Österreich ist das letzte Land in der EU mit einem Amtsgeheimnis im Gesetz. Dadurch bleiben korrupte Politiker und Beamte oft unentdeckt. Auch die ÖVP-Skandale wären ohne Amtsgeheimnis wohl früher aufgeflogen. Grüne und ÖVP haben in ihrem Koalitionsvertrag ein Informationsfreiheitsgesetz statt des Amtsgeheimnises versprochen. Doch nun spielen sie auf Zeit.
In Österreich steht das Amtsgeheimnis seit fast 100 Jahren, in der Verfassung. Es schreibt vor, welche Informationen Politikerinnen und Politiker oder Behörden verheimlichen dürfen. Das Gegenkonzept zum Amtsgeheimnis ist die Informationsfreiheit. Sie gibt allen Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen.
Amtsgeheimnis erleichtert Korruption
Politikerinnen und Politiker berufen sich gerne aufs Amtsgeheimnis. Wofür gibt die Regierung Steuergelder aus? Mit welchen Menschen trifft sich der Bundeskanzler beruflich? Wie viel gibt die Politik für Werbung aus? All diese Fragen müssen die Verantwortlichen in Österreich nicht beantworten. Nicht nur das: Die Preisgabe der Informationen wäre sogar strafbar.
Das erhöht die Gefahr von Korruption wesentlich. In jüngster Zeit gab es in Österreich einige Skandale, die auf das Fehlen von Daten zurückzuführen sind. Die Korruptionsskandale um Sebastian Kurz und seinen damaligen ÖVP Kollegen, wären wohl deutlich früher aufgeflogen, oder so nicht möglich gewesen. Denn die Ausgaben des Finanzministeriums wären jederzeit öffentlich einsehbar gewesen. Und somit auch die Zahlungen für dubiose Umfragen.
Österreich ist Transparenz-Schlusslicht in Europa
Das österreichische Amtsgeheimnis ist einzigartig für Europa. In keinem anderen EU-Land gibt es ein vergleichbares Gesetz. Politikerinnen und Politiker oder Behörden können dort nicht einfach Auskünfte verweigern, die die Allgemeinheit betreffen. Die österreichische Politik muss also nicht lange nach Vorbildern suchen, wie man für mehr Transparenz sorgen kann.
In Schweden gilt zum Beispiel seit 1766 das Öffentlichkeitsprinzip, durch das alle Dokumente der Regierung öffentlich gemacht werden müssen. Im Nachbarland Slowakei sind Verträge erst dann rechtskräftig, wenn sie öffentlich gemacht wurden und in England findet man sogar die Terminkalendereinträge von Politikerinnen und Politikern, wenn man danach sucht.
Informationsfreiheit würde Details über ÖVP-Skandale öffentlich bekannt machen
2013 kündigte die damalige Bundesregierung erstmals an, das Amtsgeheimnis aufzuheben. Dieser Versuch ist gescheitert. ÖVP und Grüne machten Informationsfreiheit zu einem der Kernpunkte ihres Koalitionsabkommens. Vor allem die Grünen wollten damit bei Wählerinnen und Wählern punkten. Doch jetzt schieben sie das Gesetz auf die lange Bank
Vizekanzler Werner Kogler meint in einem Standardinterview, dass die Bundesländer das Gesetz blockieren. Auch Karoline Edstadler von der ÖVP kommt zur selben Schlussfolgerung. Gemeinden hätten außerdem die Sorge, Aufgaben auf sie zukommen, die sie nicht stemmen könnten.
Verfassungsjurist Heinz Mayer hat dazu eine ganz andere Meinung. Er stellt fest, dass die Regierung das Amtsgeheimnis auch ohne die Länder einschränken kann. Auf Anfrage vom Standard bestätigt die Regierung das. Warum also noch warten, wenn es bereits möglich ist? Scheitert es doch daran, dass durch ein Informationsfreiheitsgesetz auch Details über türkise Skandale öffentlich zugänglich würden?