Diesen Sonntag wählt Graz einen neuen Gemeinderat. Die aktuellste Umfrage lässt jetzt bei der ÖVP die Alarmglocken läuten. Bürgermeister Siegfried Nagl und seiner Partei müssen mit schweren Verlusten rechnen. Nur noch 34 Prozent, fast fünf Prozent weniger als 2017, wollen die ÖVP wählen. Da auch die FPÖ stark verliert, steht die türkis-blaue Regierungskoalition ohne Mehrheit da.
Wohnen, Verbauung und Verkehr dominierten den Gemeinderatswahlkampf in Graz
Ein kurzer, aber intensiver Wahlkampf neigt sich dem Ende zu. Im Vordergrund standen die Themen Wohnen, Verbauung und Verkehr. Im Hinblick auf die katastrophale Situation in diesen drei Bereich ist das nicht besonders verwunderlich. Seit 2012 wurden 68 Hektar verbaut. Das ist eine Fläche, die größer ist als die Vatikanstadt. Die Bautätigkeit wird dabei von privaten Immobilien-Konzernen dominiert. Sie sehen Wohnanlagen oftmals als Spekulationsobjekt und bauen an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Deshalb stehen bis zu 38.000 Wohnungen leer. Gleichzeit steigen die Mietpreise kontinuierlich. Wohnen ist in Graz mittlerweile schon teurer als in Wien.
Die letzte Gemeinderatssitzung wurde vom Wohnungs-Thema dominiert. Dabei musste die ÖVP eine Niederlage hinnehmen. Ein SPÖ-Antrag für ein Ende der Verbauung fand gegen die Stimmen der Türkisen eine Mehrheit. Die Einführung einer Leerstandsabgabe konnte die ÖVP zusammen mit FPÖ und Neos blockieren. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich an der Wohnungs-Not nicht schnell etwas ändern wird. Ähnlich bedenklich ist die Verkehrssituation. Seit Jahren leidet Graz unter einem chronischen Verkehrs-Chaos. Obwohl die Stadt ständig wächst, investierte die türkis-blaue Rathauskoalition zu wenig in den öffentlichen Verkehr. Staus und Umweltbelastungen sind die Folge. Um die Verkehrsproblematik zu lösen, präsentierte Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) im Frühjahr seinen Plan, eine U-Bahn zu bauen. Im Wahlkampf erwähnte er das Thema kaum mehr. Das liegt wohl daran, dass sich das Projekt als unfinanzierbar und der Zeitplan als unrealistisch herausgestellte. So schnell wie die U-Bahn ist bisher keines von Nagls Luftschlössern zerplatzt.
ÖVP droht laut Umfrage Absturz in Graz
Die vielen türkisen Fehlschläge spiegeln sich in aktuellen Umfragen wider. Während die ÖVP zu Anfang des Jahres noch bei 37 Prozent lag, sind es jetzt nur noch 34. Eine Umfrage von Anfang September gibt Nagls Partei sogar nur noch 33 Prozent. Gleichzeitig verliert auch die FPÖ massiv an Zustimmung. Wählten bei der letzten Gemeinderatswahl noch 15 Prozent blau, so sind es jetzt je nach Umfrage nur noch 11 bis 12 Prozent. Den Freiheitlichen tut vor allem das Antreten des Teams HC weh. Glaubt man den neuesten Umfragen, hat die aktuelle türkis-blaue Rathauskoalition keine Mehrheit im Gemeinderat.
Gestärkt dürften die drei Parteien links der Mitte aus der Wahl hervorgehen. Der KPÖ werden in fast jeder Umfrage Zugewinne zugetraut. Bis zu 25 Prozent scheinen möglich. Die Grünen liegen zwischen 14 und 15 Prozent der Stimmen. Das wäre deutlich weniger, als sie bei der Landtagswahl in Graz geschafft haben. Seit Jahresbeginn verlieren sie außerdem stark an Zustimmung. Bei der SPÖ ist das umgekehrt. Anfang des Jahres lagen die Sozialdemokraten bei 8 Prozent. Mittlerweile sagen Umfragen bis zu 12 Prozent der Stimmen voraus. Anders als von vielen erwartet, ist das große Ziel, wieder in den Stadtsenat einzuziehen, damit in Reichweite. Die Neos dürften eine zu vernachlässigende Größe bleiben. Laut Umfragen liegen sie bei knapp drei Prozent der Stimmen. Von den insgesamt acht anderen kleinen Parteien, die zur Wahl in Graz antreten, dürfte keine auch nur annähernd den Einzug in den Gemeinderat schaffen.
Koalitionsverhandlungen versprechen Aufregung
Angesichts der ÖVP-Schwäche dürften die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl heuer besonders spannend werden. Es ginge sich Umfragen zufolge lediglich eine einzige Zweierkoalition aus. Dabei handelt es sich aber um die politisch absolut unmögliche Regierung zwischen ÖVP und KPÖ. Beide Parteien haben eine Zusammenarbeit bereits ausgeschlossen. Laut der letzten Umfrage hätte eine Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ eine Mehrheit. Zuletzt war das im Jahr 2003 der Fall. Damals scheiterte eine Regierungsbildung jedoch an der Kommunistischen Partei. Ob die linke Koalition diesmal zustande kommt, hängt davon ab, ob es die SPÖ in den Stadtsenat schafft. Politisch wäre die Linksregierung ein spannendes Experiment. Letztlich sind Koalitionsspekulationen interessant, aber im Grunde genommen verfrüht. Graz ist nämlich für unberechenbares Wahlverhalten bekannt. Daher heißt es das Wahlergebnis abwarten. Ein hohes Maß an Spannung ist garantiert.