Die Regierung habe zu viel Einfluss im Stiftungsrat des ORF. Burgenlands Landeshauptmann Doskozil fordert jetzt „eine objektive, unparteiische und unabhängige Berichterstattung“ in Österreich. Das Burgenland bringt deshalb eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, die den ORF partei-unabhängiger machen soll.
Für Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist der Regierungseinfluss in den ORF-Gremien nicht mehr tragbar:
“Der ORF muss seinen Kernauftrag objektiv, unparteiisch und unabhängig erbringen können. Wenn das wichtigste Organ des ORF, der Stiftungsrat, nach dem geltenden Gesetz mehrheitlich von der Regierung besetzt wird, ist die Unabhängigkeit des ORF nicht gewährleistet. Die unabhängigen Medien sollten die Regierung kontrollieren – nicht die Regierung die Medien.”
Doskozil will den ORF jetzt mittels Klage unabhängiger machen. Die burgenländische Landesregierung bringt in der kommenden Woche einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Landeshauptmann Doskozil verlangt eine verfassungsmäßige Überprüfung des „Politeinflusses“ auf die Besetzung von ORF-Stiftungsrat und ORF-Generaldirektion.
30 von 35 Mitglieder des ORF-Stiftungsrates werden von Parteien besetzt
Der ORF-Stiftungsrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium für Österreichs größten Medienkonzern. Der Jahresumsatz des ORF beträgt rund eine Milliarde Euro – zwei Drittel davon werden aus den GIS-Gebühren finanziert. Den Stiftungsrat selbst bilden 35 Mitglieder. Eine Funktionsperiode dauert vier Jahre.
Die Bundesregierung entsendet neun Mitglieder in den Stiftungsrat, die Landesregierungen je ein Mitglied pro Bundesland und die Parlamentsparteien je ein Mitglied pro Partei. Der ORF-Publikumsrat darf sechs Mandatare entsenden – die Mehrheit im Publikumsrat wird aber wiederum vom Kanzler oder der Medienministerin bestimmt. Somit werden 30 der 35 Stiftungsräte direkt oder indirekt von Parteien bestellt. Die übrigen fünf Mitglieder entsendet der ORF-Zentralbetriebsrat.
Laut Gesetz sind die Mitglieder in ihrer Tätigkeit für den ORF „weisungsfrei und unabhängig“. Das bedeutet, dass sie selbst für ihre Entscheidungen haften und den – insbesondere wirtschaftlichen – Interessen des ORF verpflichtet sind.
Zwei Verfassungsgesetze regulieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich. Sie sollen die Unabhängigkeit der ORF-Mitarbeiter:innen und der ORF-Organe garantieren. Laut Meinung von Doskozil und der burgenländischen Landesregierung passiert das im derzeitigen ORF-Gesetz aber nicht ausreichend – deshalb die Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.
ÖVP und Grüne vereinbarten in Sidelettern: Grüne erhalten Vorsitz
Bis Mai dieses Jahres war der ehemalige FPÖ-Politiker Norbert Steger Vorsitzender des Stiftungsrates. Im Mai fand dann nach vier Jahren eine neue Konstituierung des ORF-Stiftungsrates statt. Mit 34 von 35 Stimmen wurde Lothar Lockl als neuer Vorsitzendes gewählt.
Das Brisante an der Wahl: Im März 2021 wurden „Sideletter“ der damaligen Regierung von Sebastian Kurz öffentlich. In diesen vereinbarten ÖVP und Grüne die neuen Besetzungen im Stiftungsrat und im ORF. Der Sideletter sicherte den Grünen das Vorschlagsrecht des ORF-Stiftungsratsvorsitzenden zu.
Letztendlich ging der Posten tatsächlich an einen Grünen: den 53-Jährigen Lothar Lockl. Lockl war früher Bundesparteisekretär der Grünen und Wahlkampfleiter des heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.
Burgenland entsendet unabhängigen Künstler Christian Kolonovits in ORF-Stiftungsrat
Die burgenländische Landesregierung hat im Vorgriff auf die Verfassungsbeschwerde bereits den Künstler Christian Kolonovits als Burgenland-Vertreter in den Stiftungsrat entsandt – eine unabhängige Persönlichkeit, kein Parteigänger. Dieser könne völlig unabhängig agieren, sagt Landeshauptmann Doskozil: „Christian Kolonovits ist als Künstler eine Ausnahmepersönlichkeit – und als Burgenländer ein idealer Repräsentant der kulturellen Vielfalt unseres Bundeslandes. Als ORF-Stiftungsrat wird er vor allem ein engagierter Vertreter der Kultur, der Volksgruppen und der Pluralität sein. Ich danke ihm dafür, dass er diese Aufgabe übernimmt, und bin überzeugt, dass er in dieser Rolle viel bewegen kann“.
Auch der Künstler selbst zeigt sich motiviert:
„Ich sehe es als Herzensanliegen und große Chance, die gewachsene kulturelle Vielfalt des Burgenlandes im ORF zu vertreten. Der Österreichische Rundfunk hat einen Kulturauftrag, der einen noch breiteren Stellenwert einnehmen kann. Auch dafür werde ich mich als Stiftungsrat einsetzen.“