Zug statt Flug: Der niederösterreichische EU-Abgeordnete Günther Sidl (SPÖ) verzichtet bei seinen Fahrten nach Brüssel und Straßburg konsequent auf´s Fliegen. Seit 2019 arbeitet Sidl als Abgeordneter im EU-Parlament und hat auf der Bahn eine Strecke zurückgelegt, die für vier Erdumrundungen reichen würde. “Schade” findet er, dass er im Zug nur selten auf andere Abgeordnete trifft, die im EU-Parlament gerne vom Klimaschutz sprechen. Nach der Europawahl am 9. Juni will er sich weiter für die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und für echte Hochgeschwindigkeitszüge in ganz Europa einsetzen.
„Ich habe immer gesagt, dass es nicht reicht, nur vom Klimaschutz zu reden. Deshalb setze ich da ein persönliches Zeichen und habe seit Juli 2019 zwischen Österreich, Brüssel und Straßburg noch nie das Flugzeug genutzt. Inzwischen sind mehr als 165.000 Bahnkilometer zusammengekommen,“ erzählt Günther Sidl (SPÖ).
In den letzten fünf Jahren als EU-Abgeordneter hat er 165.000 Kilometer mit dem Zug zwischen seiner Heimatgemeinde Petzenkirchen (Bezirk Melk) und Brüssel beziehungsweise Straßburg zurückgelegt. Sein Fazit: Die ÖBB mache ihre Sache „hervorragend“ – insbesondere bei den europäischen Nachtzugverbindungen – von einem gemeinsamen europäischen Bahndenken sind wir aber noch weit entfernt.
Verpasste Anschlusszüge, verwirrende Fahrpläne – Sidl fordert mehr europäisches Bahndenken
Denn der Abgeordnete des Europaparlaments hat auf den „vier Erdumrundungen“ vieles erlebt: von angenehmen Zugfahrten mit spannenden Gesprächen mit Mitreisenden bis hin zu Horrortrips mit verspäteten Ankünften, verpassten Anschlusszügen oder ausgefallenen Verbindungen. Österreich sei laut Sidl nicht ohne Grund das Bahnland Nummer 1 in der EU. Beim Überfahren der Landesgrenzen merke man aber wo es noch hakt. Laut ihm braucht es deshalb vor allem endlich ein europäisches Denken im Eisenbahnwesen und echte Hochgeschwindigkeitszüge in ganz Europa.
Ob Dienst- oder Privatreisen: Zug oder Busfahrten müssen endlich leistbare und attraktive Alternativen zum Fliegen sein
101 Millionen Dienstreisen gab es 2022 innerhalb der EU. Bei den Geschäftsreisen, die von Österreich aus angetreten wurden, nahmen bei mindestens einer Übernachtung fast 40 Prozent das Flugzeug und nur etwa halb so viele den Zug. Das müsse sich ändern, meint Sidl und pocht auf technische Harmonisierungen, um den grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu vereinfachen. Außerdem brauche es vereinfachte Online-Buchungsmöglichkeiten für Reisetickets.
Aber auch im privaten: Oft ist eine Reise mit dem Flugzeug günstiger, als dieselbe Strecke mit dem Zug zu bereisen. Das liegt daran, dass Kerosin immer noch von der Steuer befreit ist. 2022 hat man in Österreich den Flugverkehr mit rund 360 Millionen Euro durch die fehlende Kerosinsteuer begünstigt. Man spart quasi beim Bahnnetz und fördert künstlich das Fliegen. Ein Fiasko für die Umwelt.
Außerdem kommt hinzu, dass Zugfahrten ganz einfach länger dauern. Wer also nur eine oder vielleicht zwei Wochen Urlaub mit der Familie hat, möchte lieber schnell an der Urlaubsdestination ankommen, statt zwei oder drei Tage mit dem Zug durch die Gegend zu tuckern.
Klimafreundliches Reisen – ob privat oder beruflich – muss Ziel der EU sein
Dabei gibt es aber schon erste Ideen, nach denen Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen „klimafreundlichen“ Urlaub anbieten sollen – wer mit dem Zug, statt dem Flugzeug in den Urlaub reist, bekommt mehr Urlaubstage, um die klimafreundliche Reise auch in Anspruch zu nehmen. Ein interessantes Konzept, wie der EU-Mandatar findet.
Doch zuerst müsse man sich dem Ausbau des Schienennetzes und des öffentlichen Verkehrs in ganz Europa widmen. Denn das Schienennetz ist seit den 90er-Jahren um 15.000 Kilometern geschrumpft. Flüge werden hingegen nach wie vor durch die fehlende Kersoin-Steuern gefördert. Und auch das Straßennetz ist um 30.000 Kilometer ausgebaut worden. Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte zurück. Damit sich das ändert, will Sidl auch nach der EU-Wahl am 9. Juni im EU-Parlament Druck für klimafreundliches und unkompliziertes Reisen machen.