Der steirische Bergbauer Christian Bachler hat sich mit der Agrarindustrie und der Raiffeisen angelegt. Nun hätte er beinahe seinen Hof verloren. Seine Streitbarkeit und seine Vision, wie Landwirtschaft zum Wohle von Mensch, Tier und Natur funktionieren kann, retten ihn. Mit Unterstützung einer unerwarteten Allianz: Florian Klenk und Andreas Gabalier machten sich für ihn stark.
Seit er vorletzten Sommer dem Falter-Chefredakteur Florian Klenk die Leviten gelesen hat, wurde der „Wutbauer“ Christian Bachler einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. In seinen Videos wettert er schon länger gegen die Industrialiserung der Landwirtschaft. Sie kostet viel Steuergeld, von dem nur sehr wenige Großbauern und die allgegenwärtige Raiffeisen profitieren. Obendrein bringt sie auch noch minderwertige Lebensmittel hervor.
Genauso kritisiert Bachler aber auch das teils naive Bild vieler Städter, wie Landwirtschaft funktionieren soll. Genau dafür attackierte er Klenk frontal. Und wie es im Leben so oft ist: Wenn zwei meinungsstarke Persönlichkeiten aufeinander treffen, kracht es erst. Doch daraus entstehen nicht selten Freundschaften. So auch in diesem Fall. Schließlich rettete eine Allianz aus Klenk samt anderer „Bobos“ und ausgerechnet Andreas Gabalier den Bergerhof Bachlers vor der Zwangsversteigerung.
Doch wie kam es zu dem Ganzen? Als junger Bauer tat Cristian Bachler das, was man ihm beigebracht hatte: konventionelle Landwirtschaft, ganz nach dem Geschmack von Lagerhaus und Raiffeisen. Expansion, laufende Investition, um immer billiger Lebensmittel zu produzieren. Dadurch immer höhere Schulden, die zur Abhängigkeit von Abnehmern führen. Die wiederum wissen das und diktieren die Preise. Immer geringere Gewinnmargen zwingen zu immer mehr Produktion, um zumindest ein bisschen zu verdienen. Wieder neue Investitionen, wieder mehr Schulden und so weiter und so weiter. Quantität vor Qualität: Dieses Motto steht über allem. Wie es den Tieren dabei geht? Egal. Hauptsache schnell viel Fleisch. Wie es den Bäuerinnen und Bauern geht? Auch wurscht. Hauptsache sie liefern große Mengen zu billigen Preisen. Was die Konsumenten am Teller haben? Hauptsache der Gewinn stimmt.
Dieses System führt in eine gefährliche Spirale: Bauern haben – auf Druck der Agrarindustrie, vor allem Raiffeisen und Co. – nun oft Produktionsanlagen und Geräte im Wert von hunderttausenden Euros und mehr in Betrieb. Die brauchen sie, um bei immer geringerem Gewinn pro Stück, Kilo oder Liter trotzdem noch von der Landwirtschaft leben zu können. Ein Großteil dieser Anschaffungen kann natürlich nur mit geborgtem Geld getätigt werden, die Bauern sitzen nun auf üppigen Krediten. Auch Christan Bachler erging es so. Aber Banken haben auch für solchen Fälle gute Ideen auf Lager: Fremdwährungskredite! Da nimmt man beispielsweise einen Kredit statt in Euro in Dollar auf. Das ist super, wenn der Euro (mit man zurückzahlt) immer mehr wert wird und der Dollar weniger. Wird der Euro allerdings weniger wert, hat man ein richtiges Problem: Der Schuldenberg explodiert ohne eigenes Zutun. Und ohne, dass man etwas dagegen kann. Fix verdienen daran nur die Banken. Auch Christian Bachler hätte diese Praxis letzten Endes um ein Haar den Hof gekostet.
Irgendwann hatte er genug – er konnte auch nicht mehr. Der Bergbauer stelle seine gesamte Landwirtschaft um und produziert heute nachhaltig im Einklang mit der Natur der Krakauebene. Und er ging an die Öffentlichkeit. Doch sein Schuldenberg verfolgte ihn. Letztendlich ist ihm eine Eigenschaft zugutegekommen, die ihn zuvor wohl weiter hineingeritten hat: Christian Bachler ist ein sturer Hund. Die Raiffeisen ist bestimmt kaum großer Fan seiner Videos – nicht gut, wenn man bei ihr Schulden hat. Aber das ist ihm egal. Oder als er sich Klenk in einer Fernsehdiskussion stellte: der anerkannte Innenstadt-Journalist gegen den Almbauern? Ein ungleicher Kampf. Für Bachler mehr Ansporn als Hindernis. Und erst dadurch erlangte er die Bekanntheit und Anerkennung, die seinen Bergerhof schließlich retten sollte.
Er selbst erklärt in einem emotionalen Video, welcher Schritt ihm mehr Mut abverlangte, als Streit mit der allmächtigen Raiffeisen anzuzetteln: Um Hilfe zu bitten. Sehr plastisch beschreibt er die lähmende Ohnmacht, die Geldprobleme auslösen können. Es ist unheimlich schwer für die Betroffenen, sich Hilfe zu suchen. Scham und gesellschaftliche Verachtung a‘la „der wird schon selbst schuld sein“ treffen da aufeinander. So geht es in der Corona-Krise immer mehr Menschen.
Für Bachler hatte die Geschichte kurz vor dem Abgrund ein Happy End. Die Raiffeisen Murau stellte seinen gesamten Kredit fällig und wollte den Hof verpfänden. Doch ein unerwartetes Gespann aus Falter-Chefredakteur Florian Klenk und Andreas Gabalier sicherte ihm 315.521 € Spenden. Obwohl die angepeilte Summe schon übertroffen war, gingen laufend Gelder ein. Bis Christian Bachler selbst das Spendenkonto abdrehte. Mit den Geldern will er den Hof umschulden und eines seiner Herzensprojekte ausbauen: Wissen über Landwirtschaft im Einklang mit der Region weitergeben. Ohne Romantik. Dafür mit Herzblut, Innovation, Hausverstand und bestimmt auch einer Prise der Sturheit, für die man Bergbauern kennt – vor allem diesen.
Mit all dem Druck fiel auch offenbar auch viel Groll ab. Als Nachbar war Christian Bachler wohl nicht immer nur der angenehmste. Man kann sich vorstellen: Nachbarschaftsstreit ist er wohl keinem aus dem Weg gegangen. In einem seiner aktuellsten Videos richtet er sich deshalb an seine Nachbarn, die Dorfgemeinschaft. Denn für Bachler ist klar: Das Leben auf seinem Bergerhof steht und fällt mit der Entwicklung in der Krakauebene, seiner Region. Deshalb will er mit dem Geld, das übrig bleibt, die Dörfer in der Gegend stärken. Erneut zeigt sich: Wenn dir finanziell das Wasser bis zum Hals steht, zieht sich das durch alle Lebensbereiche. Konflikte, die sich sonst bei einem Gespräch lösen ließen, sind dann oft die eine Zusatzbelastung zu viel und eskalieren.
Vor allem aber zeigt dich Geschichte, was industrielle Landwirtschaft am Land anrichtet. Sie zerstört die Natur, quält „Nutztiere“, bedroht zahlreiche Wildtier- und Pflanzenarten, treibt kleine Bauern an den Rand des Selbstmords, zerrüttet Dorfgemeinschaften, … und wofür das Ganze? Für die meisten von uns: minderwertige Lebensmittel. Nur einige wenige Großbauern und die Raiffeisen verdienen sich eine goldene Nase.
Für die Gymnasiasten hier hat die Geschichte noch ein zweites Happy End: Ist doch schön, wenn Michael Kohlhaas mal gewinnt!
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