In den meisten Bundesländern gibt es viel zu wenig Kinderbetreuungsangebote – so auch in Niederösterreich. Deshalb sind viele Eltern frustriert. Gerade Frauen müssen oft zwischen Job und Kindererziehung wählen. Erst unlängst sorgte der Hilferuf einer Alleinerzieherin aus Niederösterreich für Aufsehen. Gemeindevertreter fordern deshalb: Eltern sollen einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung haben. Mit einem 5-Stufen-Plan soll die lückenhafte Kinderbetreuung verbessert werden.
Barbara Motter hat es satt. Für sie ist die Betreuungssituation in Asperhofen unerträglich. Es gäbe keinen Frühhort und die Betreuung am Nachmittag oder in den Ferien sei mehr als lückenhaft. Barbara Motter ist zweifache Mutter und Vollzeit berufstätig. Sie lebt in Asperhofen und arbeitet in Wien.
„Wir leben im 21. Jahrhundert und ich bin eine berufstätige Frau in einer Führungsposition und Mutter. Wie kann es sein, dass es keine Möglichkeit gibt, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen?“ sagt Motter in einem Interview mit NÖN.
Was Frau Motter bemängelt, ist in vielen Teilen Österreichs Realität: Es gibt kein Recht auf Kinderbetreuung und damit keine Planungssicherheit für berufstätige Eltern. Es sind wieder einmal vor allem Frauen betroffen, da sie immer noch öfter die Kindererziehung übernehmen.
Anders als in Österreich gibt es in Deutschland bereits seit 2013 ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr. Auch in Wien haben Eltern ein Recht auf einen Gratis-Kindergartenplatz für ihr Kind.
Die GVV fordert in einem offenen Brief einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung
Der sozialdemokratische GemeindevertreterInnenverband (GVV) wendet sich nun in einem offenen Brief an die Regierung und den Nationalrat und fordert einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.
„Wir bekennen uns zum Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. ÖVP und Grüne müssen aber endlich von der Diskussion in die Umsetzung kommen!“, so Kollross, SPÖ-Bürgermeister von Trumau.
Neben Kollross unterzeichneten 18 weitere SPÖ-Bürgermeister und -Bürgermeisterinnen den offenen Brief. Sie klagen nicht nur an, sondern schlagen einen 5-Stufen-Plan zur Lösung des Problems vor.
Lösungsvorschlag: GVV schlägt einen 5-Stufen-Plan vor
Mit einem 5-Stufen-Plan wollen die roten Gemeindevertreter:innen das Betreuungsangebot verbessern.
- Im Sommer 2022 wird die Zahl an benötigten Kindergartenplätzen ermittelt.
- 2023 und 2024 werden dann die fehlenden Kindergärten finanziert und gebaut.
- Anschließend gibt es eine Ausbildungsoffensive für Erzieher und Erzieherinnen.
- Die Kooperation zwischen einwohnerschwachen Gemeinden wird ausgebaut.
- Ab 2025 werden dann jährlich 1,7 Milliarden Euro zum weiteren Ausbau und Erhalt der Betreuungsangebote zur Verfügung gestellt.
Absage an Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung durch den österreichischen Gemeindebund
Der Interessenverband der Gemeinden erteilte dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung erst kürzlich eine klare Absage. Dort haben die Bürgermeister das sagen und die sind mehrheitlich von der ÖVP. Zur Begründung wurden finanzielle, juristische und organisatorische Gründe genannt. Für Kollross geht es ihnen aber hauptsächlich um ideologische Einwände: nicht wenige ÖVP-Bürgermeister sehen den Platz der Frau am Herd und bei ihren Kindern.
Der Gemeindebund verweist auf die Erneuerung des Kinderbetreuungsgesetzes in Tirol und Vorarlberg. Dort regieren – wie im Bund – ÖVP und Grüne. In beiden Bundesländern habe man auch kein Rechtsanspruch vorgesehen.
Ex-ÖVP Kanzler Sebastian Kurz verhinderte den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung aus Machtbesessenheit und Eigeninteresse
Zur Erinnerung: 2016 verhinderte der damalige ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz eine kostenlose Nachmittagsbetreuung für Kinder. Die rot/schwarze Regierung plante 1,2 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung auszugeben und einen Rechtsanspruch auf die Nachmittagsbetreuung umzusetzen. Ex-ÖVP Kanzler Kurz verhinderte das aus Machtbesessenheit. Er hatte Angst, der Erfolg der rot/schwarzen Regierung könnte seinen eigenen Aufstieg verhindern.