Der EU-Wiederaufbaufonds ist eine Chance für Jobs, Regionen, Digitalisierung und Umwelt. Doch die Bundesregierung will mit dem Geld lieber ihr Budget aufhübschen. Wirksame Arbeitsmarktprogramme fehlen im österreichischen Vorschlag völlig. Die Regionen kommen zu kurz.
In letzter Sekunde hat die Bundesregierung ihre Pläne für den EU-Wiederaufbaufonds nach Brüssel geschickt. Für Österreich bringt er 3,45 Milliarden an Förderungen, die die Republik nicht zurückzahlen muss. Bis 30. April war Zeit für die Planung. In den letzten Wochen wuchs die Sorge, die Bundesregierung würde die Frist ganz verschlafen. Am 15. April war es dann doch noch so weit: Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler und die zuständigen Ministerinnen und Minister präsentierten ihre Pläne. Oder besser gesagt: Sie präsentierten den Umstand, dass sie Pläne eingereicht haben. Wie die genau aussehen, wollten sie nämlich geheim halten. Die Bundesregierung selbst war angetan, sonst allerdings nur der ÖVP-EU-Kommissar Johannes Hahn. Von den meisten Expertinnen und Experten und der Opposition hagelte es Kritik, je mehr vom Inhalt der Vorschläge bekannt wurde.
Ausmauschelei im Hinterkämmerchen
Schon bei der Planung setzten Kurz‘ Ministerinnen und Minister von ÖVP und Grünen auf Geheimniskrämerei. Der steirische Abgeordnete Max Lercher (SPÖ) spricht von „Ausmauschelei im Hinterkämmerchen“. Eigentlich sollte die zuständigen Ministerinnen und Minister gemeinsam mit Gemeinden, Gewerkschaften, öffentlichen Betrieben und NGOs planen. In der Praxis sah das so aus, dass Europaministerin Karoline Edtstadler eine Mailadresse einrichtete, an die man Vorschläge schicken konnte. Punkt. Das war es dann nämlich auch schon wieder. Egal, wen man fragt: Rückmeldungen auf Einreichungen hatten Seltenheitswert.
Auch sonst konnte von Transparenz keine Rede sein. Welche Vorschläge griff die Bundesregierung auf, welche nicht und warum? Wer hat an den Plänen mitgearbeitet? Antworten auf all diese Fragen blieb die Bundesregierung schuldig. Beispielsweise in Deutschland sah das ganz anders aus. Dort wurde bereits letzten Dezember der Bundestag eingebunden. In Österreich überging die Bundesregierung den Nationalrat. „Wer wird profitieren? Wer war im Vorfeld eingebunden? Wieso hat es keinen Beteiligungsprozess der die Sozialpartner und NGOs, aber auch die Kommunen miteinbinden hätte müssen, gegeben?“ All das wüsste auch Lercher gerne. Nicht aus Liebhaberei, sondern weil die Bevölkerung ein Recht auf diese Informationen hat – und die EU Transparenz bei der Planung eingefordert hat.
Nur ein Projekt für die Steiermark
Viele der „neuen Pläne“ sind alles andere als neu. Zum Beispiel taucht der Koralm-Tunnel darin auf. Das ist nebenbei ist auch die einzige Stelle, an der die Steiermark erwähnt wird. Das Bundesland ist ansonsten scheinbar „mit gemeint“. Außerdem ist der Tunnel eigentlich schon lange geplant und in Arbeit, sollte also bereits budgetiert sein. „Nur 4% des Inhalts und 5 Projekte sind wirklich neu. In den ganzen 600 Seiten findet man kein einziges brauchbares konkretes Projekt für die Regionen!“, kritisiert Lercher deshalb. Dabei war eine weitere Vorgabe, dass das Geld für neue Projekte genutzt werden muss und nicht um das Budget zu beschönigen. Die Bundesregierung tut es trotzdem. Die meisten der angeblich „neuen“ Vorschläge sind direkt aus dem Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen übernommen.
Echte Arbeitsmarkinitiativen sucht man vergebens, kritisiert der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB). Die Milliarden aus Brüssel wären auch eine Chance gewesen, endlich dafür zu sorgen, die Pflege im ländlichen Raum neu auf die Beine zu stellen. Stattdessen ist in den Plänen der Bundesregierung lediglich von „Community Nursing“ die Rede. Das hatte bereits im Regierungsprogramm von Türkis-Grün für Kopfschütteln gesorgt.
Keine Ideen für neue Jobs
Daneben findet sich auch eine eigenwillige Uminterpretation: Das Pensionssplitting, wird nun plötzlich als Beschäftigungsmaßnahme für Frauen verkauft. Was am Pensionssplitting neu sein soll und wieso es Frauen nach der Corona-Krise zu neuen Jobs verhelfen sollte? Für die Arbeitsmarktexpertinnen und -experten vom ÖGB ist das eine Farce.
Ideen für mehr Jobs oder die längst überfällige Erhöhung des Arbeitslosengeldes fehlen in den Plänen der Bundesregierung für den Wiederaufbaufonds gänzlich. Dabei würde beides doppelt helfen. Denn wer wieder Arbeit hat, oder mehr Arbeitslosengeld bezieht, gibt auch mehr Geld aus. Das belebt die Wirtschaft. Für Lercher wurde eine Chance vertan, „hier endlich größer zu denken. Wo sind etwa Jobprogramme, wo bleiben groß angelegte Sanierungsprogramme?“