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Neuer Müllfänger fischte 29 Tonnen Plastik aus dem Pazifik: „Können unsere Meere von Plastik befreien”

Der Müll-Fänger zog 29 Tonnen Plastikmüll aus dem Meer. // Fotocredit: “The Ocean Cleanup”

„Jenny“ hat mit einer Fahrt 29 Tonnen Plastik aus dem Meer gefischt. Der von der NGO The Ocean Cleanup entwickelte Plastikmüll-Fänger ist ein „Meilenstein“. Und erst ein Zwischenschritt: Künftige Fänger sollen noch mehr Müll aus den Ozeanen ziehen. Sie könnten mögliche Lösungen für den Plastikmüll im Meer sein.

Seit 2018 hat es sich die NGO The Ocean Cleanup zur Mission gemacht, die Weltmeere von Plastikmüll zu befreien. „Jenny“ ist nach „Wilson“ das zweite System, um dieses Ziel zu erreichen. Die Funktionsweise scheint simpel: Jenny ist das „schlechteste Fischernetz der Welt“, das nur Plastik, aber keine Tiere einfängt.

Ein etwa 800 Meter langes Netz wird an beiden Enden von Schiffen gezogen und U-förmig durch das Wasser navigiert. Entlang der Seitenflügel wird das an der Oberfläche schwimmende Plastik zum Mittelteil geführt, wo es in einer Speicherzone eingesammelt wird. Wenn diese gefüllt ist, was etwa alle paar Wochen passiert, werden die beiden Enden auf einem Schiff zusammengeführt, während das andere die Speicherzone verschließen und abtrennen kann, um den gesammelten Müll an Bord zu laden. Anschließend kann der Plastikmüll an Land gebracht und zum Recycling weitergeleitet werden.

Lösungen für Plastikmüll im Meer: Die Konstruktion der NGO wird von zwei Schiffen gezogen.
Lösungen für Plastikmüll im Meer: Die Konstruktion der NGO wird von zwei Schiffen gezogen. // Fotocredit: “The Ocean Cleanup”

Den gelungenen Testlauf von „Jenny“ sieht Boyan Slat, Gründer von The Ocean Cleanup, als Meilenstein. Er sei der endgültige Beweis, dass es möglich ist, die Meere vom Plastikmüll zu befreien. Dazu bräuchte es lediglich 3.000 weiterer solcher Einsätze von „Jenny“. Doch das ist nicht das Einzige, was die NGO in Planung hat: Durch kontinuierliche Datenerfassung und Präzisierung der Computermodelle zur Berechnung der Meeresströmungen soll das System in Zukunft vergrößert werden können, um noch größere Mengen Plastik auf einmal einsammeln zu können.

Lösungen für Plastikmüll im Meer: Flüsse dürfen das Meer nicht verschmutzen

Das eigentliche Problem ist laut der NGO aber, dass ständig neues Plastik in die Ozeane gelangt. Dafür hat The Ocean Cleanup seit 2016 auch ein Team für das Sammeln von Plastikmüll in Flüssen, um zu verhindern, dass dieser überhaupt erst ins Meer gelangt. Die NGO hat herausgefunden, dass 80% der Meeresverschmutzung durch Flüsse von nur 1.000 Füssen weltweit verursacht wird. Diese 1.000 Flüsse sollen daher mit dem System „The Interceptor“ (deutsch: „Der Abfänger“) ausgestattet werden, das den Plastikmüll gleich vor Ort einsammelt und zum Recycling weiterleitet.

Nur ein Bruchteil des Plastikmülls im Meer treibt auch tatsächlich aufs offene Meer hinaus. Trotzdem bilden sich in den sogenannten subtropischen ozeanischen Wirbeln große Ansammlungen von Plastik. Das „Great Pacific Garbage Patch“, die größte dieser Ansammlungen im Nordatlantik, umfasst eine Fläche der Größe von Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen. Durch die Strömungen in den Wirbeln wird das Plastik dort eingefangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder an Land treibt, ist verschwindend gering.

Sobald der Müll einmal ins offene Meer treibt, ist zu erwarten, dass er dort für sehr lange Zeit verweilt. Allein mit der natürlichen Abbauzeit von Plastik würde es wohl Jahrhunderte dauern, bis die Müllstrudel von selbst eliminiert werden würden.

Kleine Plastikteilchen werden im Meer von Lebewesen für Nahrung gehalten

Auf ihrer ersten Fahrt hat "Jenny" 29 Tonnen Plastik aus dem Pazifik gezogen
Auf ihrer ersten Fahrt hat “Jenny” 29 Tonnen Plastik aus dem Pazifik gezogen. // Fotocredit: “The Ocean Cleanup”

Allerdings ist das Plastik nicht für die Konditionen auf offener See geschaffen: durch die viele Sonneneinstrahlung und die Wellen wird es zu kleineren Partikeln heruntergebrochen. Diese haben ein deutlich höheres Schadenpotential: Mikroplastik hat weniger Auftrieb und beginnt abzusinken, wird von Lebewesen im Meer fälschlicherweise für Nahrung gehalten und ist somit deutlich schwerer einzusammeln als große Plastikteile.

The Ocean Cleanup hat daher mit „Jenny“ eine künstliche Küste erschaffen, die nur drei Meter tief ins Wasser reicht und somit den Großteil des an der Oberfläche schwimmenden Plastiks einsammeln kann, bevor es zu weit zerfällt und in die Tiefen des Ozeans sinkt.

“Jenny” ist CO2-effizienter als das Vorgängermodell

Die NGO, die mit ihrem Netz tonnenweise Plastik aus dem Müll ziehen kann, muss sich aber auch Kritik gefallen lassen.  Mit „Jenny“ hat sie ein System erschaffen, das dauerhaft von zwei Schiffen gezogen wird. Und die stoßen viel CO2 aus.

Die NGO ist sich dieses scheinbaren Widerspruchs bewusst. Mit ihrem ersten System, „Wilson“, hatte The Ocean Cleanup eine passive Lösung zum Müllsammeln entwickelt, die scheinbar weniger CO2 verbrauchte. Allerdings verwendete auch „Wilson“ Schiffe, die den gesammelten Müll an Land bringen konnten. Das erste System war deutlich weniger effizient als die zweite Version. Für das aktive System „Jenny“, das von zwei Schiffen gezogen wird, wurden also keine Schiffe hinzugefügt, es wurde lediglich ihre Funktion geändert. Durch das Beibehalten einer konstanten relativen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der Meeresströmung und dem Netz kann jetzt mehr Plastik in kürzerer Zeit eingesammelt werden. Außerdem können die Schiffe von „Jenny“ den Kurs anpassen, um die Teile der ozeanischen Müllhalde zu erreichen, an denen sich aufgrund von Strömungen besonders viel Plastik sammelt, sogenannte Hotspots. Diese werden durch eine Kombination von numerischen Modellen und Luftbeobachtungen aus Drohnen analysiert und identifiziert, um gezielt angesteuert werden zu können.

Plastikmüll im Meer: Weggeworfenes wird zum Umweltproblem

Ein Mitarbeiter erzählt im NGO-eigenen Podcast eine einprägsame Geschichte von seinem ersten Einsatz mit dem ersten Müll-Fänger „Wilson“: Nachdem die Crew die erste Ladung Müll an Bord geladen hatte, begann sie das Plastik zu sortieren, um es getrennt recyceln zu können. Dabei fiel dem Mitarbeiter besonders ein Teil ins Auge: eine pinke Prinzessinnenkrone, vollkommen erhalten. Für ihn war dies der Moment, in dem er realisierte, was noch zum allgemeinen Verständnis werden muss, damit die Vermüllung der Ozeane ein Ende findet: Was uns früher in unserem Leben Freude gebracht hat, kann innerhalb weniger Jahre hier, in der Mitte des Ozeans, für Umweltverschmutzung und Trauer sorgen.

Weiterlesen: Zahnpasta, Kaugummi & sogar Bier: Wo überall Plastik drin ist

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