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Kroatien in Erklärungsnot: Polizeiinterne Whatsapp-Gruppe belegt illegale Rückführungen

Seit Jahren dementiert Kroatien illegale Rückführungen. Nun zeigen polizeiintere Chats das brutale Verhalten gegenüber Schutzsuchenden.

Seit Jahren dementiert das jüngste Schengenmitglied Kroatien Pushbacks – also illegale Rückführungen von schutzsuchenden Menschen  – durchzuführen. Nun legen an die Öffentlichkeit geratene Chats nahe, dass die illegalen Rückführungen von Flüchtlingen aus Kroatien nach Bosnien-Herzegowina „von oben“ abgenickt sein könnten. Der Innenminister Davor Božinović steht im Zusammenhang mit der sogenannten Operation „Korridor“ in Kritik.

Zu sehen sind Gruppen junger Männer, die mit dem Gesicht nach unten, dichtgedrängt nebeneinander am Bauch auf dem Waldboden liegen. Ohne Schuhe, manche von ihnen barfuß. Bewacht werden sie von uniformierten Männern mit Waffen. Unter dem Foto ist zu lesen, dass es 85 Menschen seien, wo sie aufgegriffen wurden und woher sie kommen. Es handelt sich dabei um Bilder aus den Jahren 2019 und 2020. Die Bilder wurden in die Whatsapp-Gruppe „OA Koridor II- West“ geschickt. Unter den Mitgliedern sind hochranginge Polizist:innen und Beamte des kroatischen Innenministeriums.

Operation Korridor – Illegale Rückführungen bringen kroatische Polizei in Erklärungsnot

Die Operation Korrdior, ein Polizeieinsatz, der illegale Migration aufhalten soll, hat laut internationaler Recherche von Lighthouse Report, dem Spiegel, kroatischen Medien und dem ORF Pushbacks abgewickelt. Dem Recherchenetzwerk wurden 60 Screenshots im Zusammenhang mit der illegalen Abschiebepraxis aus der Whatsapp-Gruppe „OA Koridor II – Zapft“ zugespielt. Diese dokumentieren die Rechtsbrüche der kroatischen Polizei.

Auf den Fotos zu sehen sind systematische Aufzeichnungen von schutzsuchenden Menschen, die zwischen Kroatien und Bosnien sowie im Landesinneren aufgriffen und von Polizeikräften nach Bosnien Herzegowina zurückgetrieben wurden. In der Chatgruppe sind auch Warnungen aus dem Innenministerium zu lesen. So heißt es von einer Beamt:in, dass die Polizeikräfte aufgrund von Jouranlist:innen entlang der Grenze vorsichtig sein sollten.

Wer Asylverfahren nicht sachgemäß durchführt, bricht gemeinsames Unionsrecht

Sogenannte Pushbacks sind innerhalb der Europäischen Union illegal. Wenn eine Person an der EU-Außengrenze, um Schutz ansucht und Asyl beantragt, dann muss der betreffende Staat ein Verfahren durchführen. Dieses Verfahren prüft ob die Person für eine Asylberechtigung in Frage kommt. Wenn Behörden dieses Recht verwehren und das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchführen, widersetzen sie sich dem gemeinsamen Unionsrecht. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention kommen ins Spiel, wenn ein Land oder eine Behörde eines Landes eine Person ungeprüft in einen Drittstaat zurückschiebt.

Kroatien dürfte illegales Vorgehen abgenickt haben – Innenminister dementiert

In den internen Whatsapp-Gruppen mit etwa 30 Mitgliedern haben der Grenzpolizeichef sowie Pressesprecher:innen des Innenministeriums kommuniziert. Illegale Zurückschiebungen aus dem Landesinneren nach Bosnien seien staatlich – vom kroatischen Innenministerium unter Davor Božinović – abgenickt worden. Die Chats aus den Jahren 2019 und 2020 zeigen, wie die kroatische Polizeiführung und Mitarbeiterinnen des kroatischen Innenministeriums über die illegale Rückführungspraxis informiert werden.

Davor Božinović, stellt die Echtheit der Chats in Frage und dementiert die Vorwürfe. Er wiederholt, dass es in Kroatien keine rechtswidrigen Zurückschiebungen gäbe und alle Migranten registriert worden seien. Auch deshalb sei Kroatien Anfang des Jahres in den Schengenraum aufgenommen geworden.

Belege von Pushbacks reichen zurück – Vertragsverletzungsverfahren ausstehend

Die Spezialoperation Korridor machte bereits im Oktober 2021 Schlagzeilen, als der Spiegel die Misshandlung von Migrant:innen und Flüchtlingen durch die kroatische Polizei mit einem Video belegte. Auf dem Video zu sehen, ist ein maskierter Mann in Uniform, der Migrant:innen und Flüchtlinge mit einem Schlagstock schlägt. Sie sollen den Grenzfluss von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina, die sogenannte grüne Grenze, überqueren. „Go to Bosnia!“ sagt der uniformierte Maskierte zu Menschen, die gekommen sind, um in Europa auf rechtmäßigem Weg Asyl zu beantragen.

Nach Anfrage der EU-Kommission, ordnet der damalige Innenminister Davor Bozinovic den Vorfall als „Einzelfall“ ein. Zum selben Zeitpunkt noch liefen die Verhandlungen über Kroatiens Schengenbeitritt. Trotz der indirekten Mitfinanzierung der Polizeioperation Korridor durch europäisches Steuergeld, bleibt Brüssel gegenüber Zagreb verhalten. Im Jänner 2023 wird Kroatien schließlich Schengenmitglied. Bis dato hat die EU-Kommission kein Vertragsverletzungsverfahren wegen der illegalen Rückführungen eingeleitet.

„Schau ned weg“ – Geregelte Migration, menschenwürdige Unterbringung

Eine österreichische Organisation, die seit Jahren auf die illegalen Pushbacks und die brutale Umgangsweise der kroatischen Polizei an der EU-Außengrenze zwischen Kroatien und Bosnien aufmerksam macht, ist SOS Balkanroute. Entlang der sogenannten Balkanroute stellt der Obmann und Vereinsgründer Petar Rosandić gemeinsam mit freiwilligen Helfer:innen vor Ort, die notwendigste Versorgung für Flüchtlinge bereit.

Was sich täglich in den Wäldern Kroatiens und Bosniens, sowie an der gesamten EU-Außengrenze abspielt, dürfe man nicht in Kauf nehmen. Europa sei keine eine Festung, heißt es von der Organisation. Geregelte Migration und menschenwürdige Unterbringen sei eine gemeinsame Aufgabe aller EU-Mitgliedsstaaten.

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