Steiermark

Kaputter Stadion-Rasen, aber Milliarden für U-Bahn – Grazer Fußballfans fordern: „Bürgermeister Nagl abwählen!“

Der Rasen im Stadion des Grazer Fußballvereins Sturm ist unbespielbar – ausgerechnet im „Sportjahr 2021“. Die Anhänger des Vereins machen dafür die Stadtpolitik verantwortlich. Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) hat kein Geld für ein bisschen Rasen, aber Milliarden für Prestigeprojekte wie U-Bahn, Olympiabewerbung oder Mur-Gondel. Jetzt fordern die Fußballfans mit einer Aktion vor dem Uhrturm: „Nagl abwählen!“

Der Fußballverein Sturm Graz ist der größte Sportverein des Landes

Erst durch die Champions League-Erfolge des „SK Sturm“ Ende des letzten Jahrtausends wurde Graz eine feste Größe auf der europäischen Landkarte für so viele Sportfans. Der 1909 gegründete Fußballklub ist nicht nur der größte Sportverein des Landes, sondern auch der mit Abstand beliebteste.

Trotzdem schenken die Verantwortlichen in der Kommunalpoltik dem Verein kaum Aufmerksamkeit. Seit Jahren dürfen die „Blackys“ bloß als Bittsteller beim Team rund um ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl antanzen, gehen anschließend mit leichten Hoffnungen auf Unterstützung des Weges um am Ende wiederholt feststellen zu müssen, wieder einmal einen Satz mit X eingefahren zu haben.

Egal ob längst fällige Stadionerneuerungen – zur Erinnerung, der SK Sturm ist in seiner Heimstätte Liebenau derzeit nur Mieter – das Tor zur Stadt inklusive Generalsanierung der Spielstätte und der Eishalle und vieles mehr: Unterm Strich blieb von den vollmundigen Ankündigungen des Grazer Bürgermeisters – zumeist vor Gemeinderatswahlen – nicht viel über.

Grazer Schulden summieren sich auf 1,7 Milliarden Euro

Bis vor Kurzem übten sich sowohl Sturm-Verantwortliche als auch Anhänger in relativer Gelassenheit, die Ereignisse der letzten Tagen jedoch brachten das Fass dann doch zum Überlaufen. Denn zeitgleich als der Bürgermeister 2021 zum Sportjahr ausrief, wurde jedem endgültig bewusst, was sich schon seit Jahren rund um das Stadion Liebenau abzeichnete: Der Rasen der größten Grazer Sportstätte wurde von den Verantwortlichen solange zu Tode ignoriert, dass es der Österreichischen Bundesliga zu bunt wurde. Dem Sportklub Sturm ist es bis auf Weiteres nicht mehr gestattete, in Liebenau ein Fußballspiel durchzuführen. Der bekannteste Grazer Sportverein kickt jetzt also woanders und empfängt seine Gegner „zu Hause“ in Klagenfurt.

Mehr Gatschburg denn Fußballplatz: Der Rasen im Grazer Stadion ist hin. // Bild: (c) Martin Hirtenfellner Fotografie

Kein Geld für ein bisschen Grün also. Ausgerechnet wenige Tage nachdem Nagl verkündete, um satte 3,3 Milliarden Euro eine U-Bahn errichten zu wollen. Eher mit Schaudern denkt man in der steirischen Landeshauptstadt an die Ausgaben für Luftschlösser wie Olympische Spiele, Mur- oder Plabutschgondel zurück. Die Präsentation der U-Bahn verschlang bereits 75.000 Euro PR-Kosten. Bei der Olympiabewerbung setzte Nagl 400.000 Euro in den Sand. Die beiden Gondeln sollen ohne auch nur ohne einen Tag Bauzeit 2,7 Millionen Euro Steuergeld gekostet haben. Die Schulden der Stadt summieren sich bis Ende 2021 auf 1,7 Milliarden Euro.

Sturm-Fans fordern: „Bürgermeister Nagl abwählen!“

Die Anhängerklubs des SK Sturm sind vieles: Leidenschaftlich, kreativ und treu. Und beweisen zudem auch immer wieder, wie wichtig es ihnen ist, gesellschaftliche Missstände aufzuzeigen. Man grenzt sich deutlich ab von Rassismus, Sexismus oder Homophobie. Und betätigt sich auch immer wieder karikativ. Die Aktion „Schwoaze Helfen“ beispielsweise unterstützt seit Jahren wohltätige oder gemeinnützige Vereine in der Steiermark. 2021 wurden – trotz Corona-Einschränkungen – bereits 43.000 Euro innerhalb der „Sturm-Familie“ gesammelt. Eines jedoch wollen die Sturm-Fans nie sein: Politisch.

Aber jetzt wird es sogar den Fußballfans zu bunt. Nach den jüngsten Ereignissen fordern sie die Abwahl von Bürgermeister Nagl und machten ihrem Ärger mit einem Transparent Luft. Darauf zu lesen: „Wie soll ein Mann, der bei einem Rasen an seine Grenzen stößt, eine U-Bahn bauen? Sigi Nagl abwählen!“

Die Fans des SK Sturm Graz sind wenig begeistert von Bürgermeister Nagl. // Bild: (c) Sturmtifo.com
Die Aussendung des Sturm Graz Fan-Kollektivs 1909 im Wortlaut

Ende Februar 2021, knapp vor Beginn des „Sportjahres“, verfügt die Stadt Graz über kein Stadion, in dem ihr größter und populärster Verein seine Spiele austragen kann. Der Rasen des Liebenauer Stadions wurde von der Bundesliga als nicht bespielbar eingestuft, Sturm Graz muss seine Heimspiele in Klagenfurt austragen und verliert den Heimvorteil. Könnte man derzeit vor Publikum spielen, wäre der wirtschaftliche Schaden für den Verein enorm.

Ein Image-Schaden für Graz ist es in jedem Fall: Ganz Österreich lacht über die „Sportstadt“. Hier liegt ein kollektives Versagen der Stadtregierung, des Sportamts und der Grazer Messe als Stadion-Betreiber vor. Bereits im Herbst 2020 war jedem mit Augen im Kopf klar, dass der Rasen in Liebenau dringend eine grundlegende Sanierung braucht. Der medial kolportierte Rasengipfel zu Beginn der Frühjahrssaison, bei dem sich die Stadt Graz unter anderem Hilfe vom Greenkeeper des TSV Hartberg (!) holte, ist dafür viel zu spät gekommen.

Es ist ganz offensichtlich, dass in Liebenau gespart wurde, während Abertausende an Euros in bunte Image- und Werbekampagnen für das Sportjahr gepulvert wurden, in denen die Verantwortlichen in die Kamera grinsen – wohl wissend, dass 2022 Wahlen anstehen.

Die aktuelle Situation ist aber auch Folge einer jahrelangen Vernachlässigung der Fußball-Infrastruktur. An Umbauten und Erneuerungen in Liebenau wurde nur das nötigste vorgenommen, außer ein paar kosmetischen Korrekturen hat der normale Stadion-Besucher nichts davon mitbekommen. Auch nachdem schon im Sommer 2019 ein vom GAK eingeschleppter Pilz die Spielfläche weitgehend zerstört hat, wurden immer nur einzelne Fleckerl ausgetauscht. Groß angekündigte Investitionen wurden nur zum Teil umgesetzt oder flossen letztendlich in den Umbau der Eishalle oder in die Errichtung einer „Fanzone“ hinter dem Stadion, die niemanden interessiert. Den Umbau des Platzes bei der ehemaligen 4er-Endstation als Neugestaltung des Stadions zu verkaufen, ist auch nichts weiter als ein billiger Werbeschmäh.

Nicht zuletzt hat sich in der Causa Gruabn-Tribüne trotz salbungsvoller Worte von Stadtrat Hohensinner kaum etwas getan. Bereits seit Jahren weisen wir auf diese Missstände hin und fordern eine langfristige Verpachtung des Stadions an Sturm beim gleichzeitigen Bau eines zweiten Stadions. Wir sind weiterhin überzeugt: Hieße der Pächter des Stadions Sturm Graz, wäre nie ein so stümperhafter Umgang an den Tag gelegt worden und die Situation wäre anders, als sie ist.

Bekanntlich wurde aber jegliche Diskussion zur Zwei-Stadion-Lösung von Seiten der Verantwortlichen verweigert, durch sie und ihre Haus-und-Hof-Journalisten ins Lächerliche gezogen und durch eine höchst tendenziöse Studie vom Tisch gewischt. Angesichts der jüngsten Diskussionen stellt man sich die Frage, wie denn die Stadt Graz eine Metro bauen möchte, wenn sie doch nicht einmal in der Lage ist, ein Stadion in Betrieb zu halten.

Eines ist klar: Hier liegt ein Totalversagen vor. Eigentlich müssten Sportstadtrat, Sportamtsleiter und in letzter Instanz der Bürgermeister ihre Konsequenzen ziehen. Da so viel Einsicht von diesen aufgeblasenen Herren nicht zu erwarten ist, bleibt zu hoffen, dass sich jeder Schwoaze im kommenden Jahr in der Wahlkabine daran erinnert, was im Sportjahr 2021 – und die vielen Jahre davor – so los war.

Günter Kolb

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