Der türkis-grünen Regierung ist ein mediales Kunststück gelungen – wieder einmal. Das von Kurz und Co. geplante „Freitesten“ in Österreich ist abgesagt, der Lockdown dauert daher für alle noch bis mindestens 24. Jänner. Das Vorhaben scheiterte, weil es gesundheitspolitisch nicht sinnvoll und rechtlich bedenklich ist. Anstatt das eigene Versagen einzugestehen, gibt die Regierung jetzt aber der Opposition die Schuld am verlängerten Lockdown. Die meisten Medien spielen mit und berichten getreu der Message Control der Regierung über eine „Blockade der Opposition“ statt über ein „Versagen der Regierung“.
Die Corona-Politik der Regierung folgt meist einem einfachen System: Bundeskanzler Kurz kündigt groß inszeniert eine neue Maßnahme an, ohne sie zuvor mit Experten, der Opposition oder sogar dem eigenen Regierungspartner abzusprechen. Von den großen Vorhaben bleibt in der Regel wenig übrig. So geschehen etwa bei den Corona-Massentests vor Weihnachten. Mit deren Ankündigung überraschte Kurz anfänglich selbst Gesundheitsminister Anschober. Die Bilanz der Massentests ist ernüchternd: Nur ein Viertel der Bevölkerung nahm das Angebot an, bei der Beschaffung der Tests pfuschte die Regierung und verschleuderte insgesamt 93 Millionen Euro an Steuergeld.
Das Freitesten in Österreich ist abgesagt
Beim geplanten „Freitesten“ scheint sich die Geschichte jetzt zu wiederholen. Noch vor Weihnachten kündigten Kurz und Co. an, dass sich alle Österreicherinnen und Österreicher Mitte Jänner freiwillig „freitesten“ können. Wer einen negativen Corona-Test vorweisen kann, sollte ab 18. Jänner wieder Gastronomie oder Veranstaltungen besuchen können. Aber aus dem Plan der Regierung wird nichts: Er wird von Experten und der Opposition aus mehreren Gründen abgehlehnt und kann daher nicht umgesetzt werden. Die Oppositionsparteien bezweifeln die Sinnhaftigkeit des Vorhabens und kritisieren die zu kurze Begutachtungsfrist des Gesetzes-Entwurfs.
Trotz des eigenen Versagens versucht die Regierung, der Opposition die Schuld am Scheitern des schlampigen Gesetzes-Vorschlags zu geben. Mit Erfolg: Die meisten Medien übernehmen die Botschaft der Regierung, die Message Control von Sebastian Kurz funktioniert – wieder einmal.
Opposition kritisiert „rechtlich bedenklichen Blankoscheck“
ÖVP-Klubchef August Wöginger erklärt das Scheitern des Freitestens so: „Die Opposition hat sich geschlossen einbetoniert“. Dabei hatten SPÖ, FPÖ und NEOS gar nicht wirklich Zeit zum Betonieren: Sie erhielten den entsprechenden Gesetzesentwurf erst zu Silvester. Bereits drei Tage später endete die Begutachtungsfrist für den Entwurf. Viel zu kurz für ein derart heikles Gesetz mit Eingriffen in die Grundrechte, kritisiert die SPÖ. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner lehnt den „rechtlich bedenklichen Blankoscheck“ ab. Der Entwurf gebe dem Gesundheitsminister etwa die Möglichkeit, Ausgangssperren oder auch den Zugang zur Grundversorgung verbindlich an einen Test zu knüpfen. Diese umfangreichen Befugnisse würden zu weit gehen, zudem seien noch zu viele Fragen offen. Deshalb verweigern die Sozialdemokraten, ebenso wie FPÖ und NEOS, ihre Zustimmung.
Die Regierung könnte das Gesetz zum Freitesten mit ihrer Mehrheit zwar im Nationalrat beschließen. Die Opposition wiederum kann das Vorhaben dann im Bundesrat – dort haben SPÖ, FPÖ und NEOS eine Mehrheit – aber so lange verzögern, bis der Freitest-Termin vorbei ist. Deshalb scheitert der Regierungs-Plan – das Freitesten kommt nicht. Der Lockdown gilt daher österreichweit noch bis mindestens 24. Jänner ohne Ausnahmen.
Die Strategie der Regierung: den anderen die Schuld geben
Nicht nur die Oppositionsparteien, auch Expertinnen und Experten kritisieren das Konzept des Freitestens. Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl, eine Beraterin der Regierung, hält es für „ein Problem“, dass auch ein eine Woche altes Testergebnis noch als Nachweis zählen sollte. Die Schnelltests hätten aber nur für den jeweiligen Tag Gültigkeit. Eine Lockerung des Lockdowns sei aufgrund der nach wie vor hohen Infektionszahlen derzeit ohnehin nicht ratsam.
Die Botschaft der Regierung, die Opposition habe durch ihre Blockade den Lockdown verlängert, reiht sich nahtlos in die Kommunikations-Strategie der Regierung ein. Kurz und Co. versuchten während der Corona-Pandemie schon mehrmals, andere für das eigene Scheitern verantwortlich zu machen. Als der Bundeskanzler etwa im Frühling bei einer Veranstaltung im Kleinwalsertal den Mindestabstand zu den Besuchern ignorierte und nach Auftauchen eines Videos dafür kritisiert wurde, gab er den Einwohnern des Kleinwalsertals die Schuld dafür, anstatt sich selbst zu entschuldigen.