dem Kutschenfahren in seinem Heimatort einen kleinen Bauernhof. Sie sind einer von 101.000 Bauernhöfen in ganz Österreich. Zum Vergleich: Vor 30 Jahren gab es noch fast doppelt so viele Betriebe (192.793) wie heute. 53 Prozent der Bäuerinnen und Bauern führen den Betrieb im Haupterwerb, 44 Prozent, zu denen die Schwarzlmüllers zählen, führen den Betrieb im Nebenerwerb. Langweilig wird dem vielbeschäftigten Ehepaar mit Kutschenbetrieb und Hof jedenfalls nicht.

„Wer rastet, rostet,“ schmunzelt Michael Schwarzlmüller und zündet seine 15 Zentimeter lange eingezwirbelte Zigarre an.

Hinter der Bergerwieshütte bindet er die drei Pferde fest. Wenig später wird er sie mit flinken Bewegungen aufsatteln. Wir bekommen von Gitti erstmal ein Schnapserl zur Begrüßung serviert. So verlangt es der Hausbrauch. Jeder Handgriff der beiden, den wir über’s Wochenende beobachten, sitzt wie eine jahrelang gemeinsam einstudierte Choreographie.

Brigitte „Gitti“ Schwarzlmüller mit Hund Lilli vor der Bergerwieshütte.

„Wir haben halt so unsere Routinen, erzählt Gitti. „Seit 42 Jahren funktioniert das schon mit uns beiden – wir sind ein echtes Team,“ fügt Schwarzlmüller stolz hinzu, während sie an den Haflingern vorbei wieder zurück in die Hütte geht.

Und die Routinen sind notwendig, denn ein Kutschenfahrbetrieb, ein kleiner Bauernhof und einige Nutztiere sind Arbeit genug. Der Job als Bäuerin und Bauer ist – vor allem von Menschen in der Stadt idealisiert – für jene, die ihn ausüben: “schön, aber anstrengend!”. Jeden Tag spätestens um 5 Uhr aufstehen, Tiere füttern, Stall ausmisten, zwischendurch der Erwerbsarbeit (in Schwarzlmüllers Fall den Reittouren und dem Kutschenbetrieb) nachgehen und am Nachmittag oder spät Abends das selbe Spiel nochmal: Tiere füttern, Stall ausmisten und am nächsten Tag wieder um spätestens 5 Uhr aufstehen.

Aufsatteln

Zurück zu unserer Reittour im Nationalpark Kalkalpen: Zuerst kommt die Decke auf den Pferderücken, dann der Westernsattel. Links und rechts zurrt Schwarzlmüller zwei kleine Taschen am Sattelhorn fest – „Halterungen für’s Bierflascherl“, zwinkert er uns zu. Kurz darauf heißt’s aufsitzen und los geht die vierstündige Reitwanderung.

Während er mit uns aus dem Nationalpark raus und bis nach Reichraming hinein reitet, grüßen ihn die Leute im Dorf freundlich. Mit lässiger Körperhaltung auf dem Ross und seinem Jägerhut auf dem Kopf könnten Ortsfremde wie wir denken: ein „uriger Kerl“. Ein Cowboy, der wie im Westernfilm mitten durch’s Dorf reitet – sowas bekommt man nicht so oft zu sehen.

Doch in Reichraming ist er mit seinen Pferden und der Kutsche kein seltener Anblick. Man kennt und schätzt ihn hier. Und ist’s vor allem gewöhnt, dass er nie ohne Tiere unterwegs ist – ob mit den Pferden oder mit dem schwarzen Hofhund Lilli. Reichraming ist nicht nur seine Heimatgemeinde, sondern neben Hof- und Kutschenbetrieb, seine Lebensaufgabe. Seit über 30 Jahren ist er Mitglied im Gemeinderat, seit 2020 Bürgermeister des 1.600-Einwohnerdorfs.

Mitten in der Natur, mitten im Leben

Und er ist eben auch felsenfester Verfechter des Lebens am Land. Möglichst im Einklang zwischen Mensch und Natur. Das ist Schwarzlmüller wichtig. Dass das gut ankommt, merken wir, als wir mit einigen Bewohnerinnen und Bewohnern der oberösterreichischen Gemeinde ins Gespräch kommen.

„Da Michael ist imma für olle do. Er red’ nit groß, er packt an. Und er hat a Ahnung vom ganz normalen Leben bei uns am Land… Von eam kann ma alles haben..  er is ana von uns,“ erzählt uns einer seiner Wegbegleiter.

Wenn er einer von ihnen ist, fragen wir uns, wer sind dann die anderen? Vielleicht jene, die nicht am Land leben, die nicht in Regionen wohnen, in denen weniger Öffis fahren und viele im Dorf noch den eigenen Hof bewirtschaften? Die anderen sind vielleicht jene, die „Bauer“ als Schimpfwort verwenden, statt zu sehen, dass sie es sind, die die Natur pflegen und unser Essen produzieren.

Bauer sucht… Anerkennung!

Im “Grünen Bericht” aus dem Jahr 2024 wird auf die Agrarstrukturerhebung vor mittlerweile fünf Jahren verwiesen: knapp 420.000 Personen sind laut dieser in der Land- und Forstwirtschaft tätig. 1951 waren noch mehr als 1,6 Millionen Personen in Österreich im Agrarbereich beschäftigt.

“Der Trend zu weniger, dafür aber größeren Betrieben in der österreichischen Landwirtschaft setzt sich fort”, schreibt auch die Statistik Austria 2025 in einer Pressemitteilung.

3,1 Prozent der Erwerbstätigen in Österreich sind Bauern. Ob sie Nutztiere haben oder Felder bewirtschaften: Von ihnen kommt unser Fleisch, unser Obst und Gemüse, unser Mehl, unser Brot. In den letzten Jahrzehnten haben immer mehr Bäuerinnen und Bauern ihr Handwerk aufgegeben. Neun Betriebe sperren jeden Tag in Österreich zu.

Zum Frühstück vor der Reittour  gibt’s auf der Bergerwieshütte Deftiges: Speck, Eier und schwarzen Kaffee.

Großinvestoren, die riesige Agrarflächen aufkaufen, machen es den Bäuerinnen und Bauern immer schwerer. Kaum ein Landwirt kann über Zukäufe von Agrarflächen nachdenken. Pharmaunternehmen, Versicherer oder Bauunternehmer haben sich in den letzten Jahren mit Ackergold regelrecht eingedeckt

Für die kleineren Landwirte bleibt immer weniger (leistbare) Anbaufläche übrig. Eine Entwicklung, die uns Sorgen machen sollte. Denn am Ende sind es unsere Lebensmittel, die auf den immer weniger werdenden Flächen und zu noch höheren Preisen, angebaut werden müssen.

Waldlichtung neben dem Weißenbach im Nationalpark Kalkalpen. // Bildcredits: Leonhard Lenz, CC0, via Wikimedia Commons

Nach unserem Wochenende in Reichraming und im Nationalpark bleibt uns ein Fazit: Menschen, die wenig Erfahrungen und Einblicke über das „Leben am Land“ oder den „Alltag als Bauer“ haben, könnten Leute wie Michael Schwarzlmüller als „konservativen Kerl“ abstempeln. Jene, die wirklich hinsehen und an seinem Alltag und dem, was er gemeinsam mit seiner Frau Gitti für die (Dorf-)Gemeinschaft leistet, teilhaben, wissen: Er ist viel mehr als das. Ein Freigeist und ein Anpacker – ein Cowboy der Kalkalpen eben. 


Wer einen Abstecher in die Natur erleben und bei Michael und Gitti Schwarzlmüller Kutschenfahren oder Reiten gehen will, findet hier weitere Information.

Romana Greiner

Romana recherchiert am liebsten über die großen Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft: Warum bekommt eine Mitarbeiterin 200 Mal weniger Gehalt als der Konzernchef? Wieso sind die Volksschullehrerin oder der Briefträger immer noch so schlecht entlohnt? Als Chefredakteurin leitet sie seit 2023 die NeueZeit und ihr engagiertes Team. Um vom Redaktionsalltag den Kopf frei zu bekommen, ist sie gern in der Natur sporteln oder auf Konzerten.

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