Robert Becherstorfer wuchs in einem Linzer „Problemviertel“ bei seinen Großeltern auf. Anfangs bekam er nur eine kleine Nische im Wohnzimmer. Erst nach und nach konnte sein Opa mit kleiner Pension die Wohnung ausbauen. „Ich lasse mich gerne von der abgehobenen Elite der Volkspartei als `Tier´ oder `Pöbel´ beleidigen“, schreibt Becherstorfer über die ÖVP-Chats, „denn meine Großeltern und ich haben oft wie Tiere gearbeitet, um dieses Land am Laufen zu halten“.
Das ist mein Opa, mein Vater und meine Welt.
Ich wuchs nach der Scheidung meiner Eltern und ihrem Unvermögen, mich groß zu ziehen, in ärmlichen Verhältnissen bei meinen Großeltern auf. Beide hatten ihr Arbeitsleben hinter sich gebracht und bekamen eine kleine Pension. Und dennoch nahmen sie mich in ihre kleine 35 Quadratmeter Wohnung im Frankviertel, dem „Problemviertel“ in Linz, auf. Dieses Problemviertel war in den 1980ern berühmt-berüchtigt, selbst über die Landesgrenzen hinweg.
Aber sie konnten sich keine teurere Wohnung leisten.
Ich bekam am Anfang im Wohnzimmer eine kleine Nische, wo mein Spielzeug in einem Holzregal verstaut war und ein Notbett. Die Wohnung hatte ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer und eine Küche, die aus ziemlich durcheinandergewürfelten Möbeln bestand, die mein Opa von der Arbeit mit nach Hause nehmen durfte. Es gab für vier Wohnparteien ein Gemeinschaftsklo und eine Waschmuschel draußen im Stiegenhaus.
Mein Opa arbeitete vor seiner Pensionierung als LKW-Fahrer bei der EBG und kam immer erst spät von der Montage heim. Dennoch renovierte er die Wohnung, legte elektrische Leitungen und konnte, nachdem die angrenzende Wohnung frei wurde, diese mit dazu nehmen und uns ein eigenes Bad, ein eigenes WC und für mich ein Kinderzimmer bauen. Auch einen kleinen Garten vor dem Haus durfte er anlegen, der inmitten der Voest ein kleines Paradies war. Das Foto zeigt meinen Opa in diesem Garten.
Wir waren natürlich sehr eingeschränkt durch die kleine Pension meiner Großeltern. Wir machten nie Urlaub im Ausland, fuhren höchstens mal für zwei Tage in die Wachau oder ins Burgenland. Geschenke waren wertvoll, weil sie von Herzen kamen und die Klamotten waren eher Second Hand als Lifestyle.
Das spürte man dann auch in der Schule, wenn die coolen Jungs mit den Nike- und Adidas-Schuhen antanzten und man selbst mit irgendwelchen „No-Names“ dazwischenfunkte.
Aber ich habe mich daran gewöhnt und es war für mich auch eine wertvolle Lektion, die anderen nie nach ihrer Herkunft oder ihrem Aussehen zu beurteilen.
Waren wir Proleten? Im derben Wortsinn nicht, aber in der ursprünglichen Fassung dieses Wortes ganz sicher. Das spürten wir aber auch immer, wenn wir meine anderen Großeltern mütterlicherseits am Linzer Pöstlingberg besuchten. Diese hatten ein kleines, lokales Kaffeeimperium aufgebaut und lebten in einer Villa mit Blick auf die Landeshauptstadt. Man hörte ihre spitzen Bemerkungen und spürte ein gewisses Unwohlsein und ich fragte mich immer wieder, warum sich Opa und Oma „da oben“ so demütigen lassen. Erst im gereiften Alter erkannte ich den Grund, als ich mich in den Spiegel sah.
Wenn ich mich heute im Spiegel betrachte, bin ich das, was ich bin. Ein Arbeiterkind und verdammt stolz darauf.
Mein Kreuz und das meiner Großeltern haben mehr geschleppt, ertragen und erduldet als so mancher hochgestochene Snob, der sich elitär über der Masse wähnt. Da lasse ich mich auch gerne von der abgehobenen Elite der Volkspartei und seinem autoritärem Geiste Sebastian Kurz als „Tier“ oder „Pöbel“ beleidigen.
Denn ich weiß, dass meine Großeltern und ich oftmals wie Tiere gearbeitet haben, um unseren spärlichen Lohn zu bekommen, davon die höchsten Steuern von allen gezahlt haben und dieses Land Österreich am Laufen gehalten haben!
Je suis #Pöbel.
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