Seit Jahrzehnten warnen Experten vor den Folgen der Klimakrise, trotzdem steigen die Schadstoff-Emissionen weiter an. Für Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, liegt das an profitgierigen Konzernen, mächtigen Lobbys und Verbänden wie der Wirtschaftskammer, die „Wirtschaft als unveränderliches Ding“ betrachten und jede Veränderung ablehnen. Im Interview schlägt sie Lösungen vor: Klimawandel-Gegner müssen aufgezeigt werden und die Politik muss langfristige Rahmenbedingungne für klimafreundliches Wirtschaften schaffen.
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Neue Zeit: Seit Jahrzehnten warnen Experten vor den Folgen des Klimawandels. Trotzdem steigen Schadstoff-Emissionen und Temperatur immer weiter an. Warum?
Katharina Rogenhofer: Der politische Wille war lange nur ein Lippenbekenntnis, bis heute. Das Pariser Klimaabkommen ist fünf Jahre alt, das Kioto-Protokoll noch älter (Anmerkung: Beides sind internationale Übereinkommen mit Zielen zum Klimaschutz). Seit 30 Jahren weiß die Wissenschaft relativ genau, dass wir einen Treibhaus-Effekt verursachen, der zur Klimakrise führt. Das Problem ist, dass die Auswirkungen des Klimawandels in den Ländern, die am meisten Emissionen verursachen, noch nicht genügend spürbar waren. Der globale Süden ist viel stärker von den Folgen betroffen, genauso wie ärmere Menschen.
Wo verhallen die Rufe nach einem stärkeren Klimaschutz?
Es gibt sehr mächtige und sehr reiche Lobbys, die beim Klimathema viel verhindern. Angefangen bei Think-Tanks in Amerika, die Bedenken streuen, ob es den Klimawandel überhaupt gibt. Genauso wie damals beim Tabakthema, als die Tabakindustrie verbreitete, Rauchen sei nicht schädlich. Aber auch in Europa wird in den Medien gestreut: „Klima-Aktivisten wollen uns nur die Autos wegnehmen“ oder „das geht alles zu schnell, das gefährdet die Wirtschaft“ – beides lenkt die Aufmerksamkeit davon ab, dass es dringend Handlungsbedarf gibt. Gerade Lobby-Gruppen in der besonders umweltschädlichen fossilen Branche haben viele Termine in Brüssel oder an anderen Stellen, wo Entscheidungen getroffen werden. Bei konkreten Beschlüssen muss man also genau hinsehen: Weisen sie Schlupflöcher oder klimaschädliche Anreize auf?
Sind die groß angekündigten Klimaziele der EU also nur Show?
Es sind eindeutig wichtige Schritte dabei. Vor zwei Jahren wäre noch gar nicht denkbar gewesen, dass auf EU-Ebene irgendjemand, wie jetzt die Kommissionspräsidentin, das Klima zum Herzensthema macht. Derzeit wird auch ein Klimaschutzgesetz im europäischen Parlament verhandelt. Da ist von einem Treibhausgas-Budget die Rede, von einem wissenschaftlichen Klimarat, von der Streichung fossiler Subventionen – das sind lauter gute Schritte, wenn sie so durchgehen. Aber das kürzlich verkündete EU-Ziel, die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent zu reduzieren, ist nicht genug. Aus wissenschaftlicher Sicht müssten wir die Ausstoße um mindestens 65 Prozent bis 2030 reduzieren.
Wer bremst denn in Österreich beim Thema Klimaschutz?
Rund um die Entscheidung der EU, die Emissionen um 55 Prozent reduzieren zu wollen, hat es zum Beispiel eine Aussendung der Wirtschaftskammer (WKO, Anm.) gegeben. Die WKO hat sinngemäß gesagt: Phu, minus 55 Prozent sind nicht einhaltbar bis halsbrecherisch. Bei solchen Aussagen habe ich das Gefühl, da steht ein wenig dynamisches Weltbild der Wirtschaft als unveränderliches Ding dahinter, Veränderungen werden abgelehnt. Wenn die WKO langfristig denken würde, dann würde sie sehen: Jeder verpasste Klimaschutz wird der Wirtschaft massiv schaden. Ich frage mich: Wen vertritt die WKO eigentlich und welche Interessen herrschen da vor?
Profitinteressen?
Nicht nur, aber natürlich auch. Wir haben nun mal ein sehr großes Unternehmen in Österreich, dessen Kerngeschäft es ist, fossile Brennstoffe herzustellen und zu verkaufen – die OMV, die noch immer keinen konkreten Plan hat, wie sie zu einem zukunftsfähigen Unternehmen werden könnte. Es gibt aber auch andere Beispiele, etwa die voestalpine. Die voest hat jetzt von sich aus einen Plan aufgestellt, wie Stahl klimaneutral produziert werden kann. Es einen langfristigen Plan, die Produktion nachhaltig zu ändern. Das wäre der wichtige Schritt und das erwarte ich mir auch von einem Verband wie der Wirtschaftskammer. Sie müsste ihre Mitglieder, die Unternehmen, dazu animieren, ihre Bedürfnisse auszusprechen. Sobald sie ausgesprochen sind, kann man politische Rahmenbedingungen für klimafreundliches Wirtschaften schaffen.
Aber dieser langfristige Aspekt wird nicht gesehen. Kurzfristig können wir vielleicht noch Gewinne machen, aber langfristig bringt uns das nirgends hin. Man muss Wirtschaft als dynamischen Sektor verstehen, der sich ja auch schon immer verändert hat. Im besten Fall ist eine WKO dazu da, zu helfen, dass die notwendigen Veränderungen passieren können, ohne dass Arbeitsplätze verloren gehen.
Was müsste denn passieren, um die Bremsklötze in Sachen Klimaschutz zu überwinden?
Viel. Die breite Klimabewegung rund um „Fridays for Future“ war sehr wichtig. Wir haben mitbekommen, dass in vielen Familien von Führungskräften in der Wirtschaft darüber geredet wurde. Da sind die Kinder am Tisch gesessen und haben gesagt: Mama oder Papa, ich finde das eigentlich nicht gut, was dein Konzern an Schaden für das Klima anrichtet. Außerdem haben wir mit dem Klimavolksbegehren die Chance gehabt, mit den Entscheidungsträgern zu reden und eine gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit dorthin zu lenken. Aber es braucht auch die politische Bereitschaft, Menschen mitzunehmen und richtige Rahmenbedingungen zu schaffen – für Wirtschaft, Gesellschaft und Klima.
Und wir müssen aufzeigen, wo es tatsächlich Bremser gibt. Wenn es strukturelle Bremsklötze gibt, die sich allen Gesprächen verweigern, muss man das aufzeigen und sagen: „So nicht“. Auch die müssen Teil der Zukunft werden. Oder man muss sich für solche Unternehmen was anderes überlegen.
Was muss man sich für Konzerne überlegen, die Millionen-Gewinne auf Kosten des Klimas machen? Sanktionen?
Auf gesellschaftlicher Ebene: ja. Es braucht eine Klarstellung und das klare Bekenntnis: Konzerne dürfen beim Klimaschutz nicht aus reinem Profitinteresse bremsen!