670.000 Überstunden und damit 40 Millionen Euro Mehrkosten hat der Schulstart alleine in Oberösterreich verursacht. Der Grund: Die Lehrkräfte fehlen. Die ÖVP setzt auf Quereinsteiger:innen und Studierende, um diese zu ersetzen. Dennoch steht das Schulsystem vor der Überlastung und die Lehrkräfte, die da sind, müssen unzählige Überstunden leisten.
Am Montag, den 8. September begann auch für die Schüler:innen in Westösterreich das neue Schuljahr. Für das Lehrpersonal bedeutet der Schulstart nicht überall ein freudiges Wiedersehen, sondern vor allem Überforderung. Alleine in Oberösterreich war der Schulstart nur durch 670.000 geleistete Überstunden möglich. Die SPÖ-Bildungssprecherin in Oberösterreich Doris Margreiter sieht die ÖVP in der Verantwortung:
„Ich bin überzeugt, dass auch hier mehr administratives Stützpersonal entgegenwirken könnte, der Ball liegt demnach sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene bei der ÖVP!“
Trotz Lehrer:innenmangel: Viele Lehrkräfte werden in Frühpension geschickt
Anfang der 2000er Jahre riet die damalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) Maturant:innen per Brief von der Karriere als Lehrer:innen ab. Es gäbe nicht genug Lehramtsstudienplätze und die Karrierechancen im Lehrberuf schienen bescheiden. Um arbeitslosen jungen Lehrer:innen den Jobeinstieg zu ermöglichen, wurde damals vom ÖVP-geleiteten Bildungsministerium das Vorruhestand-Modell geschaffen. Das sollte älteren Lehrpersonen den Berufsausstieg erleichtern. Das Modell setzt das Pensionsantrittsalter um fünf Jahre herab und verrechnet im Gegenzug einen Abschlag von fünf Prozent pro Jahr.
Mit Eintritt der Regelung im Jahr 2003 sind auf einen Schlag 2,6 Prozent aller Lehrpersonen – also 115.000 Pädagoginnen und Pädagogen – in Pension gegangen. Während die Belegschaft seither beständig schrumpft, werden die Anforderungen an Lehrkräfte immer größer. Sie bringen nicht nur den Stoff bei, sondern müssen immer mehr auch die erzieherische Arbeit von Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Eltern übernehmen.
Schulstart: Bundesheer, Quereinsteiger:innen und Studierende statt ausgebildeten Pädagog:innen
Um die Klassenzimmer wieder zu füllen, setzt die ÖVP seit 2022 mit der Kampagne Klasse Job vor allem auf Quereinsteiger:innen. Das sind Personen mit relevantem Studium und drei Jahren Berufserfahrung – in akuten Mangelsituationen reichen sogar eineinhalb (!) Jahre. Eine Person mit abgeschlossenem BWL-Studium ist beispielsweise berechtigt, Mathematik zu unterrichten. Zusätzlich muss der oder die Bewerber:in ein Eignungsfeststellungsverfahren durchlaufen. Das ist mit vielen administrativen Hürden und langen Wartezeiten verbunden. Und erschwert den Berufseinstieg zusätzlich. Die fehlende pädagogische Ausbildung soll berufsbegleitend nachgeholt werden. So sind rund 900 Quereinsteiger:innen in den Lehrberuf eingetreten – wobei einige bereits wieder am Austreten sind.
Auch Milizsoldat:innen wurden 2023 von Bildungsminister Martin Polaschek und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) als Lehrer:innen-Ersatz angedacht. Diese sollten gezielt als Quereinsteiger:innen rekrutiert werden und mit einem erhöhten Fokus auf „Landessicherheit“ an Schulen einhergehen.
Unterrichtszeiten überschneiden sich mit Uni-Kursen
Neben Quereinsteiger:innen sollen auch Studierende am Schulen unterrichten. Eine Direktorin aus Oberösterreich berichtet aber, dass die Kooperation mit Universitäten nicht so gut funktioniert wie erhofft. Anwesenheitspflichten an der Universität überschneiden sich mit Unterrichtszeiten. Studierende müssen deshalb mitten im Jahr wieder kündigen. Auch Nora Hassan, Vorsitzende der ÖH Uni Wien, teilt diese Auffassung:
„Was wir vor allem auch als Studierendenvertretung sehen können, ist, dass die meisten dann auch sehr schnell ausbrennen und dann keine Lust mehr haben oder nicht mehr können und deshalb dann das Studium abbrechen.“
Sie befürchtet, dass so der Lehrer:innenmangel langfristig sogar verschlimmert wird.
Wie kann der Schulstart in Oberösterreich ohne Lehrermangel gelingen?
SPÖ-Bildungssprecherin Margreiter meint, der Fokus müsse neben stärkerer Bewerbung des Lehrberufs auch auf administrativem Stützpersonal liegen. Dieses soll Lehrpersonen entlasten, damit sie sich wirklich auf den Unterricht fokussieren können. Eine Direktorin aus Oberösterreich fügt hinzu, dass es außerdem eine Initiative zur gesellschaftlichen Wertschätzung von Lehrpersonen brauche. Denn der Respekt gegenüber diesem anspruchsvollen Job ist in den vergangen Jahren verloren gegangen.
Es brauche nicht nur eine Lehrkraft, sondern Teams, um die Aufgaben des Schulalltags zu meistern – Administrationspersonal, Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Mediator:innen. Auch die Infrastruktur an Schulen müsse ausgebaut werden. Teilweise gäbe es viel zu kleine Räume für den Unterricht und kaum Arbeitsgeräte wie zum Beispiel Beamer. Viele Lehrpersonen haben momentan nicht einmal einen eigenen Arbeitsplatz an ihrer Schule. Die einzig langfristige Lösung wäre wie so oft eine ganzheitliche Lösung, statt nur Lücken zu füllen.