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Gerecht oder unfair? Was eine Erbschaftssteuer bringen würde

Sollen jene, die erben, dafür auch Steuern zahlen? Oder wäre das eine ungerechte Besteuerung von hart erarbeitetem Vermögen? Die NeueZeit hat Pro- und Contra-Argumente zur Erbschaftssteuer in Österreich gesammelt.

Die Erbschaftssteuer im Überblick
  • Seit 2008 gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr. Nachdem Teile davon für verfassungswidrig erklärt wurden, blockierte die ÖVP in der Bundesregierung eine Einigung auf eine neue Regelung.
  • 4 von 5 der reichsten Österreicher:innen haben ihr Vermögen geerbt. Die Geburts-Lotterie mischt in Österreich wenig durch. Denn Reichtum wird vor allem vererbt, Umverteilung findet kaum statt. Dennoch besteht mit der Grunderwerbsteuer eine “Erbschaftssteuer durch die Hintertür”.
  • Insbesondere die Angst um “Häuslbauer”, die ihr Einfamilienhaus nicht den Kindern vererben können, ist ein viel zitiertes Argument gegen die Erbschaftssteuer. Aktuell werden jedoch vor allem Modelle entwickelt und diskutiert, welche einen hohen Freibetrag vorsehen.

Warum es in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr gibt

Derzeit werden in Österreich pro Jahr 10 Milliarden Euro steuerfrei vererbt, Tendenz stark steigend. Seit dem Jahr 2008 gibt es in Österreich keine Erbschaftssteuer mehr. Damals lag der Steuersatz zwischen zwei und 60 Prozent des vererbten Vermögens. Die Steuer wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, da die damalige Regelung nicht dem Gleichheitssatz entsprochen hätte. Denn das Modell sah vor, Geldvermögen und Immobilienvermögen unterschiedlich zu besteuern.

Dabei betonte der Verfassungsgerichtshof auch, dass eine Erbschaftssteuer an sich nicht in Widerspruch mit der Verfassung stehen würde. Die damalige Koalition von SPÖ und ÖVP hatte daraufhin die Erbschaftssteuer nicht neu geregelt – sie lief einfach aus. Damit gibt es heute keine Besteuerung von Erbschaften mehr.

Gemeinhin wird die sogenannte Grunderwerbsteuer als Fortbestand der Erbschaftssteuer gesehen. Diese beträgt beim Kauf von Immobilien derzeit 3,5 Prozent des Kaufpreises. Aber auch wenn das Grundstück verschenkt oder vererbt wird, sind abhängig vom Wert der Immobilie 0,5 bis 3,5 Prozent des geschätzten Grundstückswerts an Steuern zu bezahlen. Die ÖVP macht seit Monaten gegen diese Steuer mobil – so soll das erste Eigenheim für junge Menschen erschwinglicher werden. Damit würde die ÖVP auch den letzten Funken einer Besteuerung von Erbschaften in Österreich abschaffen.

Reich wird in Österreich nur, wer erbt

Vermögen wird vererbt – denn sich ein Vermögen zu erarbeiten, ist mehr als unwahrscheinlich. Diese Ungleichheit erstreckt sich nicht nur über einzelne Generationen: Eine Studie aus Italien hat gezeigt, dass die fünf reichsten Familien in Florenz ihr Vermögen so weiter vererben, dass sie seit dem 15. Jahrhundert die fünf reichsten Familien der Stadt sind.

Dasselbe Bild in Österreich: Laut Gewerkschaftsbund ÖGB müsste man mit einem Durchschnittseinkommen hierzulande 40 Jahre arbeiten, um Millionär:in zu werden – und dürfte dabei kein Geld für Essen oder Wohnen ausgeben. Das funktioniert natürlich nicht. Die meisten Millionär:innen haben ihr Vermögen also geerbt, ohne je einen Tag dafür gearbeitet zu haben.

Dem Fiskus entgehen Milliarden, wenn Vermögen steuerfrei vererbt wird. Allein durch das Vermögen des unlängst verstorbenen Red-Bull-Chefs Dietrich Mateschitz wären dem Staat drei Milliarden Euro zugutegekommen. Geld, das etwa in Teuerungshilfen oder das Gesundheitssystem investiert werden hätte können.

Übrigens: Mateschitz selbst befürwortete eine Erbschaftssteuer.

Welche Funktionen eine Erbschaftssteuer haben kann

Eine Erbschaftssteuer soll vor allem die Verteilung von Vermögen gerechter gestalten. Die Idee dahinter: “Wer mehr hat, gibt mehr.”

Auch bei der Besteuerung des Einkommens gibt es diesen Verteilungseffekt: Je höher das Gehalt, desto höher auch der Steuersatz. Und auch die Abgaben für die Sozialversicherung steigen mit dem Verdienst.

Modelle der Erbschaftssteuer

Derzeit erben in Österreich 70 Prozent der Haushalte nichts, eine Erbschaftssteuer müssten diese also auch nicht bezahlen – egal, welches Modell der Erbschaftssteuer angewendet wird.

Die meisten Modelle gehen von einem Freibetrag aus, ab welchem die Erbschaftssteuer gestaffelt anfällt. Der Freibetrag liegt je nach Vorschlag meist zwischen 500.000 und einer Million Euro. Erst eine Erbschaft darüber hinaus müsste versteuert werden. Viele Modelle schlagen Steuersätze zwischen 25 und 90 Prozent vor.

In Niederösterreich kostet ein durchschnittliches Einfamilienhaus knapp 290.000 Euro. Die vielzitierten “Häuslbauer” beträfe eine solche Steuer also nicht – sehr wohl aber Superreiche.

Pro- und Contra-Argumente zur Erbschaftssteuer in Österreich: Nur Immobilien über einem Freibetrag müssten mit der einer Erbschaftssteuer versteuert werden.
Nur Immobilien über einem Freibetrag müssten mit der einer Erbschaftssteuer versteuert werden.

Contra: Was gegen eine Erbschaftssteuer spricht

  • Erbe wurde bereits versteuert. Mit der Erbschaftssteuer wird eine doppelte Besteuerung eingeführt.

Wer etwas vererbt, muss ja auch einmal zu diesem Vermögen gekommen sein. So fällt Lohnsteuer an, wenn man arbeiten geht. Wer sein Vermögen durch Zinsen erwirtschaftet hat, muss Kapitalertragsteuer zahlen. Und wer sein Vermögen durch den Betrieb von Fabriken oder Firmen erwirtschaftet, leistet Körperschaftsteuer.

  • Wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, soll den Kindern auch was vererben können.

Kinder und Kindeskinder sollen durch eine Erbschaftssteuer nicht gezwungen werden, das Haus, in dem sie aufgewachsen sind, verkaufen zu müssen. Allerdings: Eine Erbschaftssteuer würde erst nach einem Freibetrag fällig, zahlen müssten sie also nur jene Erb:innen, die sich das auch leisten können.

  • Der Verwaltungsaufwand wäre wesentlich höher als die Einnahmen aus einer Erbschaftssteuer.

Für Österreich gibt es keine Zahlen zu den Verwaltungskosten der Erbschaftssteuer bis 2008. Eine vergleichbare Erhebung wurde im Jahr 2003 in Deutschland durchgeführt: Laut dieser betrugen die Verwaltungskosten für die Erbschaftssteuer 3,7 Prozent des Steueraufkommens und lagen damit über dem durchschnittlichen Verwaltungsaufwand für andere Steuern von 1,7 Prozent.

  • In Österreich gibt es schon eine hohe Steuerquote, die Menschen müssen nicht noch mehr belastet werden.

Die Steuerquote beträgt in Österreich 42,4 Prozent, im internationalen Vergleich liegt die Alpenrepublik damit im Spitzenfeld. Dabei sind vor allem die Steuern auf Arbeit hoch – vermögensbezogene Steuern machen derzeit nur 1,4 Prozent des Steueraufkommens aus.

Pro: Was für eine Erbschaftssteuer spricht

  • Derzeit wird Vermögen in Österreich kaum besteuert. Wer mehr hat, soll auch mehr geben.

Nur 1,4 Prozent des Steueraufkommens in Österreich entfallen auf vermögensbezogene Steuern. Und das, obwohl jedes Jahr Unsummen vererbt werden. Nicht einmal offizielle Aufzeichnungen werden über das Vermögen in Österreich geführt, Statistiken darüber sind meist mühsame Rechenarbeit.

  • Durch eine Erbschaftssteuer kommt der Allgemeinheit mehr Geld zu. Der Sozialstaat hat mehr Finanzierung bitter nötig.

Gerade in Krisen-Zeiten sind viele Menschen auf den Sozialstaat angewiesen, gleichzeitig verzeichnen die reichsten Österreicher:innen Rekordgewinne. Allein der Sozialversicherung werden ab 2023 jährlich 111 Millionen Euro pro Jahr fehlen – ein Loch, das mit einer Erbschaftssteuer gestopft werden könnte. Und auch Menschen mit viel Vermögen profitieren, etwa von gut ausgebauten Straßen – welche wiederum von Steuergeld finanziert werden.

  • Wer erbt, hat auf das Erbe noch keine Steuern gezahlt.

Erb:innen haben auf das geerbte Vermögen noch keine Steuern gezahlt. Wenn, dann haben das ihre Eltern und Großeltern. Dabei ist selbst das Konzept einer vermeintlichen “Doppelbesteuerung” dem österreichischen Steuersystem nicht fremd: Wer einkaufen geht, zahlt auf jeden Artikel Mehrwertsteuer. Und das, obwohl vom Gehalt, mit dem man shoppen geht, schon Steuern gezahlt wurden.

  • Erbschaftssteuern betreffen nur Wenige – nämlich genau jene, die viel erben.

70 Prozent der Österreicher:innen erben nicht. Wer viel erbt, würde einen gewissen Prozentbetrag davon an Erbschaftssteuer leisten. Dieser wird in allen derzeit diskutierten Modellen nach einem – vergleichsweise recht hoch angesetzten – Freibetrag stufenweise gestaffelt. Somit trifft die Steuer nur jene, die ein nennenswertes Vermögen erben.

Fazit: Gerecht oder unfair?

Fakt ist, dass Vermögen in Österreich ungleich verteilt ist. Fakt ist auch, dass Vermögen fast immer vererbt wird. Erbschaften gelten in Österreich als einer der wesentlichsten Faktoren für Vermögensungleichheit. 4 von 5 Multimillionär:innen in Österreich haben ihr Vermögen geerbt.

Eine Erbschaftssteuer könnte helfen, die immer weiter anwachsende Konzentration von Vermögen einzudämmen und gleichzeitig mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur zu ermöglichen.

Zum Weiterlesen: Pro & Contra zur Vermögenssteuer

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Ein Kommentar

Antworten
  1. „Erbe wurde bereits versteuert. Mit der Erbschaftssteuer wird eine doppelte Besteuerung eingeführt.“ und „Konzept einer vermeintlichen “Doppelbesteuerung”.

    Es gibt kein versteuertes Geld im eigentlichen Sinne, da niemals Geld versteuert wird, sondern vom Prinzip immer der oder die Empfänger:in des Geldes. Keine Steuer wird unabhängig von der Person, die sie zahlen muss, fällig. Ansonsten hätte man ja auch alles Geld einmal versteuern können und dann wären wir fertig mit Steuern, bis wir neues Geld drucken. Ich denke, es ist wirklich wichtig, dieses Konzept gerade in dieser Debatte noch einmal deutlich zu machen. Wenn ich etwas erbe und für dieses Vermögen selber keine Steuern gezahlt habe, sollte ich es versteuern müssen. Alle anderen, die an ihr Vermögen durch arbeit kommen, müssen da ja auch tun.

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