In Favoriten wurden Autofahrer zur Kasse gebeten: über ein Jahr lang droht eine Hauseigentümerin mit Besitzstörungsklagen und verschickt Geldforderungen in Höhe von 395 Euro wegen angeblichen Falschparkens. Für Dutzende Betroffene kämpft der Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Schöberl jetzt vor Gericht – die rote Bezirkspolitik und Justizministerin Sporrer versprechen weitere Hilfe.
Wo sich früher eine Autowerkstatt befand, steht heute in der Quellenstraße 92 ein Kindergarten. Da Parkplätze hier nur schwer zu finden sind, stellten manche Autofahrerinnen und Autofahrer ihren Wagen für kurze Besorgungen oder zum Abholen ihrer Kinder in der nicht benötigten Einfahrt ab. Womit sie nicht rechnen konnten: Geldforderungen in Höhe von 395 Euro wegen angeblicher Besitzstörung.
Auch Ali Q. parkte vergangenes Jahr mit dem Firmenauto drei Minuten lang vor der unbenutzten Einfahrt, um sein Handy von der Reparatur abzuholen. Wenige Tage später stellte er sich dort auch kurz mit seinem Privatauto hin. Die Hauseigentümerin sendete daraufhin sowohl Ali Q, als auch dessen Firma wegen des Firmenautos eine Abmahnungen samt der Aufforderung 395 Euro zu bezahlen. Beide überwiesen das Geld schließlich, ohne zu wissen, dass der jeweils anderen denselben Brief erhalten hatte. Kurz darauf bekam Ali Q. noch ein zweites Schreiben mit der gleichen Forderung, diesmal wegen des Parkens mit seinem Privatauto. Insgesamt holt sich die Hauseigentümerin 1.200 Euro, indem sie die Besitzstörungsklage als Geschäftsmodell nutzt.
Bezirksvorstehung schreitet ein und unterstützt Betroffene

Leider handelt es sich dabei um keinen Einzelfall. Über 200 Personen in Favoriten drohte man mit einer Besitzstörungsklage. SPÖ-Bezirksrat Konstantin Böck erzählt: “400 Euro sind viel Geld – dafür arbeiten viele Favoritnerinnen und Favoritner hart. Zahlreiche Menschen haben sich an die Bezirksvorstehung und an mich gewendet. Ich bin froh, dass wir bereits einiges bewegen konnten und dass sich Dr. Schöberl bereit erklärt hat, die rechtliche Situation zu prüfen”.
Nachdem Böck den Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schöberl involviert hatte, ergab dessen rechtliche Prüfung nämlich, dass die Forderungen ungerechtfertigt waren. Es wurde eine Info-Veranstaltung organisiert, bei der Betroffenen geraten wurde, keinesfalls zu bezahlen. Für diejenigen, die das Geld bereits davor überwiesen hatten, geht Dr. Schöberl jetzt vor Gericht. Ali Q. erzählt „Ich habe 30 E-Mails an die Kanzlei geschrieben, die die Anzeigen verschickt hat, weil sowohl ich als auch meine Firma für denselben Vorfall bezahlt haben. Aber sie haben sich nie gemeldet. So viel verdiene ich aber nicht, um dafür 800 Euro zu bezahlen“.

In der Zwischenzeit hat man auch die Baupolizei (MA 37) verständigt. Sie ließ den abgesenkten Gehsteig entfernen, wodurch jetzt definitiv von keiner Einfahrt mehr die Rede sein kann.
Parkabzocke in der Quellenstraße: Wiener Rechtsanwalt fordert Geld für Betroffene zurück
Im Rahmen einer sogenannten Streitgenossenschaft hat Dr. Schöberl bei Gericht Klage eingereicht, um bereits gezahlte Beträge für Betroffene wieder zurückholen. Die angeblichen „Besitzstörer“ der Quellenstraße 92 in Favoriten sollen nämlich in Wahrheit gar keine Besitzstörung begangen haben. Der Wiener Anwalt erklärt:
„Die Beschaffenheit des Grundstücks macht es unmöglich, mit einem Fahrzeug eine Garage oder Ähnliches zu erreichen. Somit fehlte es von vornherein an einem Besitzrecht, das gestört werden konnte“.
Als ob die unrechtmäßigen Drohungen mit Besitzstörungsklagen nicht schon genug wären, landeten weitere Schreiben mitsamt Geldforderungen im Postfach der Betroffenen in Favoriten. Eine Zeit lang ließ die Dame die Einfahrt in der Quellenstraße nämlich sogar per Video überwachen. Im öffentlichen Raum ist das aber nicht erlaubt.
Einige der Betroffenen erhielten dann im Nachhinein einen eigenen Brief von der Besitzwacht GmbH. Diese forderte sie auf zwischen 100 und 150 Euro als “Kosten und Barauslagen” im Zusammenhang mit der Überwachung der Einfahrt zu zahlen. Ähnliche Fälle gab es schon in Simmering und einigen Orten Tirols. Auch hier rät Anwalt Dr. Schöberl das Geld auf keinen Fall zu überweisen, da es für das Schreiben dieser Firma keinerlei Rechtsgrundlage gibt.
Justizministerin plant Gesetzesreformen
Das Problem, Besitzstörungsklagen als Geschäftsmodell zu nutzen, ist nicht nur in Favoriten Thema. Justizministerin Sporrer (SPÖ) will verfahrensrechtliche Vereinheitlichungen schaffen, um den Missbrauch des Besitzstörungsrechts feststellen zu können und schlussendlich verhindern zu können. Die Parkabzocke in der Quellenstraße 92 ist nämlich kein Einzelfall. Auch Autofahrern, die vor der längst geschlossenen Tankstelle in der Hasnerstraße 128 in Ottakring anhielten, drohte man mit derselben Klage.
„Es wird bereits intensiv an Maßnahmen gearbeitet, um missbräuchliche Besitzstörungsklagen einzudämmen. Wir brauchen eine praktikable und für die Menschen wirksame Lösung, deshalb stehen mein Haus und ich dazu auch im Austausch mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis“, teilte Sporrer in diesem Zusammenhang dem Standard mit. Die Reform soll den Rechtsmissbrauch eindämmen und stattdessen mehr Rechtssicherheit schaffen.
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