Die Justiz ermittelt derzeit gegen mehrere ÖVP-Funktionäre. Ausgerechnet jetzt schickt die Regierung ein Gesetz in Begutachtung, das Razzien bei Behörden in Österreich einschränken soll. Nach einem Aufschrei der Opposition rudert die Grüne Justizministerin Alma Zadic vorsichtig zurück. Währenddessen werden gegen ÖVP-Mann Christian Pilnacek neue Vorwürfe bekannt: Er soll illegal vorab über die geplante Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel informiert worden sein.
Hausdurchsuchung beim amtierenden Finanzminister, geheime Chats von Spitzenbeamten und Korruptions-Ermittlungen gegen Parteifreunde – die Arbeit der Justiz setzt die ÖVP in den letzten Wochen gehörig unter Druck.
Ob Zufall oder nicht: Ausgerechnet jetzt, wo die Staatsanwaltschaft im Umfeld der ÖVP ermittelt, schickt die Regierung ein neues Gesetz in Begutachtung, das die Rechte der unabhängigen Justiz beschneiden soll. Razzien bei Behörden sollen laut Gesetzes-Entwurf künftig eingeschränkt werden. Nach heftiger Kritik der Opposition lenkt zumindest die Grüne Justizministerin Alma Zadic ein. Sie will mit Fachleuten über Änderungen an der Gesetzesnovelle diskutieren.
Möglichkeit zur Razzia bei Behörden in Österreich soll eingeschränkt werden
Im Zuge der BVT-Reform soll auch die Strafprozessordnung geändert werden. Der entsprechende Gesetzes-Entwurf von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sieht vor, Razzien bei Behörden einzuschränken. Die Justiz soll Unterlagen und Datenträger von Behörden künftig nur mehr in Ausnahmefällen beschlagnahmen dürfen. Stattdessen sollen heikle Unterlagen via Amtshilfe angefordert werden.
In anderen Worten: Unangekündigte Hausdurchsuchungen bei Behörden werden erschwert. Das würde Razzien bei Behörden von Bund, Ländern und Gemeinden genauso betreffen wie Durchsuchungen bei öffentlichen Körperschaften wie den Sozialversicherungen oder den Kammern. Von der Opposition hagelt es heftige Kritik am Regierungsvorhaben.
Für den stellvertretenden SPÖ-Klubvorsitzenden Jörg Leichtfried ist das Gesetzesvorhaben ein „Angriff auf den Rechtsstaat und die Republik“. Es gehe darum, Korruptions-Ermittlungen zu verhindern, „um türkise Netzwerke und Machenschaften zu schützen“.
Aufklärung soll verunmöglicht werden, wenn sich der Korruptionsverdacht gegen Beamte oder Minister richtet, sagt die SPÖ. „Das bringt uns eher Richtung Polen und Ungarn“, warnt Leichtfried. Auch FPÖ und NEOS protestieren gegen den Regierungs-Entwurf. SPÖ-Abgeordneter Leichtfried appelliert an die Grünen: „Zieht die Novelle sofort zurück!“
Justizministerin Zadic will über Änderungen diskutieren
Bei Justizministerin Alma Zadic (Grüne) scheint der Aufruf angekommen zu sein: Sie will in den kommenden Tagen mit Fachleuten Änderungen am Entwurf diskutieren. Zadic: „Es ist mir ein großes Anliegen, die Korruptionsbekämpfung und die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften zu stärken.“ Offiziell ist das Gesetz noch bis 7. Mai in Begutachtung. Die Justizministerin will aber schon vor Ablauf der Frist über Änderungen sprechen. Damit könnte der nächste Koalitionskrach vorprogrammiert sein – schließlich kommt der Entwurf aus dem schwarzen Innenministerium.
ÖVP-Mann Christian Pilnacek soll vorab von der Blümel-Hausdurchsuchung gewusst haben
Währenddessen verstrickt sich die ÖVP immer weiter in Skandale rund um Hausdurchsuchungen. Im Mittelpunkt der neuesten Enthüllungen steht Christian Pilnacek. Der mächtige ÖVP-Beamte wurde Ende Februar als Generalsekretär im Justizministerium suspendiert. Er steht unter Verdacht, im Juni 2019 Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter eine bevorstehende Razzia bei Investor Michael Tojner verraten zu haben.
Pilnacek dürfte auch über die Hausdurchsuchung bei ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel vorab Bescheid gewusst haben. Auf seinem Handy wurden Fotos eines Berichts über die bevorstehende Razzia bei Blümel gefunden. Die Infos hätten gar nicht an Pilnacek gelangen dürfen – sie waren Verschlusssache der Staatsanwaltschaft. Die Justiz ermittelt wegen des Verdachts auf Amtsgeheimnisverrat. Es gilt die Unschuldsvermutung.