In einem Jahr um diese Zeit ist das neue Europäische Parlament schon gewählt. Nur 49 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher halten die Stimmabgabe laut einer aktuellen Umfrage allerdings für wichtig. Das sind 30 Prozent weniger als vor dem letzten Wahlgang. Eine gefährliche Ausgangsposition, findet Europaabgeordneter Hannes Heide und ruft zum Wählen gehen von 6.-9-Juni 2024 auf.
Gastkommentar von Hannes Heide
Hannes Heide ist Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.
Das Interesse an der Europawahl ist in Österreich auf einem Tiefpunkt. Während das letzte Votum 2019 mit einer Rekordbeteiligung glänzte, bei der seit 20 Jahren das erste Mal mehr als die Hälfte der Europäerinnen und Europäer zur Stimmabgabe gingen, ist die Bedeutung der Wahl hierzulande stark gesunken. Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) kommt nach einer Befragung zu dem Schluss, dass die Wichtigkeit der Europawahl seit 2019 von 79 Prozent auf 49 Prozent gesunken ist.
Schluss mit dem EU-Bashing
Ein positiveres Bild der Vorwahlstimmung zeichnet die aktuelle Eurobarometer-Umfrage, die regelmäßig vom Europäischen Parlament zur Erforschung der öffentlichen Meinung in den Mitgliedstaaten in Auftrag gegeben wird. Rund zwei Drittel der Befragten aus Österreich gaben an, wahrscheinlich wählen zu gehen, würde die Europawahl nächste Woche stattfinden. Ähnliche Prozentsätze erzielen auch andere EU-Mitgliedsländer und übertreffen damit die Ergebnisse von 2019.
Jede Stimme ist für die Europawahl enorm wichtig. Um die Menschen zu begeistern, muss Europa aber in den Regionen spürbarer werden. Nur mehr Transparenz und Information werden das Vertrauen in die Union steigern und zeigen, dass wir alle tagtäglich von der Europäischen Union profitieren. Das mediale EU-Bashing muss endlich aufhören. Österreich wird von Brüssel nichts aufgezwungen, es gibt keine Entscheidung auf europäischer Ebene, an der nicht mindestens eine Österreicherin oder ein Österreicher beteiligt ist. Der Bundeskanzler sollte sich deshalb bewusst sein, dass er der wichtigste österreichische Europapolitiker ist.
EU bringt seit 70 Jahren Wohlstand und Frieden
Die EU sorgt seit ihrer Gründung für Wohlstand, Frieden und Stabilität. Zu den vielen praktischen Vorteilen gehören die Abschaffung der Grenzkontrollen, kostenloses Roaming, eine gemeinsame Währung und Austausch- und Förderprogramme. Die Vergabe der Förderungen bleibt dabei im Wesentlichen aber eine Entscheidung der Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig steht Europa vor Herausforderungen, angefangen vom Klimawandel, über Armutsbekämpfung bis zur Migration, die wir nur gemeinsam lösen können.
„Die EU sorgt seit ihrer Gründung für Wohlstand, Frieden und Stabilität. Zu den vielen praktischen Vorteilen gehören die Abschaffung der Grenzkontrollen, kostenloses Roaming, eine gemeinsame Währung und Austausch- und Förderprogramme.“
Lösungen für diese Probleme erwarten auch die Befragten der Eurobarometer Umfrage. In Österreich werden an erster Stelle Maßnahmen gegen den Klimawandel gewünscht, gefolgt vom Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung, der Unterstützung der Wirtschaft und der Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Nationalisten bremsen EU-Entscheidungen
Im Verhältnis zu nationalen Wahlen ist die Beteiligung beim EU-Votum traditionell geringer und das Kräfteverhältnis kann sich im Europäischen Parlament mit wenigen Stimmen schnell ändern. Die kommende Abstimmung kann zur Schicksalswahl werden, um die Grundsatzfrage, ob Europa weiter einen gemeinschaftlichen Weg geht, oder ob sich Nationalisten durchsetzen, die bereits in einigen Mitgliedstaaten Regierungsverantwortung tragen. Dann wäre konstruktives Arbeiten nur schwer möglich. Denn schon jetzt stimmt der nationalistische Flügel des Europäischen Parlaments fast ausschließlich gegen neue Vorschläge und Richtlinien.
Wahl vor Cyberangriffen schützen
Bei der kommenden Europawahl wird auch Einflussnahme aus dem Ausland, mehr Desinformation und Angriffe auf die Demokratie befürchtet. Das Parlament fordert deshalb eine koordinierte Strategie, um die EU besser gegen ausländische Einmischung und Informationsmanipulation zu schützen. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Einmischung Russlands und Chinas in der EU und in Staaten, die der EU beitreten möchten – unter anderem den Westbalkanstaaten. Nach dem Verbot von TikTok im Europäischen Institutionen, drängt das Parlament darauf, die App, die im Verdacht steht, sensible Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer ohne Zustimmung zu verwenden, auch auf allen Regierungsebenen in den Mitgliedstaaten zu verbieten. Zudem soll Geräte und Software von Herstellern aus Hochrisikostaaten – insbesondere aus China und Russland – bei der Wahl ausgeschlossen werden.
Einmischung von Russland und China verhindern
Beeinflussung droht durch Online-Plattformen und Cyberangriffe ebenso wie durch verdeckte Finanzierung politischer Aktivitäten. Um zu verhindern, dass Gelder aus Drittstaaten über verbotene Transaktionen in das politische System der EU gelangen, fordern die Abgeordneten im Parlament die Rückverfolgung von Spenden zu erleichtern. „Auch in den Mitgliedsländern muss dringend gegen Spenden aus dem Ausland an politische Parteien vorgegangen werden“, appelliert Heide und fordert vor dem Hintergrund des rasanten technologischen Fortschritts und des anhaltenden Krieges Russlands in der Ukraine, die Vorkehrungen schnell umzusetzen.
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