Die steigenden Energiepreise und die Angst vor Gasengpässen treiben die EU ausgerechnet nach Beschluss des „Green Deal“ für das Klima zurück zu Atomkraft und fossilen Brennstoffen. Für EU-Abgeordneten Hannes Heide ist das der falsche Weg. Im Gastkommentar für die NeueZeit fordert er einen „sozial gerechten und umweltfreundlichen“ Wandel in Energie-Fragen.
Gastkommentar von Hannes Heide.
Hannes Heide ist Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.
Das Europäische Parlament hätte in der letzten Plenarsitzung Geschichte schreiben können. Ein klares „Nein“ gegen die Taxonomie-Verordnung, also das Greenwashing von Gas und Kernenergie, wäre das notwendige Bekenntnis gewesen, die Zukunft in Europa alternativlos mit erneuerbarer Energie zu bestreiten. Und hätte auch dem Kriegstreiber Russland deutlich gezeigt: Wir lassen uns nicht erpressen!
Doch es kam anders. Das Abstimmungsergebnis, bei dem die Mehrheit der Abgeordneten sich der Meinung der Kommission anschloss, ist eine klimapolitische Niederlage. Sie begünstigt ein Comeback von Atomkraft und Gas und stuft sie unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig und sogar förderwürdig ein.
Grüne Atomenergie gibt es nicht
Dringend notwendige Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien, wie die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasser und Windkraft, müssen in der Folge auf den Finanzmärkten mit kostenintensiven Atomkraftwerken konkurrieren. Dabei ist Atomkraft keine Alternative. Atomkraft ist weder sicher noch wirtschaftlich und auch nicht nachhaltig. Auch wenn sie jetzt während der schwersten Energiekrise seit den Siebzigerjahren wie die schnelle Lösung erscheint, halsen wir damit zukünftigen Generationen nur zusätzliche Probleme auf.
Die Zukunft der Energiegewinnung liegt ganz klar bei erneuerbaren Energieträgern. Das muss sich auch in der europäischen Förderpolitik widerspiegeln.
Verrat am Klimapaket
Die jetzt beschlossene Taxonomie-Verordnung ist nicht das Produkt wissenschaftlicher Vernunft, sondern kam nur aufgrund politischen Drucks der Atom- und Gas-Lobby aus Frankreich und Deutschland zustande. Doch die erhofften großen Geldgeber für Atomprojekte könnten aus Angst vor Imageverlust ausbleiben. Und die Glaubwürdigkeit der EU in Sachen Klimaengagement hat einen Tiefpunkt erreicht. Einige Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, haben bereits angekündigt, die Verordnung vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten zu wollen.
All das geschieht nur wenige Wochen nach dem letzten Schlagabtausch in Sachen Klimapolitik im Europäischen Parlament, wo die Abschaffung der Verbrenner-Motoren und die CO2-Bepreisung die Wogen hochgehen ließen. Eine gemeinsame europäische Linie zum Emissionshandel zu finden, war schwierig. Wir Sozialdemokraten konnten die verwässerten Vorschläge zur CO2-Bepreisung von Konservativen und Rechten abwenden. Und im zweiten Anlauf wurde das Klimapaket „Fit for 55“ mit einigen Kompromissen, aber zumindest mit dem Grundprinzip „Wer verschmutzt, bezahlt“ beschlossen. Die Zahl 55 steht dabei für die Prozentzahl, die bis 2030 an Emissionen eingespart werden soll.
Klimamaßnahmen? – Ja, aber sozial gerecht!
Die politischen Spielchen rund um die Klimamaßnahmen sind gefährlich. Kaum ein Haushalt hat den vergangenen Winter ohne empfindliche Erhöhung der Energiekosten überstanden. Das trifft vor allem Familien und Menschen mit geringem Einkommen mit existenzbedrohender Härte. Die ohnehin dünne Akzeptanz für weitere Einschränkungen zum Wohl der Umwelt wird durch die inkonsequente, europäische Linie beim Klimaschutz nur weiter sinken.
Für mich ist deshalb der Klimasozialfonds von zentraler Bedeutung. Dieser soll aus den Mitteln der CO2-Bepreisung finanziert werden und die erwartbare Energieteuerung für Menschen mit geringem Einkommen abfedern. Nur ein sozial gerechter Klimaschutz kann in Zukunft bestehen und von der Gesellschaft mitgetragen werden.