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“Mit ÖVP und FPÖ ist keinerlei Fortschritt erkennbar”- SP-NÖ-Chef Sven Hergovich im Interview

Von 495.000 Euro auf 3,5 Millionen Euro Schuldenstand in nur fünf Jahren – Sven Hergovich, Chef der SPÖ Niederösterreich, der sich als Kontroll-Landesrat sieht, ortet einen Finanzskandal in der Kurgemeinde Moorbad Harbach.

Schwarz-blau in Niederösterreich stellen mitten in der Krise den gemeinnützigen Wohnbau ein. Für SP-NÖ-Chef Sven Hergovich ein Skandal. Auch fehlende Teuerungshilfen und die hohe Langzeitarbeitslosenzahl prangert der ehemalige AMS-NÖ-Chef an. Hergovich ist flott in seiner neuen Rolle angekommen: Am 24. Juni findet der außerordentliche Parteitag der Landes-SPÖ statt. Dort soll der 34-jährige designierte Landesparteivorsitzende dann auch offiziell gewählt werden. Die NeueZeit hat ihn über Lösungen zur Teuerung, mehr Kinderbildungseinrichtungen und eine gute Gesundheitsversorgung für alle Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher befragt.

NeueZeit: Sowohl Johanna Mikl-Leitner, als auch Udo Landbauer haben eine Zusammenarbeit vor der Wahl ausgeschlossen. Seit mehreren Wochen regiert nun doch schwarz-blau in Niederösterreich. Welche politischen Weichenstellungen braucht es denn nun für die Niederösterreicher:innen wirklich?

Sven Hergovich: Schwarz-Blau ist noch nicht wirklich im Amt angekommen. Bis auf die äußerst eigenartige Wahl, bei der sich Schwarz und Blau gegenseitig nicht gewählt, aber dann trotzdem eine Regierung gebildet haben, ist noch wenig passiert. Seit März sieht die Regierung den Preisen beim Wachsen zu und tut nichts. Aber auch bei der Bekämpfung des Klimawandels, bei den Investitionen in bislang vernachlässigte Regionen oder beim Ausbau der Dienstleistungen für die Bevölkerung ist keinerlei Fortschritt erkennbar. Diese Regierung ist bisher durch Visionslosigkeit und Tatenlosigkeit gekennzeichnet. Die wechselseitige Aufteilung der Macht kostet offenbar alle Beteiligten zu viel Energie. Für die eigentliche Arbeit bleibt da offenbar leider keine Zeit.

NeueZeit: In der aktuellen Teuerungskrise fällt neben den Lebensmittelpreisen vor allem Wohnen schwer ins Gewicht – beziehungsweise in den Kontostand. Anfang Juli erwartet uns auf Bundesebene die 4. Mieterhöhung in nur 1 ½ Jahren. Was gibt es zu tun?

Hergovich ist flott in seiner neuen Rolle angekommen: Fehlende Teuerungshilfen, sowie den Wohnbau-Stopp seitens Schwarz-blau will er nicht ohne weiteres durchgehen lassen.

Wir haben im Landtag einen Mietpreisdeckel eingebracht. Die FPÖ hat uns dann minutenlang erklärt, warum das nicht geht. Obwohl Herbert Kickl im Bund das Gleiche fordert. Es ist halt immer das Gleiche mit den Blauen: deren Wahlversprechen sind immer der größte Wahlverlierer, weil sie den Wahltag nie überleben. Wir sagen hingegen seit Monaten, dass es einen Mietpreisdeckel braucht, um die Preisexplosion zu stoppen. Dass das Land darüber hinaus mitten in der Krise den gemeinnützigen Wohnbau einstellt, ist ein Skandal. Den müssen wir sofort wieder aufnehmen. 

Geförderter Wohnbau - Fakten
Die Landesregierung aus ÖVP und FPÖ hat am 14.06.2023 ausschließlich Förderungen für Gebäudesanierungen beschlossen, nicht aber für Neubauten. Das bedeutet einen Baustopp im geförderten Genossenschaftswohnbau und kann für die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher bis zu 7.000 Wohnungen weniger bedeuten.

NeueZeit: Und die Förderungen für genossenschaftlichen Wohnbau?

Das Land Niederösterreich hebt heuer 25 Millionen Euro mehr Wohnbauförderunsbeitrag von der Bevölkerung ein als im Vorjahr. Die Wohnbauförderung wird allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern automatisch mit 0,5 Prozent vom Bruttolohn abgezogen. Dass dieses Geld den Leuten genommen wird, dann aber nicht für gemeinnützigen Wohnbau verwendet wird, ist absolut inakzeptabel. Wir fordern eine sofortige Wiederaufnahme des gemeinnützigen Wohnbaus. Daneben braucht es eine Reihe von Maßnahmen, wie beispielsweise die Zweckwidmung der Wohnbauförderung dafür, auch wirklich Wohnungen zu bauen, um Wohnen wieder billiger zu machen.

NeueZeit: Überall klagt die Wirtschaft über Fachkräftemangel. Gleichzeitig müssen unzählige Mütter Teilzeit arbeiten, weil es zu wenige Plätze in Kinderbildungseinrichtungen und zu kurze Öffnungszeiten gibt. Als Vergleich: Nur 1 von 5 Kindergärten in Niederösterreich hat bis 17 Uhr offen, in Wien sind es 9 von 10. Was gäbe es hier für die schwarz-blaue Landesregierung zu tun?

Im Wahlkampf hat Mikl-Leitner noch für den Ausbau der Kindergärten in Niederösterreich geworben, jetzt ist davon nichts mehr erkennbar. Kindergärten müssen endlich auch bei uns ganzjährig, ganztägig und gratis sein. In Wien oder dem Burgenland gibt es das seit Jahren. Warum ist es dort möglich und bei uns nicht? Bei uns sind die Einkommen ja österreichweit besonders hoch, also hat unser Land auch besonders viel Geld. Trotzdem haben unsere Nachbarbundesländer viel bessere Services für die Bevölkerung. Ich frage mich, wo unser Geld versickert. 

NeueZeit: Sie waren ja vor ihrer Zeit in der SPÖ-Niederösterreich als AMS-Chef tätig. Wie wird sich die Arbeitswelt entwickeln und welche Maßnahmen muss die Politik nun treffen, damit niemand auf der Strecke bleibt?

Als ehemaliger AMS-NÖ-Chef bringt der 34-jährige Polit-Newcomer viel Expertise mit. Langzeitarbeitslosigkeit ist im ein Dorn im Auge. Vor allem weil er weiß, dass es auch anders geht.

In der Schweiz liegt die Arbeitslosenquote bei 1,8 Prozent. In Österreich ist sie drei Mal so hoch. Wir alle haben uns an ein Level von Arbeitslosigkeit gewöhnt, das früher völlig inakzeptabel war. Die Schweiz zeigt, dass es auch heute möglich ist Arbeitslosenquoten wie in den 1970ern zu haben und damit zehntausenden Menschen Chancen und Perspektiven zu geben. Als AMS-Chef habe ich gesehen, dass die Verwaltung der Langzeitarbeitslosigkeit gleich viel Geld kostet, wie ihre Abschaffung. Mit unserem Modell der Jobgarantie beenden wir die Langzeitarbeitslosigkeit. Das haben wir in der Modellregion Marienthal gezeigt und es wurde nicht nur mit Preisen aufgezeichnet sondern ist selbst auf europäischer Ebene inzwischen ein Vorbild wie Arbeitslosigkeit abgeschafft werden soll. Leider will die ÖVP in Niederösterreich davon nichts wissen, Langzeitarbeitslosigkeit ist offenbar Teil ihrer Ideologie und ihre Abschaffung für sie ganz schlimm. Uns wird das nicht daran hindern, dafür zu kämpfen, die Langzeitarbeitslosigkeit abzuschaffen. 

NeueZeit: Themenwechsel – Unser Gesundheitssystem: Die Menschen sind mit horrenden Wartezeiten für medizinische Untersuchungen konfrontiert, in den Bezirken gibt es zu wenige Fachärzte und Fachärztinnen und fehlende Untersuchungsgeräte. Wie kann Niederösterreich sein Gesundheitssystem noch retten?

Mit der ÖVP war nicht einmal die Anstellung der pflegenden Angehörigen als eine von vielen notwendigen Maßnahmen zu machen. Unser Gesundheitssystem ist in der Krise und es braucht ganz viele Maßnahmen, um es zu verbessern. Das beginnt bei Investitionen in den ländlichen Raum, um ihn attraktiver zu machen, weil die ständige infrastrukturelle Ausdünnung auch den Ärztinnen- und Ärztemangel vorantreibt. Es geht aber auch um Arbeitszeiten und um attraktive Gehälter in den Spitälern. Es ist viel zu tun, doch Schwarz-Blau schaut nur zu. 

NeueZeit: Zum Abschluss noch eine Frage zur SPÖ: Seit kurzem hat die Sozialdemokratische Partei Österreich Andreas Babler als neuen Vorsitzenden. Was muss nun passieren, damit die SPÖ ältere, wie jüngere Menschen von der Bewegung überzeugen kann. Was sind Iher persönlichen Wunschthemen, auf die nun gesetzt wird.

Wir merken eine Euphorie und einen Aufschwung in der Sozialdemokratie. Unsere Themen werden breit diskutiert. Den Schwung müssen wir jetzt in die tägliche Arbeit mitnehmen. Die Bekämpfung der Teuerung, Arbeit von der man leben kann und die Lösungen gegen den Klimawandel sind dabei sicher besonders wichtige Themen.

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