Unter Lobbying verstehen die meisten von uns klassische Freunderlwirtschaft und Korruption. Dabei macht das nur einen kleinen – illegalen – Teil des Lobbyismus aus. In Wirklichkeit ist Lobbying meist unspektakulär und legal. Aber umso gefährlicher für die Demokratie.
Wenn wir „Lobbying“, oder seltener „Public Affairs“, hören, denken wir an teuer gekleidete Männer. Bei zwielichtigen Treffen übergeben sie Kuverts an Politiker und kaufen so Gesetze. Das kommt durchaus vor und nennt sich Korruption. Natürlich passiert Bestechung im Rahmen von Lobbying – oder stattdessen. Sie ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Ein Großteil der Einflussnahme auf österreichische und europäische Politik ist ein legal, aber nicht minder gefährlich.
Lobbying tarnt sich als Service
Lobbyisten treten meist nicht als „Beeinflusser“ auf. Sie bieten europäischen oder nationalen Abgeordneten, Ministerinnen und Ministern, Kommissarinnen und Kommissaren Unterstützung an. Beispielsweise gut aufbereitete Informationen zu Themen, die ihren Auftraggebern wichtig sind – natürlich aus deren Sicht. Diese stellen sie dann den verantwortlichen (und gewinnbaren) Politikerinnen und Politikern, ihrem Team oder Beamtinnen und Beamten zur Verfügung. Die und ihre Büros greifen gern darauf zurück, denn dadurch sparen sie wertvolle Zeit. Häufig bieten Lobbyistinnen und Lobbyisten auch Hintergrundgespräche oder sonstige Unterstützung durch Expertinnen und Experten an. Vordergründig natürlich absolut sachlich. Bei genauerer Betrachtung allerdings … .
So gelingt es ihnen, dass Politik und Verwaltung Themen aus ihrer Perspektive, bzw. der ihrer AuftraggeberInnen sehen. Von da weg ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis auch entsprechende Gesetze und Verordnungen entstehen.
Wer Gesetze schreibt, ist besonders gefragt
PolitikerInnen – vor allem Parlamentarierinnen und Parlamentarier – haben aus der Sicht des Lobbyismus allerdings einen Haken: Sie wollen gewählt werden. Das macht sie für allerlei andere Einflüsse empfänglich. Beispielsweise die öffentliche Meinung, die ihrer Wählerinnen und Wähler oder Parteien. Aus Sicht der Lobbyistinnen und Lobbyisten macht sie das unberechenbar. Deshalb setzen sie gern anderswo an: bei der Verwaltung. Die Beamtinnen und Beamten dort müssen nicht gewählt werden. Sie unterliegen auch sonst weniger Einflüssen, die das Lobbying erschweren. Vor allem bereiten sie Gesetzesvorhaben vor und schreiben die Gesetze tatsächlich. Dabei sind sie auch für die Details zuständig, während es in der politischen Debatte eher um Überschriften geht. Und oft kann das richtige Detail ein Gesetz unter der falschen Überschrift drehen. Auf jeden Fall aber hat die Person, die ein Gesetz oder eine Regulierung schreibt auch viel Einfluss darauf.
Thinktanks: Trojanische Pferde des Lobbyings
Um ihre Sichtweise – oder die ihrer Auftraggeberinnen und Auftraggeber – als „die Wahrheit“ darzustellen, nutzen Lobbyistinnen und Lobbyisten gern einen Trick: sie gründen vermeintlich unabhängige „Thinktanks“. Die schauen nach außen hin wie saubere Forschungseinrichtungen aus. Bei genauer Betrachtung sind sie aber trojanische Pferde: Sie sollen dem Standpunkt ihrer AuftraggeberInnen einen „wissenschaftlichen“, „objektiven“ Anstrich geben. Das Interesse der Wirtschaft wird da plötzlich zur vermeintlich objektiven Tatsache.
Drehtüreffekt: Politiker als Lobbyisten und umgekehrt
Lobbyistinnen und Lobbyisten können entweder direkt für Unternehmen und Interessensvertretungen arbeiten, oder für eigene Lobbying-Agenturen. Häufig sind sie Ex-PolitikerInnen und Politiker, oder Menschen, die zuvor für Politik und in Behörden gearbeitet haben. Sie haben einen entscheidenden Vorteil: Sie kennen viele der Leute, die sie beeinflussen wollen, persönlich. Häufig sind sie sogar befreundet, oder schulden sich gegenseitig Gefallen.
Das Spiel funktioniert natürlich auch in die andere Richtung: Ehemalige hochrangige Manager landen nicht selten als „Quereinsteiger“ in der Politik. Das Ganze nennt man dann „Drehtürprinzip“ oder „Revolving-doors“. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn Leute direkt zwischen Politik, Verwaltung und Lobbying wechseln.
Schlanker Staat hilft Lobbyisten
Dabei haben Lobbyistinnen und Lobbyisten vor allem in der EU einen Trumpf auf ihrer Seite: Die Verwaltung der EU hat zu wenig Geld und Personal. Auch wenn wir immer hören, wie teuer die EU sei, sprechen die Zahlen eine andere Sprache. Der gesamte Verwaltungsapparat der EU ist kleiner, als der vieler Mitgliedstaaten.
Die Folge ist Zeitmangel und da „helfen“ Lobbyistinnen und Lobbyisten mit entsprechenden Unterlagen und Informationen. Natürlich solche, die die Sichtweise ihrer Unternehmen oder AuftraggeberInnen untermauern. Für die EU-Kommission arbeiten insgesamt knapp 34.000 Menschen. Ihnen stehen schätzungsweise 25.000 Lobbyistinnen und Lobbyisten mit einem Budget von 1,5 Milliarden gegenüber.
Lobbyismus untergräbt Demokratie
Dabei kommen in Brüssel laut EU-Transparenzregister auf zwei Interessensvertretungen für Arbeitnehmerinnen 100 der Wirtschaft. Anders formuliert: Wenige Menschen mit viel Geld haben eine 50 Mal stärkere Stimme, als viele Menschen mit wenig Geld.
So untergräbt Lobbying das demokratische System, in dem gilt: Jede Stimme ist gleich viel wert. Der Wechsel vom Zensuswahlrecht – also Stimmrecht nur für Wohlhabende – zum modernen allgemeinen Wahlrecht ist eine historische Errungenschaft. Lobbying rüttelt daran. Es ist wie ein Verstärker der Reichen, der dafür sorgt, dass ihre Stimme wieder mehr wert ist.