Es ist ein besonderer Tag in Österreichs Innenpolitik. Am Mittwoch ist Start des “Untersuchungsausschuss betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder”, auch ÖVP-U-Ausschuss genannt. In den kommenden Monaten soll geklärt werden, inwiefern die Partei von Karl Nehammer und Sebastian Kurz Österreich nicht nur politisch an die Wand fährt, sondern auch ein strukturelles Problem mit Korruption hat. Wir dürfen gespannt sein.
Stichwort
Die Kolumne von Paul Stich,
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich.
ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist immer für einen Skandal gut. Kürzlich verglich er den russischen Angriffskrieg in der Ukraine mit der Befreiung Österreichs von den Nazis im Jahre 1945. Doch nicht nur mit absurden Geschichtsvergleichen macht der heutige ÖVP-Nationalratspräsident auf sich aufmerksam.
Auch in Bezug auf mögliche krumme Geschäfte der ÖVP ist er ausgesprochen gesprächig. “Sie wissen eh, wie das rennt. Fürs Geschäft gibts ein Gegengeschäft”, sagte er vor einigen Jahren im OE24-Talk mit Wolfgang Fellner vor laufenden Kameras, als über Inserate gesprochen wurde.
Waren mutmaßlich mit Steuergeld gekaufte Umfragen erst der Anfang?
Dass Sobotkas Aussagen so ernst zu nehmen sind, war zum damaligen Zeitpunkt wohl den wenigsten Menschen in Österreich bewusst. Erst das Handy von Thomas Schmid zeigte, wie sehr die ÖVP über Jahre in mutmaßliche Korruptions-Affären verstrickt war.
Wir erinnern uns: Offensichtlich hat die ÖVP jahrelang mit Steuergeldern manipulierte Umfragen finanziert und nach Absprache in der Zeitung “Österreich” veröffentlicht. Das vermutet zumindest die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die in der Causa ermittelt. Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin soll für die Vermittlung dieser Umfragen zusätzlich Provisionen kassiert haben.
Erst vor wenigen Tagen sorgte das Geständnis von Meinungsforscherin Sabine Beinschab für Aufsehen. Auch der damalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz soll durch ihre Aussage schwer belastet worden sein. Ob es weitere mutmaßlich korrupte Praktiken in diese Richtung gab, wird der U-Ausschuss in den kommenden Monaten zeigen.
Doch schon jetzt ist klar: Österreich scheint mit der ÖVP in der Regierung einem Mafia-Staat zu gleichen, in dem Recht und Gesetz so gebogen werden, wie es den Mächtigen gerade passt.
Die “Hure der Reichen”
Wofür die ÖVP und Kurz die mutmaßlich gefälschten Umfragen verwendet haben, ist heute jedem in Österreich klar: Noch während seiner Zeit als Außenminister blockierte Kurz den wichtigen Ausbau von Kindergartenplätzen. Dieser hätte tausenden Familien im ländlichen Raum eine massive Erleichterung gebracht. Als Bundeskanzler setzte er mit der Einführung des 12-Stunden-Tages oder der Senkung der Gewinnsteuern für multinationale Konzerne weitere Schritte, um die Wünsche seiner Spender zu erfüllen – und den arbeitenden Menschen das Leben schwer zu machen.
Doch es wäre falsch, all diese Dinge nur auf die Person Kurz zu reduzieren. Der heutigen Bundeskanzler Karl Nehammer etwa war bereits vor Kurz´ Kür zum Parteichef in führenden Funktionen für die Ausrichtung der Partei verantwortlich.
Einmal mehr zeigt sich: Egal, ob die Person an der Spitze der ÖVP nun Kurz, Schallenberg oder Nehammer heißt – die ÖVP ist eine Partei, die niemals das Wohl der Menschen in Österreich im Blick hat. Ihren Politikerinnen und Politikern geht es offensichtlich eher darum, sich eine gute Basis für teure Aufsichtsratsposten in den Konzernen ihrer Spender zu schaffen. Mit legalen, aber mutmaßlich auch mit illegalen Mitteln. Dieser ÖVP-Sumpf ist umgehend trockenzulegen.
Neue Mehrheiten braucht das Land
Es ist an der Zeit für einen Neustart. Die Menschen in Österreich haben sich eine Regierung verdient, die nicht nur auf den eigenen Vorteil schaut. Für die Ehrlichkeit, Handschlagqualität und Leistung für die Bevölkerung nicht nur Schlagworte aus einem PR-Handbuch, sondern ein ernst gemeinter Handlungsauftrag sind. Dafür gilt es zu kämpfen. Im U-Ausschuss und darüber hinaus. Für eine Regierung mit neuen Mehrheiten jenseits von Schwarz und Blau. Und für eine ÖVP auf der Oppositions- und wenn nötig auch auf der Anklagebank.
Notabene: Die Staatsanwaltschaft ermittelt und hat durch Chats und Zeugenaussagen starke Indizien für die mutmaßliche ÖVP-Inseraten-Korruption. Anklage wurde jedoch noch gegen niemanden erhoben. Bis zu einem etwaigen Gerichtsverfahren gilt für alle Genannten die Unschuldsvermutung.