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Von 70 auf 37 Wochenstunden: So hat Österreich in den letzten 150 Jahren die Arbeitszeit verkürzt

Seit über hundert Jahren fordern Arbeiter*innen und Gewerkschaften eine Verkürzung der Arbeitszeit. Trotzdem dauert ihre Umsetzung meist Jahrzehnte. Im 19. Jahrhundert waren 70-Stunden-Wochen keine Seltenheit. Erst seit 1975 gilt die heutige 40-Stunden-Woche. Und mit 1. Jänner 2022 verkürzte mit dem Gesundheits- und Sozialbereich erstmals eine Branche die Arbeitszeit auf 37 Stunden. Ein Überblick über alle Arbeitszeitverkürzungen in Österreich.

Die Geschichte der Arbeitszeitverkürzungen in Österreich
Die Geschichte der Arbeitszeitverkürzungen in Österreich

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren Arbeitszeiten in Österreich überhaupt nicht gesetzlich geregelt und konnten frei von Arbeitgeber*innen bestimmt werden. 70-Stunden-Wochen waren damals keine Seltenheit. Eine erste Verkürzung der Arbeitszeit auf gesetzlicher Grundlage brachte die sogenannte zweite Novelle der Gewerbeordnung vom 9.Mai 1859. Sie begrenzte einen Arbeitstag auf 11 Stunden und legte die Sonntagsruhe fest.

Das neue Gesetz wurde aber häufig nicht eingehalten. In einer Erhebung von 1869 berichten Arbeiter*innen von 12-14 Stunden Arbeit pro Tag – auch am eigentlich freien Sonntag.

Die Industrialisierung schritt voran, die Arbeitsbedingungen blieben katastrophal. Auf den 1. Mai-Feiern 1890 forderten Arbeiter*innen erstmals den 8-Stunden-Tag. Eingeführt wurde dieser aber erst nach dem 1. Weltkrieg ­- fast 30 Jahre später.

Aber die kürzere Arbeitszeit hielt nicht lange: Das NS-Regime machte den 8-Stunden-Tag nach dem Anschluss Österreichs wieder rückgängig. Arbeitstage über 10 Stunden waren in „Notsituationen“ wieder erlaubt, sodass beispielsweise in der Rüstungsindustrie 12-Stunden-Tage zur Norm wurden.

Die 40-Stunden-Woche gilt erst seit 1975

Auch nach dem Krieg verbesserte sich die Lage für Arbeitnehmer*innen nicht wirklich. Lange war unklar, welche Regelungen galten. Erst 1969 verabschiedete Österreich ein eigenes Gesetz, das die Arbeitszeit regelt.

Dabei forderten Gewerkschaften und Arbeiter*innen seit 1948 die 40-Stunden-Woche.Trotz ihres Beschlusses 1955 kam es lange nicht zur Umsetzung. Einzelne Branchen konnten zwar schon 1958 eine Senkung von 48 auf 45 Stunden erreichen, die Umsetzung für alle verdanken wir aber den Bergarbeitern. Diese machten es 1959 in ihren Verhandlungen zur Bedingung, dass die Arbeitszeit für alle auf 45 Stunden gesenkt wird. Und erreichten damit eine Annäherung an die geforderte 40-Stunden Woche.

Die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche legte schließlich die österreichische Regierung 1969 gesetzlich fest. Ab 1975 galt sie endlich für alle. Seither handelten einzelne Branchen immer wieder eine Senkung der Wochenstunden aus, wie zu letzte der Sozial- und Gesundheitsbereich. Hier gilt seit 1. Jänner 2022 die 37-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit. Das ist die niedrigste Vollzeitstundenanzahl, die es je in Österreich gab.

Die Geschichte der Arbeitszeitverkürzung in Österreich
Die letzte Arbeitszeitverkürzung in Österreich gilt seit 2022 im Sozial- und Gesundheitsbereich.

Der generelle Trend geht aber nicht unbedingt in Richtung Arbeitszeitverkürzung, oder gar der seit 1987 geforderten 35-Stunden-Woche. Erst 2018 beschloss die ÖVP-FPÖ Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz den 12-Stunden-Tag. Arbeitgeber*innen können seitdem von ihren Angestellten verlangen, bis zu 12 Stunden täglich zu arbeiten, etwa wenn viele Aufträge zu erledigen sind. Berufsverbände und Gewerkschaften kritisieren dieses unter „Gleitzeit“ und „Freiwilligkeit“ getarnte Gesetz stark.

Nur in Griechenland wird mehr gearbeitet als in Österreich

Auch im   schneidet Österreich schlecht ab: Nur in Griechenland wurden 2020 mehr Stunden pro Woche gearbeitet als in Österreich. Mit 42,1 Arbeitsstunden pro Woche liegt Österreich über dem EU-Durschnitt von 40,7 Stunden (allerdings ohne Einberechnung der Feiertage).

Aufgrund von hoher Arbeitslosigkeit führte Frankreich bereits im Jahr 2000 die 35-Stunden-Woche ein – in der Hoffnung, so mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Ziel wurde aber nicht erreicht. Stattdessen senkten viele Firmen die Löhne, um die weggefallene Arbeitsstunden ihrer Beschäftigten auszugleichen. Viele Arbeitnehmer*innen waren zu Zweitjobs oder Überstunden gezwungen. Im Schnitt werden in Frankreich trotzdem noch 40,4 Stunden pro Woche gearbeitet.

Anders sieht es in Dänemark aus, wo flächendeckend eine 37-Stunden-Woche gilt. Immer wieder werden die Dän*innen als gutes Beispiel für „Work-Life-Balance“ und Familienfreundlichkeit angeführt. Denn hier gilt – wie auch in Schweden, Norwegen und Finnland – vielerorts eine weitreichende „Gleitzeit“. Es kann dann gearbeitet werden, wann Zeit dafür ist.

Statt den Familien Ausflug zu verpassen, kann die Arbeit auch am Abend nachgeholt werden. Ein Konzept, das theoretisch auch in Österreich möglich wäre.

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