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„Leben retten darf kein Verbrechen sein!“ – Kommentar zur Seenotrettung von Schutzsuchenden

„Die Pflicht zur Seenotrettung ist im internationalen Seerecht verankert. Leben retten darf nicht als Verbrechen behandelt werden. Die wahren Verbrechen begehen jene, die wissentlich und willentlich tausende Tote in Kauf nehmen.“


Gastkommentar von Theresa Muigg
Abgeordnete zum EU-Parlament

Wenn man an den EU-Außengrenzen einem schutzsuchenden Menschen hilft und zuerst dessen Puls und danach seinen Reisepass kontrolliert, so hat man ein Verbrechen begangen. Das ist Sean Binder und Sara Mardini passiert. Weil staatliche Hilfe für schutzsuchende Menschen durch rechts-konservative Kräfte in der EU immer weiter abgebaut wurden, haben sich Menschen wie Sean oder Sara zivilen Rettungsorganisationen angeschlossen. Für ihr humanitäres Engagement werden sie angefeindet und von den Regierungen an den Seegrenzen kriminalisiert.

In Italien gibt es ein laufendes Verfahren gegen mehrere Crewmitglieder der „Iuventa“, in Griechenland wurden 24 Mitglieder der Organisation „freehumanitarians“ unter anderem wegen Spionageverdacht angeklagt. Gegen 22 Personen wurden mittlerweile alle Anklagen fallengelassen. Über die vergangenen Jahre haben Küstenstaaten nicht nur ihre Pflicht zur Rettung von Menschen nicht wahrgenommen, sondern auch Seenotrettung immer weiter kriminalisiert.

Wenn Menschen zu helfen, strafbar ist, dann läuft etwas falsch

Gegen zwei Personen, den irischen Rettungsschwimmer Sean Binder und Sara Mardini, syrische Profischwimmerin, Aktivistin und Seenotretterin, läuft immer noch ein Verfahren in mehreren Anklagepunkten. Schiffe werden in Häfen festgehalten, für Aufklärungsflugzeuge von Seenotrettungsorganisationen werden Flugverbotszonen verhängt.

Die rechtskonservative Regierung unter Georgia Meloni in Italien hat erst Anfang Jänner 2023 ein neues Dekret auf den Weg gebracht, unter dem zivile Rettungsschiffe nach jeder Rettung sofort den zugewiesenen Hafen anlaufen müssen. Gibt es bis zum Erreichen des Hafens weitere Seenotfälle, müssen diese, auch wenn es Kapazitäten gäbe, ignoriert werden.

Laut NGOs widerspricht das der Pflicht zur Rettung auf hoher See. Bei Verstößen können Strafen bis zu 50.000 Euro verhängt werden. Kapitän:innen werden außerdem dazu aufgefordert, schon an Bord Asylverfahren anlaufen zu lassen.

Menschen haben Rechte – unabhängig vom Reisepass, ihrem Aussehen oder ihrer Vergangenheit

Die Seenotrettung zu kriminalisieren, ist im Kern aber auch eine Kriminalisierung von Menschen selbst. Von den Helfenden ebenso wie von den Schutzsuchenden. Oft werden Menschen auf der Flucht dazu gezwungen, Boote zu steuern. Wenn sie europäisches Land ansteuern, kann man sie dann Schlepperei bezichtigen, anklagen und verurteilen.

Die Pflicht zur Seenotrettung ist aber im internationalen Seerecht verankert. Leben retten darf nicht als Verbrechen behandelt werden. Die wahren Verbrechen begehen jene, die wissentlich und willentlich tausende Tote in Kauf nehmen.

Laut offizieller Zahlen sind seit 2014 bereits über 25.000 Menschen bei dem Versuch einer See-Überfahrt ertrunken. Darunter auch unzählige Kinder.

Deshalb braucht es nicht nur einen Freispruch aller Seenotrettungsaktivist:innen und unrechtmäßig angeklagten und verurteilten Geflüchteten, sondern auch ein Bekenntnis der Europäischen Union zu ihrer Aufgabe: Menschen zu retten, die in ihren Herkunftsländern ALLES und außer ihrem Leben NICHTS mehr zu verlieren haben.

Zur Person:

Theresa Muigg ist seit wenigen Wochen als EU-Abgeordnete der österreichischen Delegation der Sozialdemokraten tätig. Im EU-Parlament setzt sie sich vor allem für das Themenfeld Menschenrechte ein.

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