Der gefährlichste Ort für Frauen sind die eigenen vier Wände. Das gilt vor allem für Österreich. Im Durchschnitt verüben hierzulande fast drei Männer pro Monat einen Mord an Frauen. Österreich ist damit das einzige Land in der EU, in dem jährlich mehr Frauen als Männer ermordet werden. Während die österreichische Regierung den Gewaltschutz kaputt spart, sind andere Länder aktiver: Die französische Polizei kann Sofortmaßnahmen gegen Täter setzen, Deutschland beschließt ein Rekord-Frauenbudget und Spanien hat Frauenmorde mit sogenannten „Eilprozessen“ zurückgedrängt.
Laut EU-Grundrechteagentur muss jede 5. Frau in Österreich ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt von einem Mann erleben. Die meisten dieser Taten finden innerhalb der eigenen Familie oder anderer enger Beziehungsverhältnisse statt.
Gewalt an Frauen „fängt damit an, dass man die Abwertung von Frauen als Witz herabspielt, und geht so weit, dass man Frauenmorde als Beziehungsdramen bezeichnet“, sagt die Soziologin Laura Wiesböck. Die Gewaltspirale werde auch deshalb nicht durchbrochen, weil die bestehenden Gesetze in Österreich nicht ausreichend vollzogen werden. Geht eine Frau in Österreich zur Polizei, muss sie mit Verharmlosung rechnen. Oft wird ihr nicht geglaubt und das, obwohl der Täter in den meisten Fällen schon amtsbekannt ist.
Das hat man auch am Beispiel des „Bierwirts“ gesehen. Bereits 2018 erregte er mit sexistischen Nachrichten an die grüne Abgeordnete Sigi Maurer mediales Aufsehen. Zudem war er mehrmals wegen Gewaltdelikten und Verstößen gegen das Waffengesetz vorbestraft, bevor er Ende April seine 35-jährige Ex-Partnerin erschoss.
So schlimm sieht es nicht in allen Ländern aus: Seit einigen Jahren bietet Frankreich umfassende Schulungen für Polizistinnen, Justizbeamte und Sozialarbeiter an. Sie werden für das Thema Gewalt an Frauen schon früh in ihrer Ausbildung sensibilisiert und wissen, was zu tun ist, sobald eine Frau Anzeige erstatten und ein Gewaltdelikt melden möchte.
Zudem hat die Französische Justiz seit 2010 das Recht, sogenannte „Sofortmaßnahmen“ zu ergreifen. Ein französischer Familienrichter kann beispielsweise den gewalttätigen Täter mit sofortiger Wirkung wegweisen oder ihm ein Waffenverbot auferlegen. Das geschieht in Frankreich circa 3.000 Mal im Jahr.
Männergewalt stellt weltweit, aber vor allem in Österreich ein umfassendes Sicherheitsproblem dar. Zur Verharmlosung kommt hinzu, dass die Mittel für den Gewaltschutz an allen Ecken und Enden fehlen. Erst 2018 kürzte die damalige türkis-blaue Regierung das Budget von Frauenschutz-Organisationen und über 400 wichtigen Beratungsstellen. In Einzelfällen verloren Frauenorganisationen von heute auf morgen an die 40.000 Euro.
Auch die sogenannten Fallschutz-Konferenzen – ein wichtiges Instrument zum Informationsaustausch zwischen der Polizei, der Justiz und den Gewaltschutzeinrichtungen – wurden von ÖVP und FPÖ ersatzlos eingestampft. Gerade in der Betreuung von Gewaltbetroffenen merkt man die Auswirkungen dieser Kürzungen.
„In Wien kommen auf eine Betreuerin derzeit 330 Gewaltopfer. Es bleibt einfach nicht genug Zeit für alle Fälle“, betont Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.
Gemeinsam mit anderen Frauenvereinen fordert sie von der Regierung 228 Millionen Euro und 3.000 zusätzliche Stellen im Opferschutz.
Deutschland ging erst 2020, mitten in der Corona-Pandemie, mit gutem Beispiel voran: Im Gegensatz zu Österreich, wo das Frauenressort immer schon äußerst gering dotiert war, verabschiedete das deutsche Frauenministerium ein Rekord-Budget.
Die finanziellen Mittel fließen in Deutschland nicht nur in den Gewaltschutz und den Ausbau der Frauenhäuser, sondern setzen viel früher an: etwa beim Ausbau der Ganztagesbetreuung und der Unterstützung von Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern. Diese Maßnahmen ermöglichen, dass alle Geschlechter Beruf und Familie gut vereinbaren können.
Solche Maßnahmen fehlen in Österreich nach wie vor. Denn gerade am Land sind viele Frauen gezwungen, weniger zu arbeiten, da immer noch viele Kindergärten oder Nachmittagsbetreuungen zu kurze Öffnungszeiten anbieten. Wer am Ende des Tages über weniger Einkommen verfügt, der ist auch eher gezwungen, in einer gewaltgeprägten Beziehung zu verharren.
Die häusliche Gewalt hat während der Corona-Pandemie weltweit zugenommen. Großbritannien hat im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bereits im Mai 2020 ein Gesetz verabschiedet, das Opfer häuslicher Gewalt umfassender schützen soll: Laut dem neuen Gesetz zählen nicht nur körperliche Angriffe, sondern auch der Geldentzug oder psychische Misshandlungen als Arten von häuslicher Gewalt.
Die Gesetzesänderung sollte es den Behörden und der Polizei leichter machen, schon früher gegen Täter vorgehen zu können und damit Frauenleben zu schützen. Außerdem werden strukturelle Benachteiligung und Frauenhass in Großbritannien als gesamtgesellschaftliche Probleme angesehen: Seit dem jüngsten Fall um Sarah Everard, die im März auf ihrem Heimweg von einem Polizisten ermordet wurde, wird auch Frauenhass als sogenanntes „Hate crime“ eingestuft. Also als ein „Hassverbrechen“, das einzig wegen der Zugehörigkeit des „Opfers“ zu einem Geschlecht oder einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, verübt wird.
Die britische Polizei ist damit dazu verpflichtet, Informationen über Gewaltdelikte, Stalking und Sexualstraftaten aufzunehmen und Ermittlungen einzuleiten. Und zwar schon dann, wenn das Opfer glaubt, dass „Feindseligkeit aufgrund des Geschlechts“ der Grund für Belästigungen oder Angriffe ist.
In Frankreich greifen Richter und Richterinnen mit Sofortmaßnahmen circa 3.000 Mal im Jahr ein. In Spanien ist man noch effektiver: Dort werden sogar 10.000 Mal pro Jahr Sofortmaßnahmen zum Schutz von Frauen getätigt.
Seit 2004 gibt es in Spanien als einzigem Land sogenannte „Eilprozesse“ : Nach Anzeigen von Frauen werden beschleunigte Prozesse eingeleitet, in denen Richter und Richterinnen innerhalb von 72 Stunden ihr Urteil fällen können. Auf diese Weise konnten unzählige Frauenmorde verhindert werden.
Doch das gesellschaftliche Bewusstsein greift in Spanien schon bevor das Haus sprichwörtlich in Flammen steht: Bereits in der Berichterstattung wird über Probleme gesprochen und die Schuld vor allem beim Täter gesucht. So wird medial etwa davon gesprochen, dass ein Mann eine Frau ermordet hat und nicht eine Frau ermordet wurde.
Allein kleine Änderungen im Sprachgebrauch – nämlich Sätze in der aktiven statt passiven Form zu formulieren – kann zu einer Sensibilisierung beitragen. Seit 2003 konnten in Spanien die Frauenmorde von 71 pro Jahr auf 48 im Jahr 2018 zurückgedrängt werden.
Hinweis: Aktualisierte Fassung des im Mai 2021 erstveröffentlichten Artikels
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