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Mjam & Co: Arbeitgeber überwachen Angestellte und setzen sie unter Druck

Lieferanten von Mjam und anderen Zustelldiensten arbeiten unter ständigem Zeitdruck //Bild: unsplash/Brett Jordan

Essenslieferantinnen und -lieferanten von Mjam & Co arbeiten unter Zeitdruck, gefährlichen Bedingungen, werden überwacht, haben kaum Rechte und verdienen wenig. Das zeigt eine neue Studie der Arbeiterkammer und des österreichischen Gewerkschaftsbundes. Dazu kommen Beleidigungen, Drohungen und gefährliche Situationen im Straßenverkehr.

Fast jeder kennt sie: Die radelnden Botinnen und Boten von Mjam, Lieferando und Co. Spätestens seit den Lockdowns während der Coronakrise sind sie nicht mehr wegzudenken. Sie sind mittlerweile systemrelevant, also unentbehrlich für das Funktionieren der Gesellschaft. Und trotzdem sind sie – wie die meisten systemrelevanten Berufe – meist schlecht bezahlt und prekär beschäftigt.

Das bedeutet wenig bis gar keine soziale Absicherung, Unsicherheit und keine Aussicht auf beruflichen Aufstieg. Eine Studie der Arbeiterkammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes zeigt nun: Gefährliche und unwürdige Arbeitsbedingungen stehen für die Rider, wie die Fahrradbotinnen und Fahrradboten genannt werden, auf der Tagesordnung. 

Lieferanten und Lieferantinnen bei Mjam & Co: Stress wegen Zeitdruck & Überwachung 

Viele Lieferanten und Lieferantinnen stehen bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck. Denn die Zeit, die sie für eine Zustellung brauchen, wird in der Regel gemessen. Die Leistung und Produktivität der Rider haben Auswirkungen auf die Vergabe von Schichten und Aufträgen. Mehr als die Hälfte der Zusteller und Zustellerinnen fühlt sich vom Unternehmen, für das sie arbeiten, überwacht. Hinzu kommen Bewertungsmechanismen, mit denen die Rider von den Kunden bewertet werden. All das sorgt für Stress und kann im schlimmsten Fall gefährliche Situationen im Straßenverkehr begünstigen. 

Alarmierend hohe Zahl an gefährlichen Situationen im Straßenverkehr 

Ganze 84,2 Prozent der Rider haben bereits gefährliche Situationen im Straßenverkehr erlebt. Zusätzlich wurde fast die Hälfte während der Arbeit mit erniedrigendem Verhalten und Beleidigungen konfrontiert. Ein Viertel war bereits Drohungen ausgesetzt. Mehr als ein Drittel (35%) der weiblichen Rider berichten von unerwünschten sexuellen Annäherungsversuchen. 

Das Fortbewegungsmittel, mit dem die Lieferanten und Lieferantinnen arbeiten, wird in den meisten Fällen nicht vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. 64 Prozent der Befragten gab an, selbst für ein Fortbewegungsmittel, meist das Fahrrad, aufkommen zu müssen. Einige Lieferdienste stellen zwar ein Fortbewegungsmittel zur Verfügung, verlangen dafür aber eine Nutzungsgebühr vom Arbeitnehmer. Nur 21,1 Prozent der Rider können das Fortbewegungsmittel kostenlos nutzen. 

Positive Einstellung zu Gewerkschaften bei Mjam-Lieferanten und Lieferantinnen

Die Einstellung von Lieferanten und Lieferantinnen zu Gewerkschaften ist überwiegend positiv. In der Studie gaben 51,2 Prozent der Befragten an, eine eher positive oder sehr positive Einstellung zu Gewerkschaften zu haben. Rider treten Gewerkschaften bei, weil sie deren Arbeit wichtig finden oder um Unterstützung bei Problemen zu erhalten. Sie treten auch bei, um sich mit anderen Ridern zu solidarisieren.  

Seit 2020 gibt es einen Kollektivvertrag für FahrradbotInnen und EssenszustellerInnen. Geregelt wird darin ein Mindestgehalt von 1.506 Euro brutto (40-Stunden-Woche), Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Option auf eine 4-Tage-Woche sowie Kostenersatz, wenn das eigene Fahrrad verwendet wird. Laut der Umfrage wissen aber viele Rider nicht über ihre Arbeitsrechte Bescheid. Nur die Hälfte hat schon vom Kollektivvertrag für Rider gehört. Dementsprechend ist fehlendes Wissen der Hauptgrund gegen einen Beitritt in eine Gewerkschaft. 

Viele Lieferanten und Lieferantinnen immer noch prekär beschäftigt

Dass Arbeitnehmer in der Lieferbranche prekär beschäftigt werden, kommt allerdings trotz Kollektivvertrag immer noch vor. Beim Lieferdienst Lieferando werden zwar alle Rider regulär angestellt und nach Kollektivvertrag bezahlt. Bei anderen Lieferdiensten, wie zum Beispiel Mjam, sind aber nur ungefähr zehn Prozent der Rider fix angestellt. Der Rest sind freie Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen, die pro Bestellung bezahlt werden. Laut Unternehmen könne jeder Dienstnehmer und jede Dienstnehmerin frei entscheiden welches Modell (freier Dienstnehmer oder echter Dienstnehmer) für ihn oder sie am besten passt. Zusätzlich biete Mjam ihren DienstnehmerInnen regelmäßig einen Wechsel zum echten Dienstnehmer an.

Weil die freien Dienstnehmer pro Bestellung bezahlt werden, bleiben unverschuldete Wartezeiten und krankheitsbedingte Ausfälle meist unbezahlt. Der ÖGB errechnete im Jahr 2020, dass das Monatseinkommen auch mit 50 bis 60 Wochenstunden meist unter dem kollektivvertraglich geregelten Mindestlohn von 1.500 Euro bleibt. Mjam selbst erklärt in einer Stellungnahme, dass freie Dienstnehmer aktuell durchschnittlich 12 Euro pro Stunde verdienen, und damit über dem Kollektivvertrag. Weiters garantiere Mjam zwei Bestellungen pro Stunde. Das Trinkgeld komme on top dazu.

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