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Die geplante Pflegelehre löst kein einziges Problem! ¾ der Pfleger:innen schaffen Job nicht bis zur Pension

Image by Freepik

100.000 Pflegekräfte braucht Österreich bis 2030. Um den Arbeitskräftemangel zu lösen, startet die Regierung ab 1. September die Pflegelehre für Jugendliche. Doch schon jetzt schaffen es 3/4 aller Pfleger:innen nicht in ihrem Job in Pension zu gehen, weil die Arbeit körperlich schwer und auch mental enorm belastend ist. Die Pflegelehre ist eine Nebelgranate der Bundesregierung – sie verschleiert die eigentlichen Probleme im Pflegeberuf und verheizt Jugendliche, die sich eine Arbeit in der Pflege vorstellen könnten, meint Paul Stich.

Selten ist man sich in Österreichs Parteienlandschaft derartig einig, wie in der Tatsache, dass eine gewaltige Pflegeoffensive vonnöten ist. Diversen Prognosen zufolge dürften bis 2030 zwischen 75.000 und 100.000 neue Pflegekräfte gebraucht werden, um den Bedarf der österreichischen Gesellschaft zu decken. Neben Werbekampagnen und Appellen glaubt die Bundesregierung mit der Pflegelehre nun den goldenen Schlüssel zur Lösung des Problems gefunden zu haben. Künftig soll es also möglich sein, bereits im Jugendalter in den Beruf einzusteigen.

Schlechte Bezahlung und auslaugende Arbeit: Die Ursachen der Pflegekrise

Auf eine Knappheit an Arbeitskräften wird mit einer Erweiterung der Berufsmöglichkeiten reagiert. Würde die Problematik auf ein rein zahlenmäßiges Problem zurückzuführen sein, wäre diese Schluossfolgerung nachzuvollziehbaren und logisch. Doch die Situation ist weit komplexer als das. Denn die Knappheit an Pflegekräften entspringt keiner ur plötzlichen, sondern höchstens einer langfristigen Steigerung des Pflegebedarfs. Ganz im Gegenteil: Sie geht auf Gründe zurück, die im Pflegesystem selbst beheimatet sind.

Zu wenig Persona, schlechte Arbeitsbedingungen: In Niederösterreich steht die Pflege an der Kippe. Bild: Pexels/Cedric Fauntleroy
Bild: Pexels/Cedric Fauntleroy

Das belegen auch die Zahlen: Während in vielen anderen Berufsfeldern die Durchgängigkeit bis zum Ruhestand die gelebte Praxis ist, sind die KollegInnen im Bereich der Pflege weit davon entfernt. Schlechte Bezahlung, enormer psychische und physische Belastung im Arbeitsalltag und familien-unfreundliche Dienstpläne sind nur einige Aspekte schlechter Arbeitsbedingungen. 

Sie alle führen dazu, dass die Pflege als Beruf unattraktiv bis unausführbar für Arbeitnehmer:*innen wird. Regelmäßige Arbeitskämpfe rund um die Kollektivvertrags-Verhandlungen zeugen davon. Drei Viertel der Beschäftigten in der Altenpflege geben an, dass sie nicht glauben, ihren Beruf bis zur Pension auszuüben. Die durchschnittliche Verweildauer in der Pflege liegt Erhebungen zufolge zwischen sechs und zehn Jahren.

Pflegelehre besteht Praxistest nicht – In der Schweiz brechen 60 Prozent der Jugendlichen die  Pflegelehre ab

Jugendliche sind im Erwachsenwerden in einer stetigen Entwicklung. Sie unter diesen Voraussetzungen in den Beruf zu schicken, kann daher auch zum gegenteiligen Effekt als beabsichtigt führen. Denn der tägliche Umgang mit Leid und Tod kann gerade in diesem Alter zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen. In der Schweiz, in der die Pflegelehre bereits Realität ist, tritt genau dieses Szenario ein. Die Drop-Out-Quote liegt dort bei rund 60%. Anstatt die Problematik langfristig zu lösen, verschlimmert sie die Situation damit auf lange Sicht. Denn viele junge Menschen, die sich grundsätzlich ein Leben in der Pflege vorstellen könnten, werden oft für immer abgeschreckt abgschreckt und verheizt.

Die Pflegelehre aus diesen Gründen abzulehnen gleicht auch keiner Diskriminierung, wie manch neoliberale Prediger in ihren Nebelgranaten behaupten mögen. Für viele Berufe wie auch andere Dinge des gesellschaftlichen Lebens (etwa dem Führerschein) erwarten wir eine bestimmte geistige und körperliche Reife, die wir an einem Lebensalter festmachen. Das hat nichts mit Diskriminierung, sondern vielmehr mit verantwortungsvollem Handeln zu tun. 

Die Pflege aus den Fängen der Profitgier befreien

Statt kurzfristiger Scheinlösungen und Nebelgranaten braucht es echte Ursachenforschung und nachhaltige Veränderung. Diese beginnt mit einer grundsätzlichen Frage. Wieso lassen wir zu, dass mit einem Grundbedürfnis wie Pflege fette Profite auf dem Rücken von Beschäftigten, wie den zu Pflegenden gemacht wird? 

Die Bedingungen in der Pflege sind nicht vom Himmel gefallen, sondern sind das Ergebnis politischer Auseinandersetzungen. Es braucht daher vor allem zwei Dinge. Einerseits das politische Bekenntnis, die Pflege als zentralen Bereich der Daseinsvorsorge aus den Fängen der Profitgier zu befreien – sprich private Profite mit Pflege zu verbieten. 

Andererseits reicht das alleine noch nicht, wenn auch im staatlichen Bereich die Arbeitsbedingungen weit hinter den notwendigen Standards zurückbleiben. Daher gilt es gesellschaftliche Mehrheiten mit entschlossenen Belegschaften an der Spitze herzustellen, die dem System der Stechuhr-Pflege ein für alle Mal ein Ende bereiten.


Gerade die niedrige Verweildauer im Beruf zeigt: Es gibt keinen Mangel an Pflegekräften, sondern einen Mangel an politischer Bereitschaft, die Pflege als Berufsfeld zu attraktiveren. Denn das Problem liegt nicht darin, dass es keine Menschen gibt, die sich für den Beruf mit Menschen begeistern können. Sondern in den Umständen, die das Pflegesystem aktuell aus sich selbst produziert. 

Solange sowohl die miserablen Arbeitsbedingungen, die fehlende mentale Unterstützung für Pflegerinnen  und Pfleger und die niedrige Bezahlung  dieses Problem von der Bundesregierung ignoriert wird, wird sich an der Situation nichts ändern. Höchste Zeit also, die Krise im Pflegebereich zu beseitigen. Die Pflegelehre ist dabei jedoch ein Schritt in die falsche Richtung. 

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