Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich rasch und nimmt Einfluss auf unsere Arbeit. Wir nutzen KI bereits in vielen Lebensbereichen. Als Digitale Assistenten am Smartphone oder PC, zur Websuche, als automatische Übersetzungshilfen… Wie wirkt sich KI in Zukunft auf unsere Arbeit aus? Müssen wir uns Sorgen machen? Die NeueZeit hat mit Arbeitsforscherin, Unternehmensberaterin und Autorin Lena Marie Glaser gesprochen.
NeueZeit: Frau Glaser, sie beschäftigen sich mit der Frage, wie Arbeit sich in der Zukunft verändern muss, dabei spielt auch KI eine wesentliche Rolle. Wie wird Künstliche Intelligenz (KI) die Arbeitswelt verändern, welche neue Berufe werden entstehen?
Lena Marie Glaser: Es ist sehr wahrscheinlich, dass neue Berufe entstehen werden, KI wird dabei zunehmend eine zentrale Rolle spielen. Zu Bereichen der Zukunft, denke ich beispielsweise an die Medizin oder Jobs bei der Bewältigung der Klimakrise. Darüber hinaus wird es auch einen erheblichen Bedarf an Fachkräften für die technische Entwicklung von Künstlicher Intelligenz geben. Es gewinnen voraussichtlich auch Berufe im Sozial- und Pflegebereich an Bedeutung. Überall dort wo eben die Technologie ihre Grenzen hat. Denn künstliche Intelligenz ist keine menschliche Intelligenz.
„Es werden ganz neue Berufsfelder entstehen, die wir jetzt noch gar nicht so am Radar haben.“
Im besten Fall trägt die KI dazu bei, dass unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft gerechter werden. Grundlegend ist hier, dass die Menschen mitgenommen und nicht zurückgelassen gelassen werden bei der digitalen Veränderung.
NeueZeit: Eine vor kurzem durchgeführte Umfrage zeigt, mehr als ein Drittel der Österreicher:innen macht sich Sorgen, welche Auswirkungen Künstliche Intelligenz auf ihre Arbeitsplätze hat. Sind diese Sorgen begründet?
Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht. Was klar ist, der Fortschritt bei der KI geht sehr viel schneller, als gedacht. Auf den Arbeitsmarkt bezogen heißt das, viele traditionelle Berufsfelder werden sich demnächst maßgeblich verändern.
„Es ist eine berechtigte Sorge und da ist die Politik auch gefragt, entsprechende Antworten zu setzen. Allerdings werden jetzt nicht von heute auf morgen alle Jobs plötzlich wegfallen, das ist ein schleichender Prozess.“
Ein wichtiger Aspekt ist die Qualifizierung und die Beteiligung der betroffenen Menschen. Sie müssen eingebunden und dabei unterstützt werden, sich auf diese digitale Veränderung einzustellen. Wir müssen alle erst lernen mit der Künstlichen Intelligenz zusammenzuarbeiten. Die Menschen fühlen sich heute schon mit der zunehmenden Digitalisierung überfordert, weil sie nicht begleitet werden.
KI kann im besten Fall ein Werkzeug sein, um uns Arbeit abzunehmen und uns in Zukunft zu entlasten. Sie kann aber auch, das ist die große Gefahr, die ich sehe, eingesetzt werden, um die Menschen zu kontrollieren und noch mehr Druck aufzubauen.
NeueZeit: In den letzten Monaten wird viel über ChatGPT gesprochen. Ein KI-Chatbot, der mit Nutzern mittels Textnachrichten interagiert. Welche Berufe werden davon eher betroffen sein?
ChatGPT ist heute das beste Beispiel, wie es ist, mit einer KI zu kommunizieren. Bei der Interaktion zeigt sich eben auch, dass die richtigen Fragen gestellt und die Antworten kritisch hinterfragt werden müssen. Dazu sind besondere Skills und Kompetenzen notwendig, dazu zählt kritisches Denken, Kreativität und digitale Medienkompetenz. Denn die Qualität der Antworten hängt maßgeblich davon ab, welche Fragen man stellt, wie man sie verwendet und nutzt. Es braucht ganz andere Kompetenzen und deswegen ist es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft damit auseinandersetzen. Jede Berufsgruppen kann hier grundsätzlich betroffen sein. Dazu zählt auch meine Profession, die der Juristin.
„Es sind nicht nur die Berufe, an die wir zunächst denken, die scheinbar leicht ersetzbar sind, sondern auch Berufe, die in unserer Wahrnehmung einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft haben, die sich auch verändern werden.“
Es betrifft alle als Gesellschaft, und zwar wirklich grundlegend.
NeueZeit: Wie sieht eine ideale Arbeitswelt in der Zukunft aus?
Viele Menschen erleben Arbeit heute als Belastung. Aufgrund der Beschleunigung, dem Druck, und des Dauer-Stress sind viele überfordert und unzufrieden. Ständig im Hamsterrad zu rennen, das wollen die Menschen nicht mehr. Der Wunsch ist daher derzeit sehr groß nach einer Arbeitszeitverkürzung, besserer Vereinbarkeit und höhere Lebensqualität.
„Unternehmen müssen bessere Rahmenbedingungen schaffen. Gerade die jüngere Generation prescht da voran und fordert das ganz selbstbewusst von den Arbeitgebern auch ein.“
Mit meinem Think Tank, dem Zukunftslabor für neues Arbeiten, berate ich Unternehmen und öffentliche Institutionen. Da lässt sich derzeit klar beobachten, dass die Angst vor dem Personalmangel hier eine ordentliche Dynamik hineingebracht hat. Es „gehört dazu“ sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Doch Achtung, vor der „Bullshit“-Falle! Denn falsche Versprechungen funktionieren nicht mehr. Wer flache Hierarchien und Flexibilität in Stellenausschreibungen anbietet, muss das auch einlösen können. Junge Beschäftigte lassen sich nicht von Unternehmen an der Nase herumführen und wollen faire Arbeitsbedingungen. Sonst sind die neuen Mitarbeitenden sehr schnell wieder weg. Es muss ganz maßgeblich darum gehen, dass es den Menschen gut geht, also das Wohl der Menschen muss immer die oberste Prämisse sein.
Die ideale Zukunft der Arbeit sieht also so aus, dass der Mensch und nicht die Unternehmensgewinne im Mittelpunkt stehen.
Internationale Vereinbarungen, wie z.B. die 17 SDGs (Sustainable Development Goals, Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen) verpflichten die Staaten und Unternehmen sogar dazu, dass sie gute Arbeitsbedingungen und Wohlbefinden der Menschen gewährleisten.
NeueZeit: Wie sollen sich die Menschen und Unternehmen vorbereiten?
Hier gibt es keine einfachen Antworten, aber im Kern geht es ums Lernen, Weiterbildung und Beteiligung. Persönlich kann man sich vorbereiten, in dem die Technologien spielerisch ausprobiert. Ganz ohne Druck, so lernt im eigenen Tempo damit umzugehen. Es kann Spaß machen, sich von der digitalbegeisterten Kollegin oder den Kindern neue Technologien zeigen und erklären zu lassen. Wichtig ist, sich damit auseinandersetzen. Doch viele Menschen haben Ängste davor, und wollen sich daher gar nicht damit beschäftigen. Nicht verschließen, sondern versuchen es auszuprobieren, um diese Ängste vor Künstlicher Intelligenz zu nehmen.
Die Verantwortung darf nicht auf der einzelnen Person lasten. Es ist notwendig in Betrieben, dort wo die Menschen arbeiten, niederschwellige Schulungsangebote anzubieten und psychologische Beratung zu Verfügung zu stellen.
Auf politischer Ebene müssen die Rahmenbedingungen und Programme geschaffen, bzw. gebündelt, leicht zugänglich und sichtbar gemacht werden. Aus meiner Perspektive sind hier alle gefragt, an einem Strang zu ziehen.
Die Wirtschaft und die Politik müssen die Menschen auf Augenhöhe einbinden, alle müssen an einem Strang ziehen, weil nur so die großen Herausforderungen gemeistert und die Zukunft fair gestaltet wird.