Die Corona-Infektionen in Österreich steigen weiter an. Das liegt auch am unklaren “Zick-Zack-Kurs” der Regierung, kritisieren Experten und die Opposition. Kanzler Kurz und Co. ändern mehrmals ihren Corona-Kurs und sind sich nun nicht einmal intern einig.
Im Frühling sieht alles noch ganz anders aus. Die Corona-Infektionen nach dem Lockdown sind niedrig, Österreich gilt als Musterland. Von Mai bis Ende Juni gibt es an keinem Tag mehr als 100 Neuinfektionen. Aber schon im Sommer steigen die Infektionen wieder. Mitte September infizieren sich teilweise mehr als 800 Menschen täglich – so viele wie zur Hochzeit der Krise während des Lockdowns.
Was ist passiert? Der “Zick-Zack-Kurs” der Regierung habe die Bevölkerung verunsichert und zu Sorglosigkeit geführt, sagen Experten und die Opposition.
Corona-Maßnahmen von “keine Panik” bis Durchhalte-Parolen
Die Chronologie der österreichischen Corona-Maßnahmen liest sich wie ein Krimi: Es geht hin und her und am Ende kennt sich niemand mehr aus. Nur auf die Auflösung des Rätsels warten die Österreicherinnen und Österreicher bis heute.
Im Dezember 2019 tauchen erste Berichte über das neuartige Corona-Virus in China auf. Bereits im Februar 2020 ist klar, dass das Virus im benachbarten Italien außer Kontrolle geraten ist. Zu diesem Zeitpunkt sendet die Bundesregierung noch die Botschaft aus, dass für Österreich keine Gefahr bestehe. ÖVP-Kanzler Kurz sagt am 8. März: “Es ist überhaupt nicht angebracht, in Panik zu verfallen.”
Ein paar Tage später schon geht alles ganz schnell. Am 10. März verkündet die Regierung einen Einreisestopp für Personen aus Italien sowie die Schließung der Universitäten. Jeden Tag werden neue Maßnahmen präsentiert: Die Schulen schließen, Großveranstaltungen werden abgesagt, ganze Gemeinden unter Quarantäne gestellt, die Geschäfte sperren zu, eine Ausgangsbeschränkung wird verhängt. Ab 6. April gilt in den noch offenen Lebensmittelgeschäften die Maskenpflicht. Die Regierung verbreitet Angst (Kurz: “Jeder wird jemanden kennen, der an Corona verstorben ist”) und gibt Durchhalte-Parolen aus.
Wirtschaftliche Interessen stehen Gesundheit gegenüber
Mehrere Wochen später macht die Regierung eine Kehrtwende. Im Frühsommer werden die Maßnahmen der Reihe nach gelockert. Sogar die Maskenpflicht in Supermärkten fällt. Am 13. Juni verkündet Kanzler Kurz auf Facebook: “Wir haben die gesundheitlichen Folgen der Krise überstanden“. Österreich sei “Corona-Weltmeister” und es gebe “Licht am Ende des Tunnels”.
Was die Regierung nicht dazu sagt: Hinter der Lockerung der Maßnahmen stehen wohl auch wirtschaftliche Interessen. Das Tragen von Masken führt dazu, dass Konsumenten weniger einkaufen. Rainer Trefelik, Handelsobmann der Wirtschaftskammer, geht “von maskenbedingten Umsatzverlusten im Ausmaß von rund einer halben Milliarde Euro monatlich aus”. Hotellerie und Handel waren die ersten, die die Lockerungen vor dem Sommer begrüßten.
“Dauer-Zick-Zack-Kurs” der Regierung
Inzwischen vollzieht die Regierung eine weitere Kehrtwende. Die Maßnahmen werden Mitte September verschärft, Veranstaltungen wieder strenger begrenzt, die Maskenpflicht gilt wieder in allen Geschäften. Die neue sogenannte Corona-Ampel soll einfach und verständlich anzeigen, welche Maßnahmen in welchen Regionen gelten. Im Maßnahmen Wirr-Warr der Regierung geht die Ampel mit ihren Regeln aber unter.
Gesundheitsexperte Thomas Czypionka kritisiert die Corona-Ampel im Interview mit der Tageszeitung Der Standard: “Jeder Mensch versteht Grün als Signal, dass alles in Ordnung ist – das ist aber nicht der Fall. Die Ampel hätte aus meiner Sicht mit Gelb starten müssen, um den Bürgern Vorsicht zu signalisieren.”
In die gleiche Kerbe schlägt SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Er kritisiert den “Dauer-Zick-Zack-Kurs” der Bundesregierung: “Das Ergebnis ist ein immer größer werdendes Chaos, das diese Regierung seit Beginn der Krise an den Tag legt“.
Regierung auch intern über Corona-Maßnahmen uneins
Der Maßnahmen Wirr-Warr scheint sich auch Regierungs-intern fortzusetzen. Während Bundeskanzler Kurz am 13. September warnt “wir stehen definitiv am Beginn einer zweiten Welle”, widerspricht Gesundheitsminister Anschober eine Woche später: “Ich bin sehr optimistisch, dass wir nicht in eine zweite Welle hineinkippen”. Während sich die Regierung selbst nicht einigen kann, steigen die Corona-Infektionen in Österreich weiter täglich an.