Politik

Nach 45 Arbeitsjahren in Pension – wie gerecht ist die Hacklerregelung?

Wer 45 Jahre lang gearbeitet hat, soll ohne Abschläge in Pension gehen können – das besagt die sogenannte Hacklerregelung. Die Politik diskutiert wieder einmal über ihre Abschaffung. Die Neue Zeit hat Pro & Kontra gesammelt und macht den Gerechtigkeits-Check: Was ist die Hacklerregelung und wie gerecht ist sie?

Hacklerregelung im Gerechtigkeits-Check
  • Seit 2020 ist die sogenannte Hacklerregelung in Österreich wieder in Kraft. Sie ermöglicht Arbeitnehmern, nach 45 Arbeitsjahren und nach Vollendung des 62. Lebensjahres ohne Abschläge ihre Pension anzutreten.
  • Kritiker der Hacklerregelung argumentieren, dass sie zu teuer ist und die Menschen besser länger statt kürzer arbeiten sollen, um das Pensionssystem zu sichern. Befürworter hingegen meinen, dass 45 Arbeitsjahre genug sind. Die Hacklerregelung reduziere zudem Arbeitslosigkeit und schaffe Arbeitsplätze – das sei gerade in der Corona-Krise wichtig.
  • Aktuell diskutiert die Politik darüber: ÖVP, Grüne und NEOS wollen die Hacklerregelung abschaffen, SPÖ und FPÖ wollen sie beibehalten.

Mit Klick auf das Inhaltsverzeichnis kann durch den Gerechtigkeits-Check navigiert werden. Das Fazit befindet sich ganz unten: Wie gerecht ist die Hacklerregelung?

Was ist die Hacklerregelung?

Die sogenannte Hacklerregelung heißt im juristischen Fachjargon „Langzeitversichertenregelung“. Sie wurden in den letzten Jahren immer wieder geändert. Trotz der vielen Änderungen und dem sperrigen Begriff ist das Konzept einfach: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll seinen Ruhestand etwas früher und ohne Abschläge antreten dürfen.

Die aktuelle Hacklerregelung ermöglicht den Österreicherinnen und Österreichern, nach 45 Arbeitsjahren ohne Abschläge in Pension gehen zu können. Voraussetzung dafür sind nicht nur eben jene 45 Arbeitsjahre, sondern auch die Vollendung des 62. Lebensjahres. Wer insgesamt 540 Monate (das sind 45 Jahre) gearbeitet hat und mindestens 62 Jahre alt ist, kann ohne Verluste in Rente gehen. Auch Kinderbetreuungszeiten zählen als Arbeit – bis zu fünf Jahre der Kinderbetreuung können als Arbeitsjahre für die Hacklerregelung angerechnet werden.

Die Hacklerregelung

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können die Hackelrregelung in Anspruch nehmen, wenn

  • sie 540 Beitragsmonate in der Pensionsversicherung vorweisen können – das entspricht 45 Arbeitsjahren
  • sie ihr 62. Lebensjahr vollendet haben
  • Für Frauen gibt es stufenweise andere Regelungen: Sie können teilweise früher und mit weniger Arbeitsjahren in „Hacklerpension“

Die abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren gilt für alle gleichermaßen, für Arbeiter, Angestellte, Selbstständige, Bauern – nur der öffentliche Dienst ist ausgenommen. Für Frauen, die vor Juni 1965 geboren wurden, weichen die Bedingungen leicht ab. Sie könnten in Abstufungen schon mit weniger Beitragsmonaten und Lebensjahren ihren Ruhestand antreten.

Weil Frauen derzeit noch ein niedrigeres Pensionsantrittsalter haben als Männer, gelten auch für die Hacklerregelung stufenweise andere Beitragsmonate und Lebensjahre. // Grafik: Sozialministerium

Die Regelung gilt erst seit 1. Jänner 2020 wieder. Davor war die Hacklerregelung mehrfach ausgelaufen und wieder verlängert worden. Zwischen 2013 und 2019 gab es keine entsprechende Verlängerung: Arbeiter und Angestellte, die nach 45 Arbeitsjahren in Pension gingen, mussten Abschläge in Höhe von 12,6 Prozent in Kauf nehmen. Ende 2019 wurde auf Betreiben von SPÖ und FPÖ im freien Spiel der Kräfte im Parlament die Wiedereinführung der Hacklerregelung ohne Abschläge beschlossen.

Das österreichische Pensionssystem kurz erklärt

Das österreichische Pensionssystem soll sicherstellen, dass Menschen auch im Ruhestand mit einem sicheren Einkommen gut leben können. Das System ist durch einige Merkmale gekennzeichnet. Pensionen sind in Österreich einkommensabhängig. In anderen Worten: Die Höhe der Pension richtet sich nach dem vorhergehenden Erwerbseinkommen – wer in seinem Arbeitsleben mehr verdient hat, erhält eine höhere Pension. Die Alterssicherung ist hierzulande auch beitragsabhängig. Anspruch auf eine Pension hat nur, wer zuvor auch Beiträge zur Pensionsversicherung geleistet hat. Das passiert bei jedem Arbeitsverhältnis automatisch: Wer arbeitet, zahlt einen Teil des Einkommens in die Pensionsversicherung ein.

Das Rentensystem funktioniert dabei nach dem Prinzip des solidarischen Umlageverfahrens: Die aktuell Erwerbstätigen zahlen mit ihren Sozialversicherungs-Beiträgen die Pensionen der älteren Bevölkerung. Treten sie in ihren Ruhestand, rückt wiederum eine neue Genration an Arbeitenden nach, die ihre Alterssicherung finanziert.

Das österreichische Rentensystem kennt verschiedene Pensions-Formen:

  • Die Alterspension ist jene Form, die man mit der „normalen“ Pension meint. Männer können ab dem sogenannten Regelpensionsalter von 65 Jahren, Frauen ab 60 Jahren ihre Rente antreten. Ab dem Jahr 2024 wird das Pensions-Antrittsalter von Frauen schrittweise bis 2033 auf 65 Jahre angehoben.
  • Ab dem 60. Lebensjahr kann man in Schwerarbeitspension gehen, wenn man mindestens 10 der letzten 20 Arbeitsjahre sogenannte Schwerarbeit verrichtet hat. Dazu zählt zum Beispiel Schichtarbeit, regelmäßige Tätigkeit unter Hitze oder Kälte oder besonders schwere körperliche Arbeit.
  • Die Korridorpension ist eine frühzeitige Pension: Österreicherinnen und Österreicher können sie ab 62 Lebensjahren in Anspruch nehmen – allerdings mit Abschlägen.
  • Kann die Arbeit aufgrund von körperlichen Einschränkungen nicht mehr ausgeübt werden, kann man in Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension
  • Für die sogenannten Hinterbliebenenpensionen muss man selbst keine Beiträge zur Pensionsversicherung geleistet haben. Versterben die Eltern oder die Ehepartnerin/der Ehepartner, hat man Anspruch auf Waisen-, Witwen- oder Witwerpension.

Die Hacklerregelung – offiziell als Langzeitversichertenpension bezeichnet – ist die letzte Pensionsform. Wer 45 Jahre lang gearbeitet hat, kann ohne Abschläge in Pension gehen. Die Regelung soll nun (wieder einmal) abgeschafft werden.

Pensionen im internationalen Vergleich

Österreich hat international betrachtet ein hohes gesetzliches Pensionsantrittsalter. Im OECD-Vergleich des Antrittsalters von Männern liegt Österreich im Spitzenfeld, in nur wenigen anderen Staaten müssen die Menschen per Gesetz so lange arbeiten wie in Österreich. Das höchste Pensionsantrittsalter haben mit 67 Jahren Island, Israel, Italien und Norwegen. Wie in Österreich mit 65 Jahren in Rente gehen können die Menschen etwa in Belgien, Finnland oder Spanien. Griechen, Slowenen oder Luxemburger müssen hingegen nur bis 62 arbeiten. Das tatsächliche Pensionsantrittsalter kann durch frühzeitige Pensionsantritte verringert werden – das passiert auch in Österreich.

Die Auswahl zeigt: In Österreich müssen die Menschen per Gesetz vergleichsweise lange arbeiten. Die Daten wurden 2018 von der OECD erhoben und geben das Pensions-Antrittsalter für Männer an.

Kontra Hacklerregelung: Was dagegen spricht

  • Die Hacklerregelung ist zu teuer
  • Die Österreicher sollen länger statt kürzer arbeiten
  • Von der Hacklerregelung profitieren nur Männer

Kritikerinnen und Kritiker sprechen davon, dass die Hacklerregelung zu teuer sei. Wenn Menschen früher abschlagsfrei in Pension gehen, belaste das die Staatskassen zusätzlich. Schätzungen gehen von jährlichen Mehrkosten zwischen 26 und 70 Millionen Euro aus.

Sie halten die Hacklerregelung sowieso für den falschen Ansatz. Anstatt Arbeiterinnen und Arbeiter früher in den Ruhestand zu schicken, sollen sie länger arbeiten. Das Pensionsantrittsalter muss erhöht werden, weil die Österreicher ohnehin früher als gesetzlich vorgesehen in Pension gehen – so die Kritiker. Wieder argumentieren sie mit dem Staatshaushalt: Das Pensionssystem könne nur finanziert werden, wenn alle länger arbeiten.

Das Antrittsalter für die Regelpension liegt für Frauen bei 60 Jahren und damit unter jenem für Männer, die im Normalfall bis 65 arbeiten müssen. Von der Hacklerregelung mit ihrem früheren Pensionsantritt profitieren deshalb hauptsächlich Männer, so die Gegner des Gesetzes. Frauen dürfen ohnehin schon früher in Rente, sagen sie.

Pro Hacklerregelung: Was dafür spricht

  • 45 Jahre arbeiten sind genug – eine Pension ohne Abschläge ist fair
  • Die Hacklerregelung senkt Arbeitslosigkeit und schafft Arbeitsplätze
  • Gerade in der Krise müssen Arbeitnehmer gestärkt und nicht geschwächt werden

Zu den größten Befürwortern der Hacklerregelung zählt die Gewerkschaft. Für sie gilt: Wer 45 Jahre oder länger hart gearbeitet hat, soll in die verdiente Pension gehen können, ohne mit Abschlägen bestraft zu werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tragen durch ihre Arbeit zum Wohlstand unseres Landes bei – wer länger als 45 Jahre teilweise schwere Arbeit leistet, hat sich die abschlagsfreie Pension verdient, sagen die Befürworter.

Sie argumentieren weiter, dass die Hacklerregelung gleich zwei positive Effekte für den Arbeitsmarkt hat. Auf der einen Seite reduziere sie Arbeitslosigkeit, weil gerade ältere Menschen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Mit der Hacklerregelung können sie nach einem langen Arbeitsleben früher in Pension und müssen nicht in Arbeitslosigkeit auf ihren Pensionsantritt warten. Das spare auch noch Geld, da die Kosten für Arbeitslosigkeit höher sind als jene für die Hacklerregelung.

Auf der anderen Seite schafft ein früherer Pensionsantritt für die jüngere Generation neue Arbeitsplätze. Das sei gerade in Zeiten der Krise wichtig – als Folge der Corona-Pandemie sind hunderttausende auf Jobsuche.

In der Krise ist eine Abschaffung der Hacklerregelung, wie sie gerade diskutiert wird, überhaupt der falsche Weg, sagen Befürworter der Regelung. Während der Corona-Krise ist Österreich mit einer Rekordarbeitslosigkeit konfrontiert. Sozialleistungen und die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen gerade jetzt gestärkt werden, meinen Befürworter.

Fazit: Ist die Hacklerregelung gerecht?

Die Hacklerregelung kostet dem Staat tatsächlich Geld, Schätzungen zufolge zwischen 26 und 70 Millionen Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das Pensionssystem insgesamt verursacht jährliche Kosten von rund 56 Milliarden Euro. Die Hacklerregelung macht also nur einen verschwindend geringen Teil der gesamten Pensionskosten aus. Nur 0,046 bis 0,13 Prozent der Ausgaben für die Alterssicherung entfallen auf die abschlagsfreie Hacklerregelung. Das Argument, die Regelung sei nicht leistbar, ist deshalb nur schwer nachzuvollziehen. Es ist vielmehr eine politische Frage, ob Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, ihren Ruhestand ohne Abschläge antreten dürfen.

Wer 45 Jahre lang gearbeitet hat, hat auch 45 Jahre lang Steuern und Beiträge zur Pensionsversicherung bezahlt und so wesentlich zum Funktionieren des Sozialstaats beigetragen. Es wäre fair, wenn Arbeitnehmer nach einem Leben voller Arbeit mit der Hacklerregelung abschlagsfrei in Pension gehen können.

Auch wenn die Gesamtkosten für die Regelung vergleichsweise niedrig sind, geht es für den Einzelnen um viel Geld. Ohne abschlagsfreie Hacklerregelung würden die Betroffenen im Schnitt um 300 Euro weniger Rente erhalten. Das hat auch mit Respekt und Wertschätzung jenen gegenüber zu tun, die das Land durch ihr jahrelanges „hackeln“ am Laufen halten. 45 lange Arbeitsjahre sind genug – die Hacklerregelung ist daher gerecht.

So sind die Positionen der Parteien zur Hacklerregelung

Aktuell debattiert die Politik (wieder einmal) über die Abschaffung der Hacklerregelung. ÖVP, Grüne und NEOs wollen die Regel abschaffen – sie sind dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch länger arbeiten. Von den fünf Parlamentsparteien sind nur SPÖ und FPÖ klar für die Beibehaltung der Hacklerregelung. Die beiden Parteien wollen, dass Menschen nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei in Pension gehen können.

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NeueZeit Redaktion

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