Die Schule beginnt wieder. Man könnte meinen, die Regierung hätte aus den Corona-Fehlern des vergangenen Sommers gelernt. Fehlanzeige. Es herrscht dasselbe Chaos wie beim Schulstart vor einem Jahr. Die Auswirkungen könnten sogar noch fataler werden.
Stichwort
Die Kolumne von Paul Stich,
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich.
Der Schulbeginn steht an. Was normalerweise mit strahlenden Kinderaugen, riesigen Schultüten und zahlreichen Erinnerungsfotos begleitet wird, ist nun bereits zum zweiten Mal in Folge mit einem etwas mulmigen Gefühl verbunden. Wir starten in das 2. Schuljahr seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Ein Jahr, in dem viel Neues, aber auch einiges an Altbekanntem auf uns wartet.
In Anbetracht der neuesten Corona-Zahlen ist klar: Junge Menschen sind in der aktuellen Phase der Pandemie besonders stark betroffen. Die Schule ist ein Raum, in dem sich zwangsläufig dutzende Jugendliche über einen längeren Zeitraum aufhalten und daher ein besonderer Risikofaktor. Dennoch haben es Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) und der Rest der Bundesregierung verabsäumt, hier ein sicheres Umfeld zu schaffen.
Das beginnt bereits mit den Tests. Während selbst Geimpfte gebeten werden, sich 2-3 Mal pro Woche mit einem PCR-Test testen zu lassen, soll bei Schulkindern ein PCR-Test pro Woche reichen. Schnell wird klar: Hier wurde wieder einmal an der falschen Stelle gespart. Gleiches gilt für Luftfiltergeräte in den Klassen. Anfang August – und damit 17 Monate (!) nach dem ersten Lockdown – präsentierte der Bildungsminister seinen Plan, Luftfiltergeräte für maximal 10.000 Klassenzimmer anzuschaffen. Blöd nur, dass es in ganz Österreich rund fünf Mal (!) so viele Klassen gibt.
All das wirft die berechtigte Frage auf, was der Bildungsminister in den letzten 1,5 Jahren eigentlich beruflich gemacht hat.
Durch den Blick auf die Tatsachen wird klar: Wenn es durch hohe Fallzahlen wieder zu Schulschließungen kommt, ist dies alles andere als “gottgegeben”, sondern das Ergebnis eines politischen Versagens der Bundesregierung.
Mit dem Voranschreiten der Pandemie wird nun auch immer öfter gefordert, alle Maßnahmen aufzuheben. Schließlich hätten bereits alle Menschen die theoretische Möglichkeit gehabt, sich impfen zu lassen, weitere Einschränkungen würden vor allem Kindern schaden. Ein berechtigtes Argument.
Was in dieser Debatte oft vergessen wird: Für Kinder unter 12 Jahren gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff. Dazu sind gerade Kinder im jüngeren Alter noch nicht selbst entscheidungsfähig und in diesem Bereich von ihren Eltern abhängig. Sind diese Impfskeptiker, ist die Chance, dass das Kind eine Impfung bekommt, ebenso gering. Das bedeutet jedoch in weiterer Folge, dass es für viele Kinder aktuell noch keine Möglichkeit gibt, sich wirkungsvoll gegen Corona zu schützen.
Wer nun also fordert, man solle alle Maßnahmen aufheben, macht tausende Kinder unter 12 Jahren zu lebenden Long-Covid-Versuchskaninchen. Besonders Schulen und Kindergärten würden dadurch zwangsläufig zu hochansteckenden Corona-Hotspots werden. Das kann nicht das Ziel einer verantwortungsvollen Gesundheitspolitik sein.
Besonders Jugendliche leiden an der psychischen Belastung durch die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen. Ein Drittel aller Schüler*innen leidet unter psychischen Problemen (bei Lehrlingen sieht die Zahl ähnlich aus). Doch wer sich Hilfe holen will, stößt auf hohe Mauern. Monatelange Wartezeiten bei psychosozialen Beratungen und Therapien sind eher die Regel als die Ausnahme.
Würde ich mit einem gebrochenen Fuß ins Krankenhaus kommen und dort erst nach einigen Monaten behandelt werden, wäre das ein Skandal. Bei psychischen Problemen ist das jedoch der breit akzeptierte Alltag. Auch das wirkt sich besonders auf Jugendliche negativ aus, die in der Phase des Heranwachsens (einer ohnehin oft schon schwierigen Zeit) aus ihrem gewohnten Leben gerissen wurden.
Anstatt alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um psychosoziale Dienste entsprechend auszubauen, lässt die Bundesregierung tausende Jugendliche seit Monaten im Regen stehen. Durch die lange Dauer der Pandemie ist die Situation heuer noch wesentlich angespannter als das im letzten Herbst der Fall war.
Klar wird: “Koste es, was es wolle” gilt eben nur für René Benko und sonstige Kurz-Freunde. Wir, die normalen Menschen, bleiben wieder einmal auf der Strecke zurück.
Der Bildungsminister hat den Sommer wieder einmal verschlafen. (Am besten wir denken nicht daran, dass er jedes Monat 18.000€ von unseren Steuergeldern bekommt.) Dennoch gäbe es einige Maßnahmen, die die Situation schlagartig verbessern würden.
Es braucht eine Test-, und Impfgarantie mit flächendeckenden und regelmäßigen PCR-Tests, sowie Impfungen direkt am Schulstandort. Es braucht Laptops für alle Schüler*innen, um Kindern aus einkommensschwachen Familien nicht noch mehr Steine in den Weg zu legen. Es braucht eine Ausfinanzierung der psychosozialen Angebote. Und es braucht ganz dringend eine Debatte darüber, wie die bildungspolitischen Lücken, die in den vergangenen 1,5 Jahren entstanden sind, aufgeholt werden können.
Das einzig Gute daran? All diese Dinge sind nicht unmöglich.
In Zeiten der Pandemie haben wir gesehen, was plötzlich geht, wenn der politische Wille da ist. Es ist daher die Aufgabe von uns allen aufzeigen, was schief läuft. Und zwar so lange, bis nicht nur all jene wichtigen Maßnahmen in den Schulen umgesetzt sind, sondern auch bis die ÖVP und ihre reichen Spender auf die Oppositionsbank geschickt wurden. Denn dort können sie so lange schlafen, wie sie wollen – ohne einen riesigen Schaden an unseren Kindern und unserem Land anzurichten.
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