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MAN-Steyr: Konzern will Werk trotz 500 Mio. Dividenden zusperren – Mitarbeiter: “Wir geben nicht auf!”

Im Oktober 2020 protestierten 4.000 Menschen in Steyr gegen die MAN-Schließung. // Bild: SPÖ/Prinz

Gewinne für die Aktionäre, Kündigungen für die Mitarbeiter: Der deutsche Mutter-Konzern will das Werk des LKW-Bauers MAN in Steyr zusperren oder zumindest verkleinern, obwohl sich die Aktionäre erst kürzlich eine halbe Milliarde Euro an Dividenden ausgeschüttet haben. 2.300 Beschäftigte wären direkt betroffen, mit allen Zulieferbetrieben stehen 6.000 Jobs in der ganzen Region auf dem Spiel. „Wir geben nicht auf“, sagen Betriebsrat und Gewerkschaft. Seit mehr als 100 Jahren werden in Steyr Fahrzeuge gebaut – das soll auch künftig so bleiben. Die Verhandlungen laufen.

Draußen ist es noch dunkel, als Leon zu arbeiten beginnt. Er hat Frühschicht, in der Produktionshalle ist es hell. Leon (Name der Redaktion bekannt) steht im MAN Werk im oberösterreichischen Steyr am Fließband und montiert Fahrzeugteile. Die LKWs, an denen er schraubt, werden von Steyr in die ganze Welt exportiert. Jetzt steht sein Arbeitsplatz auf dem Spiel – und mit ihm die Jobs von 2.300 MAN-Beschäftigten in Steyr. Der deutsche Mutter-Konzern will das Werk schließen oder zumindest kräftig einsparen.

Mit allen Zulieferbetrieben sind davon rund 6.000 Arbeitsplätze in der Region betroffen. Dabei hat sich der MAN-Konzern vertraglich verpflichtet, den Standort in Steyr bis mindestens 2030 zu erhalten. Und hat im letzten Jahr auch noch ordentlich abgecasht: Die Steuerzahler unterstützten den Konzern mit 11 Millionen Euro an Corona-Hilfen und mit vier Millionen an sonstigen öffentlichen Förderungen in den letzten Jahren. Trotzdem will MAN Jobs abbauen.

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Der MAN-Konzern will das Werk in Steyr zusperren oder zumindest stark verkleinern. Bereits im Oktober 2020 gingen 4.000 Menschen in Steyr für den Erhalt der Jobs auf die Straße. // Bild: SPÖ/Prinz

Schließung des MAN-Werks in Steyr: “Wir geben nicht auf!”

Seit zehn Jahren arbeitet Leon bei MAN. Schon sein Opa hat dort Fahrzeuge zusammengeschraubt – damals hieß das Unternehmen noch „Steyr-Werke“. Seit 1916 werden in der drittgrößten Stadt Oberösterreichs fahrbare Untersätze hergestellt, anfangs Autos, heute LKWs. So turbulent wie in den letzten Monaten war es aber noch nie. „Keiner weiß, wie es weitergeht“, sagt Leon, „die Stimmung ist schlecht“.

Im September 2020 wurde bekannt, dass der Mutter-Konzern das Werk in Steyr schließen will. Die Beschäftigten erfuhren aus der Zeitung davon. Vom Management hören die Arbeiter nichts, die türkis-grüne Bundesregierung schweigt sowieso. Nur Betriebsrat, Gewerkschaft und Teile der Landespolitik stehen an der Seite der Belegschaft. Einer davon ist Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der Produktions-Gewerkschaft und SPÖ-Nationalratsabgeordneter: „Wir werden nicht zuschauen, wir geben nicht auf!“ Gewerkschaft und SPÖ unterstützen den Betriebsrat bei den aktuellen Verhandlungen. Das Verhandlungsteam will zumindest den Großteil der Jobs in Steyr erhalten und die Schließung des Werks abwenden.

11 Mio. Euro Vorstands-Gage und 500 Mio. Euro Aktionärs-Dividenden

Dass die Werksschließung überhaupt zur Diskussion steht, erscheint einigermaßen absurd. Der deutsche Mutter-Konzern Traton, der das Werk 1989 übernahm, erwirtschaftete zuletzt einen jährlichen Umsatz von 11 Milliarden Euro. Nach einem schwierigen Corona-Frühling 2020 schrieb das Unternehmen bereits im Herbst wieder Gewinne. Und das lassen sich die Chefitäten auch ordentlich abgelten: Die Vorstände kassierten 2019 insgesamt 11 Millionen Euro an Bezügen. Am 23. September 2020, nachdem das Management die Kündigungs-Bombe in Steyr platzen ließ, beschlossen die Aktionäre noch, sich eine halbe Milliarde an Dividenden auszuschütten.

Die Investoren und Manager spüren also nichts von der Krise. Für die sollen lieber die 2.300 Steyrer Beschäftigten mit ihren Jobs zahlen. Dabei hat der Konzern eine sogenannte Standortgarantie bis 2030 abgegeben, bis dahin darf das Werk in Steyr nicht angetastet werden – eigentlich. „Wir haben immer Wort gehalten, wenn wir in die Arbeit gekommen sind“, sagt Arbeiter-Betriebsrat Erich Schwarz, „aber sie haben uns angelogen“.

Wort gehalten heißt für die Belegschaft: Die Beschäftigten haben Zugeständnisse an das Management gemacht, um das Werk in Steyr zu erhalten. Für die Standortgarantie verzichten die Angestellten auf die Auszahlung gewisser Überstunden, die Arbeiter hackeln mehr. Statt 43 oder 44 LKWs produzieren Leon und seine Kollegen am Fließband jetzt 44 oder 45 Stück pro Schicht – für den gleichen Lohn. Die Beschäftigten fertigen einen LKW pro Schicht gratis, dafür bleiben die Jobs in Steyr. Das war der Deal.

Das MAN-Werk in Steyr steht vor der Schließung. Der Betriebsrat will es retten.
Steyr ist die drittgrößte Stadt Oberösterreichs. Von der Schließung des MAN-Werks wären insgesamt 6.000 Jobs in der Region betroffen.

MAN-Steyr: Betriebsrat will die Schließung mit Verhandlungen verhindern

Davon will der deutsche Mutter-Konzern jetzt nichts mehr wissen. Ebenso wenig von der vertraglichen Standortgarantie bis 2030. Betriebsrat Erich Schwarz zollt seinen Kollegen Respekt, die Beschäftigten lassen sich nicht drausbringen, obwohl das Management seine Seite des Deals nicht einhält. „Hut ab vor der Mannschaft, die arbeitet gewissenhaft weiter, niemand wirft den Hut“, sagt Schwarz.

Während die Belegschaft arbeitet, versucht der Betriebsrat die Jobs am Verhandlungstisch zu retten. Man will sich mit dem Konzern auf einen teilweisen Stellenabbau einigen, um die vollständige Werksschließung zu verhindern. Das gelang kürzlich auch bei einem Werk in Deutschland: Dort werden statt ursprünglich geplanten 6.500 nur 3.500 Jobs gestrichen. Parallel dazu prüft die staatliche Wirtschaftskommission gerade den Fall. Sie soll klären, ob der Konzern überhaupt aus der Standortgarantie für Steyr aussteigen kann. Das Ergebnis der Kommission ist allerdings rechtlich nicht bindend.

MAN-Steyr Betriebsrat: “Wenn sie uns zusperren wollen, werden wir nicht weiter für sie arbeiten”

Betriebsrat Schwarz rechnet damit, dass die Verhandlungen noch im ersten Quartal 2021 abgeschlossen werden. Die Belegschaft sei jedenfalls bereit, notfalls zu Protestmaßnahmen zu greifen.

„Wenn wir nach unten gehen und sagen, wir legen die Arbeit nieder, dann steht die Mühle innerhalb von fünf Minuten. Wenn sie uns zusperren wollen, dann werden wir nicht weiter für sie arbeiten. Dann gibt´s Protest!“, sagt Schwarz.

Während sich die Bundesregierung zu den drohenden Kündigungen weiter ausschweigt, sichert Oberösterreichs Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) ihre Unterstützung zu: „Firmen nehmen Staatshilfen aus Steuergeldern, zahlen Manager-Boni und Dividenden und bauen dann hunderte Jobs ab. So geht es nicht weiter.“

Solange die Verhandlungen laufen, wird Leon weiter an Fahrzeugteilen schrauben, während es draußen noch dunkel ist. Wie schon sein Opa.

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