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Wie die Europäische Zentralbank mit Zinserhöhungen die Krise verschärft

Die EZB will die Inflation mit Zinserhöhungen bekämpfen. Ökonomen sind skeptisch, ob das funktioniert// Bild: European Parliament from EU/CC BY 2.0

Im März hat die Europäische Zentralbank die Zinsen erneut angehoben. Sie liegen mittlerweile bei 3,5 Prozent und damit so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die EZB will mit den hohen Zinsen die Inflation bekämpfen. Ob das gelingt, ist fraglich. Viele Ökonomen befürchten, dass die Teuerungskrise durch Zinserhöhungen noch verschärft werden könnte. Denn höhere Zinsen sorgen in erster Linie für sinkende Löhne und Arbeitslosigkeit.

Aktuell ist in den Medien oft von Zinserhöhungen die Rede. Aber was bedeutet es eigentlich, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erhöht? Tatsächlich hat das gewichtige Folgen für die gesamte Wirtschaft in der Euro-Zone. Denn Zinsen sind nichts anderes als der Preis, den man für einen Kredit bezahlt. Wenn dieser Preis steigt, können sich weniger Menschen einen Kredit leisten und damit weniger Autos kaufen, Häuser bauen oder Unternehmen gründen. Die Folge: Das Wirtschaftswachstum geht zurück. Die EZB will mit den Zinserhöhungen also einen Wirtschaftseinbruch verursachen. Wieso tut sie das?

Die EZB führt mit der Zinserhöhung absichtlich einen Wirtschaftseinbruch herbei

Die Zentralbanker, allen voran die Präsidentin der EZB Christine Lagarde, glauben, dass höhere Zinsen die Inflation senken werden. Die Annahme dahinter ist folgende: Unternehmen erhöhen ihre Preise, weil die Nachfrage nach ihren Produkten hoch ist. Mit Zinserhöhungen dämpft die Zentralbank die Nachfrage. Das heißt, Verbraucher kaufen weniger ein und sind eher bereit zu sparen. So sollen Unternehmen dazu gebracht werden, ihre Preise wieder zu senken.

Der US-amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz weist jedoch darauf hin, dass die aktuelle Inflation in Europa mit der Nachfrage nichts zu tun hat. Vielmehr steigen die Preise deshalb, weil Energie und andere Güter knapp sind. Stiglitz spricht von einer angebotsbedingten Inflation. Auch der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck hält die Zinserhöhungen der EZB für kontraproduktiv, weil sie nur die Nachfrage, aber nicht das Angebot beeinflussen. 

Bei einem knappen Angebot können höhere Zinsen der Wirtschaft einen Bärendienst erweisen. Denn die Menschen geben wegen den hohen Energiepreisen schon weniger Geld für andere Güter aus. Die Nachfrage ist also bereits relativ niedrig. Wenn die Nachfrage mit höheren Zinsen zusätzlich gesenkt wird, könnte das fatale Folgen haben.

Mit höheren Zinsen sorgt die EZB für Lohndruck und Arbeitslosigkeit – an der Inflation ändert sie wenig

Bei niedriger Nachfrage machen Unternehmen weniger Umsatz. Sie werden daher ihre Angestellten schlechter bezahlen oder sogar entlassen. Einige Unternehmen können sogar insolvent werden, wodurch noch mehr Menschen arbeitslos werden. Die Zinserhöhung schadet also in erster Linie arbeitenden Menschen. Auch Menschen, die noch einen Kredit abbezahlen müssen, treffen die höheren Zinsen heftig: Wenn ihr Kredit variabel verzinst ist, also immer an den aktuell geltenden Leitzins angepasst wird, müssen sie nun auf einen Schlag mehr zahlen.

Sparer haben dagegen wenig von den höheren Zinsen. Denn die Inflation liegt in der Euro-Zone mit 8,5 Prozent im Februar immer noch weit über dem Leitzins. Auch wenn Sparer also in Zukunft wieder Sparzinsen bekommen, werden sie durch die Inflation auf Dauer trotzdem ärmer.

“Die europäischen Energiemärkte sollten sich verändern. Deregulierung funktioniert nie”

Statt mit Zinserhöhungen Öl ins Feuer zu gießen, fordert Ökonom Stiglitz, die wahren Ursachen der Inflation zu bekämpfen – nämlich die hohen Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine, sowie die anhaltenden Lieferkettenprobleme. Stiglitz fordert die Staaten auf, stärker in den Energiemarkt einzugreifen: „Die europäischen Energiemärkte sollten sich verändern. Deregulierung funktioniert nie.“ Laut ihm brauche es zum Beispiel mehr Investitionen in erneuerbare Energien und generell ein erhöhtes Energieangebot, um die Preise langfristig zu senken.

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