Bis zu 38.000 Wohnungen stehen in Graz leer. Dennoch geht die Bauwut ungebremst weiter. Treibende Kraft sind dabei vor allem private Immobilienkonzerne. Die ungeregelte Bautätigkeit führt dazu, dass immer mehr Grünflächen in der steirischen Landeshauptstadt verschwinden. Jetzt fordert die SPÖ Graz einen sofortigen Baustopp. Im Gemeinderat lehnte die türkis-blaue Koalition einen entsprechenden Antrag ab. Bürgermeister Nagl (ÖVP) stellte sich damit erneut auf die Seite der Immobilienkonzerne.
Profitgetriebene Bauwut führt zum Verlust von Grünflächen
Graz ist die am schnellsten wachsende Stadt Österreichs. Zu Beginn des Jahrhunderts lebten 226.000 Menschen in der steirischen Landeshauptstadt. Anfang 2020 zählte Graz bereits 291.072 Einwohner. Es ist angesichts dieses Wachstums notwendig, für mehr Wohnraum zu sorgen. Anstatt jedoch den öffentlichen Wohnbau als Steuerungselement zu verwenden, überließ Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) das Feld weitgehend privaten Investoren.
Als Folge herrscht seit Jahren hemmungslose Bauwut. Gleichzeitig sind die meisten neuen Wohnungen zu klein und zu teuer. Diese Entwicklung führte dazu, dass mittlerweile bis zu 38.000 Wohnungen leer stehen. Trotzdem nimmt die Verbauung in der Stadt weiter zu. Alleine seit dem Jahr 2012 fielen 68 Hektar der Bauwut zum Opfer. Diese Fläche ist deutlich größer als die Vatikanstadt.
Die Hauptverantwortung für diese Fehlentwicklung liegt bei privaten Investoren, die alleine 2019 ganze 250 Millionen Euro in den Grazer Wohnungsmarkt pumpten. Und bei der türkis-blauen Stadtregierung, die den öffentlichen Wohnbau vernachlässigte. Nachdem Bürgermeister Nagl dem Treiben der Immobilienkonzerne jahrelang zusah, hat er sich jetzt immerhin dazu durchgerungen, einen Arbeitsausschuss zur Stadtentwicklung einzusetzen, der sich mit dem Problem befasst. Bis konkrete Vorschläge ausarbeitet sind, wird jedoch noch viel Zeit vergehen.
SPÖ Graz fordert sofortigen Stopp der Bauwut von Investoren
Während der Arbeitsausschuss zur Stadtentwicklung dabei ist, Wege aus der Wohnungskrise zu entwickeln, geht die Bauwut der Immobilienkonzerne in Graz weiter. Die SPÖ spricht sich daher für einen sofortigen Baustopp aus. Kein profitorientiertes Investorenprojekt, das mehr als 8 Wohneinheiten umfasst, soll mehr genehmigt werden. Bereits im Bau befindliche Projekt, welche diese Größenordnung überschreiten, müssen dem sozialdemokratischen Vorschlag zufolge sofort gestoppt werden. Der Baustopp würde so lange gelten, bis der Stadtentwicklungsausschuss Vorschläge zur Bewältigung des Verbauungsproblems vorlegt. Ausgenommen sind Häuslbauer, Gemeindewohnungen und der geförderte gemeinnützige Wohnbau.
SPÖ-Chef Michael Ehmann fasste die sozialdemokratische Position im Gemeinderat so zusammen: „Im Zweifel gegen den Beton – soll heißen: Gewachsene, charakteristische Strukturen und der Grünraum dürfen nicht dem Bagger zu Opfer fallen und durch Betonklötze ersetzt werden. Dagegen werden wir uns weiter stemmen – die Anrainerinnen und Anrainer unterstützen und im Gemeinderat dagegen stimmen!“
ÖVP und FPÖ weigern sich, die Bauwut zu stoppen
Im Rahmen der Gemeinderatssitzung am 8. Juli wurde der sozialdemokratische Vorschlag kontrovers diskutiert. Wenig verwunderlich stimmte die ÖVP gegen den Baustopp und stellte sich damit auf die Seite der Immobilienkonzerne. Sie berief sich wie schon in der Frage der Leerstandsabgabe auf unkonkrete juristische Vorbehalte. Anschließend sprach die Partei dem Baustoff Beton großes Lob aus. Den Holzbau kritisierte sie hingegen. Stadtrat Riegler (ÖVP) bekannte gegen Ende der Debatte offen, dass man gegen „den Markt“ nichts machen könne. Es machte aber den Eindruck, als ob die Türkisen nichts gegen Immobilienkonzerne machen wollen.
Überraschender war die Tatsache, dass sich die FPÖ durchaus positiv zum sozialdemokratischen Vorschlag äußerte. Letztlich konnte sie sich trotz der bereits zerbrochenen türkis-blauen Koalition nicht zu einer Zustimmung durchringen. Die Stimmen von Grünen und KPÖ, die den Antrag unterstützten, reichten nicht für eine Mehrheit aus. Damit wird die Bauwut mit all ihren negativen Folgen weitergehen.