In seinen vergangenen Karrierestationen ist Karl Nehammer nicht ohne Skandale ausgekommen: Als er türkiser Generalsekretär war, plante die ÖVP eine Überschreitung der gesetzlichen Wahlkampfkosten. Und als Innenminister ignorierten seine Behörden mehreren Warnungen vor dem späteren Wien-Attentäter. Jetzt soll Nehammer Kanzler werden.
Die Skandale in der Karriere von Karl Nehammer
Österreich bekommt einen neuen Kanzler – schon wieder. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler, dem späteren Rücktritt von Sebastian Kurz als ÖVP-Parteichef und dem kurz darauf erfolgten Rücktritt von Alexander Schallenberg als Bundeskanzler soll jetzt Karl Nehammer ins Kanzleramt einziehen.
Der ÖVP-Parteivorstand designierte den bisherigen ÖVP-Innenminister als neuen Parteichef und Bundeskanzler. Und das, obwohl Nehammer in den letzten Jahren für einige Polit-Skandale gesorgt hat: Als Innenminister ignorierten seine Behörden mehrere Warnungen vor dem späteren Attentäter von Wien und ließen Schulkinder mitten in der Nacht abschieben. Als Nehammer türkiser Generalsekretär war, plante die ÖVP eine bewusste Überschreitung der Wahlkampfkosten.
Nehammers Behörden ignorierten mehrere Warnungen vor dem späteren Wien-Attentäter
Am 2. November 2020 erschoss ein Terrorist in Wien vier Menschen, zahlreiche weitere wurden schwer verletzt. Später zeigt ein Bericht der Untersuchungs-Kommission zum Terroranschlag: Die Behörden von Karl Nehammer, damals Innenminister, wurden im Vorfeld des Anschlags mehrfach über den späteren Attentäter informiert.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – es untersteht dem Innenministerium – hatte den späteren Attentäter K.F. schon lange vor dem Anschlag auf dem Radar. Die sogenannte „Gefahreneinschätzung“ zog sich jedoch über zehn Monate, erst für Mitte November 2020 plante das BVT eine Besprechung zu K.F. Aber der Attentäter kam den Börden zuvor und schlug am 2. November 2020 zu.
K.F. war vorbestraft, weil er sich dem IS in Syrien anschließen wollte. Das war den Behörden bekannt. Trotzdem passierte nichts oder zu wenig. Nehammers Innenministerium schritt selbst dann nicht ein, als slowakische Behörden ihre österreichischen Kollegen warnten: K.F. habe in der Slowakei versucht, große Mengen an Sturmgewehr-Munition zu kaufen. Die Kommunikation zwischen den österreichischen Behörden habe versagt, so das Fazit des Untersuchungsberichts.
Nehammer schob Schulkinder mitten in der Nacht ab
So langsam und milde wie beim Attentäter von Wien waren Nehammers Behörden aber nicht überall. Für viel Aufsehen sorgte eine Nacht-und-Nebel Aktion, bei der es dem damaligen Innenminister offenbar gar nicht schnell genug gehen konnte: Im Jänner 2021 ließ Nehammer mitten in der Nacht die 12-jährige Tina und ihre Schwester Lea (5) nach Georgien abschieben.
Die beiden Kinder wurden in Österreich geboren und gingen hier jahrelang in die Schule. Das Land, in das sie abgeschoben wurden, kannten sie bis dahin nur aus Erzählungen.
Mitarbeiter von Nehammers Verfassungsschutz verhalfen dem Wirecard-Kriminellen Jan Marsalek zur Flucht
Der spätere Wien-Attentäter und vorbestrafte IS-Sympathisant K.F. darf frei herumlaufen, aber zwei Schulkinder werden in der Nacht außer Landes gebracht – diese Zustände in Verfassungsschutz und Innenministerium setzen sich auch in einem anderen Fall fort.
Mitarbeiter des Verfassungsschutzes BVT arbeiteten nebenberuflich für den Finanzdienstleister „Wirecard“. Das Unternehmen bot elektronischen Zahlungsverkehr und Kreditkarten an. Später stellte sich heraus: Es war ein einziger Schwindel. „Wirecard“ bilanzierte ein Vermögen von mindestens 1,9 Milliarden Euro, das gar nicht existierte.
Nach Auffliegen der falschen Finanz-Geschäfte sollen zwei BVT-Mitarbeiter dem international gesuchten „Wirecard“-Boss Jan Marsalek sogar zur Flucht verholfen haben.
Nehammers ÖVP plante die Überschreitung der Wahlkampfkosten für Sebastian Kurz
Bevor Nehammer Innenminister wurde, war er zwei Jahre lang Generalsekretär der ÖVP. Als solcher managte er 2019 den Nationalrats-Wahlkampf von Sebastian Kurz. In diesem Wahlkampf hat die ÖVP bewusst geplant, die gesetzliche Wahlkampfkosten-Obergrenze zu überschreiten. Diesen Vorwurf der Wochenzeitung “Falter” hat später das Oberlandesgericht Wien bestätigt.
In den letzten 82 Tagen vor einer Nationalratswahl dürfen Parteien nicht mehr als sieben Millionen Euro für den Wahlkampf ausgaben – so will es das Gesetzt. Das soll eine faire Wahlauseinandersetzung ermöglichen. Nicht die Spenden von reichen Parteigönnern sollen entscheiden, sondern die Wählerinnen und Wähler.
2019 hatte eine Partei bewusst vor, sich nicht daran zu halten: die ÖVP unter Generalsekretär Karl Nehammer. Sebastian Kurz gewann die Wahl und wurde zum zweiten Mal Kanzler. Jetzt folgt ihm Nehammer nach.