Die Korruptionsermittlungen nach dem Ibiza-Video führten schnell zur ÖVP. Wie das ging, zeigt eine aktuelle ORF-Doku. Bei einer Hausdurchsuchung bei Thomas Schmid fand die Staatsanwaltschaft die ÖVP-Chats. Obwohl die Ermittler erst einen Teil davon ausgewertet haben, reichte es für Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, Finanzministerium, beim Finanzminister zu Hause, der ÖVP-Zentrale und so weiter. Sebastian Kurz musste zurücktreten und gleich mehrere hochrangige Türkise sind Beschuldigte in Strafverfahren.
Kurz nach dem Ibiza-Video begann die Korruptionsstaatsanwaltschaft zu ermitteln. Zunächst gegen die FPÖ, doch sehr bald führten die Spuren zur ÖVP. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler dann ein Backup des Handys von Thomas Schmid. Seitdem platzt eine politische Bombe nach der anderen. Die Chats daraus legten offen, wie der engste Kreis um Sebastian Kurz denkt und arbeitet. Auf jeden Fall lieferten sie ein Sittenbild. Die Staatsanwaltschaft sieht aber auch kriminelle Verwicklungen von Kurz und seinen engsten Vertrauten – für alle gilt die Unschuldsvermutung. Eine ORF-Dokumentation fasst die Ereignisse zusammen, die Thomas Schmids Handy bekannt gemacht hat. Sie „kann ganz massiv Ihr Wahlverhalten ändern“, warnt beispielsweise der Landesgeschäftsführer der SPÖ Burgenland Roland Fürst.
Am 9. Oktober 2021 musste Kurz als Bundeskanzler zurücktreten, obwohl wir bis heute nur die Spitze des türkisen Korruptions-Eisbergs kennen. Das vermutet zumindest der Fraktionschef der SPÖ im Ibiza-U-Ausschuss Kai Jan Krainer. Zwei Drittel der Chats auf Schmids Handy muss die Staatsanwaltschaft nämlich erst auswerten. Trotzdem reichte es schon jetzt, um Kurz zum Rücktritt zu zwingen.
Dabei gehörte Schmid nicht einmal zum engsten Kreis um den ÖVP-Hoffnungsträger. Er war eigentlich nur sein „Werkzeug“, beschreibt Krainer in der Doku. Trotzdem wurde Schmid zur Schlüsselfigur im „Projekt Ballhausplatz“. So nannten Kurz, Gernot Blümel und Co ihren Plan zur Machtübernahme in der ÖVP und der Republik. Dafür sägten sie auf am Sessel des eigenen Parteichefs und sabotierten die Regierung von SPÖ und ÖVP. Laut Staatsanwaltschaft ließen sie auch Umfragen manipulieren, bestechen und Steuergeld veruntreuen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.
Die ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat bezeichnet das Ganze in der Dokumentation als „Bubenstreiche“. Etwas kritischer ist ihr Parteikollege Franz Fischler. Er beschreibt, wie Kurz an den Gremien der Partei vorbeiarbeitete.
Genau das tat er später auch in der Republik. „Man hat hier einfach Parallelstrukturen aufgebaut, an den (rechts)staatlichen Grundsätzen vorbei“, beschreibt es Krainer. Kurz installierte Generalsekretäre in den Ministerien. Sie sind meist ausgesuchte Kurz-Getreue und haben fast so viel Macht, wie Ministerinnen und Minister – allerdings keine politische Rechenschaftspflicht. Bestes Beispiel: Thomas Schmid. Der machte sich Chats ganz offen über seinen damaligen Chef Finanzminister Hartwig Löger lustig. Der solle ja nicht glauben, dass er selbst etwas zu melden habe: Die Entscheidungen würden Kurz oder Generalsekretär Schmid treffen.
Dann wollte Schmid endlich auch sein Stück vom Kuchen, vermuten zumindest Opposition und Ermittlerinnen. Gemeinsam mit Kurz und Blümel baute er die österreichischen Staatsbetriebe zur „Österreichische Beteiligungs AG – ÖBAG“ um. Vorstand wollte Schmid selbst werden. Es ist einer der bestbezahlten Jobs, die die Republik zu vergeben hat.
Schon lange vor dessen Bestellung zum Vorstand, bezeichnete Blümel die ÖBAG in Chats als „Schmid AG“. Damals entstand auch der mittlerweile legendäre Austausch zwischen Schmid und Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst“ – „Ich liebe meinen Kanzler“
Unterhaltungswert haben die Chats von Schmid und seiner Mitarbeiterin L. Mit ihr bastelte er beispielsweise die Ausschreibung für den ÖBAG-Vorstand – der er ja selbst werden wollte. Allerdings erfüllte er nicht alle Anforderungen. L. bestand zum Beispiel darauf, dass „internationale Erfahrung“ als Qualifikation in der Job-Ausschreibung bleiben muss. Schmid war entsetzt: „Ich bin aber nicht international“. Also brauchte er laut L. „ein sehr gutes Motivationsschreiben“. Schmid machte das ratlos: „Wer schreibt das?“
Ziemlich genau einen Monat vor der verhängnisvollen Hausdurchsuchung bei ihm löschte Schmid dann alle Chats von seinem Handy. Per WhatsApp-Nachricht an L. feierte er sich selbst dafür: „Genial“. Wenige Wochen später fand die Staatsanwaltschaft das Backup, das Schmid übersehen hatte.
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