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Holzleitner: „In Norwegen gehen – abgesehen von den Frauen – 9 von 10 Männer in Karenz. Da wollen wir hin!“

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva Maria Holzleitner fordert eine Pension für Frauen, von der sie wirklich leben können. // Bildcredits: Astrid Knie

Ab der Geburt des ersten Kindes müssen Frauen mit einem Einkommensverlust von durchschnittlich 51 Prozent rechnen. SPÖ-Frauenvorsitzende Eva Maria Holzleitner fordert im Gespräch mit der NeuenZeit mehr kostenlose und ganztägige Kinderbetreuungsplätze, Lohntransparenz zwischen Frauen und Männern und eine Pension, von der auch wirklich jede und jeder leben kann.

Eva Maria Holzleitner - zur Person
Eva Maria Holzleitner ist Vorsitzende der SPÖ-Frauen. Sie ist Abgeordnete zum Nationalrat, stellvertretende Klubvorsitzende und mit ihren 30 Jahren auch die jüngste Frauenvorsitzende in der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei.

NeueZeit: Frau Holzleitner, ab 4. August bekommen Frauen in Österreich statistisch gesehen keine Pension mehr. Wie kann es sein, dass im Jahr 2023 die Frauen knapp um die Hälfte weniger Pension bekommen als Männer?

Eva Maria Holzleitner: Frauen verdienen mehr als ein Drittel weniger als Männer, wenn man auch Teilzeitarbeit mit einrechnet. Jede zweite Frau arbeitet in Österreich Teilzeit, nicht immer freiwillig. Noch immer fehlen in ganz Österreich Kinderbetreuungsplätze, vor allem für die Unter-Dreijährigen. Frauen sind für einen Großteil der unbezahlten Arbeit zuständig. Nur jede zweite Frau tritt aus der Erwerbstätigkeit in die Pension über! Höchste Zeit für Halbe Halbe. Die dramatischen Pensionsunterschiede sind Ergebnis patriarchaler Rollenmuster, die wir endlich überwinden wollen.

NeueZeit: Die Pensionsunterschiede in den einzelnen Bundesländern sind groß. In Kärnten zum Beispiel liegt der „Equal Pension Gap“ – also der finanzielle Unterschied zwischen den Pensionen von Frauen und Männern – bei 39,7 Prozent, in Vorarlberg hingegen bei 47,3 Prozent. Woran liegt das? Was macht Kärnten anders als Vorarlberg?

Konsequente Frauenpolitik der Landesregierung macht einen großen Unterschied. Wichtig sind regionale Arbeitsmarktinitiativen für Frauen und auf lange Sicht gesehen ein Ausbau der Kinderbetreuung. Kärnten zum Beispiel hat ganz bewusst das Ziel gesetzt die kinderfreundlichste Region zu werden. Qualitative, kostenlose und ganztägige sowie ganzjährige Bildung kann den Unterschied machen.

NeueZeit: Wer und vor allem was, können wir für gleiche Pensionen für alle Geschlechter tun? Was ist jetzt Ihrer Meinung nach notwendig?

Frauen müssen endlich mehr verdienen. Es gibt in Österreich ein Gesetz, das gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit vorsieht. Da in Österreich über’s Gehalt immer noch nicht geredet wird, ist es schwer zu überprüfen, ob das Gesetz eingehalten wird. Daher ist es höchste Zeit für Lohntransparenz. Wichtig sind auch Arbeitsmarktinitiativen für Frauen über 50. Frauen sollen aus der Erwerbsarbeit in die Pension gehen können.

Wo bleibt das Konzept der Bundesregierung um höhere Gehälter und Pensionen für Frauen zu garantieren?

NeueZeit: Inwiefern spielt auch die Karenzzeit der Frauen im Pensionsgehalt eine Rolle?

Ab der Geburt des ersten Kindes müssen Frauen derzeit mit einem Einkommensverlust von durchschnittlich 51 Prozent rechnen. Das wirkt sich in Folge auf die Pension aus. Die Tatsache, dass in Österreich nur einer von hundert Männern länger als sechs Monate in Karenz geht, benachteiligt Frauen. Wir setzen uns daher für eine verpflichtende Teilung der Karenz für beide Elternteile ein. In Norwegen gehen 9 von 10 Männer in Karenz. Da wollen wir hin.

NeueZeit: Tut die Bundesregierung genug für die Frauen – vor allem in Zeiten der Teuerung?

Frauen verdienen weniger und sind in der Pension massiv benachteiligt. Die Teuerung trifft sie daher doppelt.

Die Bundesregierung lässt Frauen im Stich. In hohem Maße sind Alleinerzieherinnen von der Teuerung betroffen. Wo bleibt die längst versprochene Unterhaltsgarantie?

Wir sagen seit Monaten: Her mit der Mietpreisbremse und einem Teuerungsstopp! Es ist höchste Zeit zu handeln

NeueZeit: Im Jahr 2021 hat sich der Nationalrat für frauenspezifische Maßnahmen in der Corona-Krise ausgesprochen. Was ist bis dato passiert? Es gibt Forderungen, dass Frauen und Männer im Arbeits- und Berufsleben gleich gut abgesichert sein sollen – ein sogenanntes „Gleichbehandlungspaket“ wurde versprochen. Was genau beinhaltet dieses und ist das die Lösung?

2021 hat sich der Nationalrat einstimmig für mehr Förderung von Frauen in der Coronakrise ausgesprochen. Dennoch lehnen die Regierungsparteien alle unsere Anträge für gesetzliche Verbesserungen ab. Lohntransparenz, geteilte Karenz, Rechtsanspruch auf gratis ganztägige Kinderbildung ab dem 1. Lebensjahr – Worauf wartet die Bundesregierung? Wir müssen in der Gleichstellung endlich vorankommen. Wir wollen endlich wieder zu den fortschrittlichen Ländern in Europa zählen.

NeueZeit: Haben es Frauen am Arbeitsmarkt denn schwerer als Männer? Warum ist es vor allem für Frauen über 50 so schwer, einen Job zu finden?

Frauen sind strukturell in unserer Gesellschaft benachteiligt. Unsere Arbeitsteilung basiert noch immer auf der unbezahlten Care-Arbeit, die Frauen tagtäglich leisten. Das muss sich endlich ändern. Wir fordern ein umfassendes Arbeitsmarktpaket für Frauen. Wichtig wären regionale Ausbildungsinitiativen, die auf die Erfordernisse der Region zugeschnitten sind. Vorbilder gibt’s dazu in einigen Regionen bereits.

NeueZeit: Sie als Vorsitzende der SPÖ Frauen: Was erwarten Sie sich von der schwarz-grünen Bundesregierung? Kann die Bundesregierung denn überhaupt etwas gegen diese Ungleichheit zwischen Frauen und Männern tun?

Im Vergleich zum Vorjahr ist Österreich in der Gleichstellung um 26 Plätze zurückzufallen. Die Bundesregierung hat eine Verantwortung, die sie endlich wahrnehmen muss. Für die Gleichstellung braucht es gute Gesetze. Halbe Halbe, geteilte Karenz, Lohntransparenz, Arbeitsmarktschwerpunkt für Frauen, Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Kinderbildungsplatz – Es gibt so viel zu tun. Es wäre gut, die Bundesregierung würde endlich damit beginnen.

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