Vielen Menschen brauchen im Alltag Pflege und Betreuung. Dafür gibt es verschiedene Modelle, besonders die 24-Stunden-Betreuung ist sehr beliebt. Rund 60.000 Betreuerinnen und Betreuer arbeiten in Österreich. Doch die Arbeitsbedingungen sind schlecht. Eine Petition fordert jetzt, dass Pflegekräfte das bekommen, was sie verdienen: gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen.
Pflegekräfte und Betreuer leisten Enormes – und das bereits vor der Corona-Pandemie. Vor einem Jahr wurden sie als „Helden der Krise“ beklatscht. Heute ist der Applaus verhallt und die Arbeitssituation in der Pflege und Betreuung hat sich um nichts verbessert. Im Gegenteil – neben den Pflegekräften sind es auch die 24-Stunden-Betreuerinnen, fast nur Frauen, die unter großen Belastungen arbeiten.
24 Stunden am Tag verfügbar für 2-3€ die Stunde
Viele Menschen in Österreich, die Betreuung im Alter benötigen, wollen zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Der Bedarf an Betreuerinnen steigt auch durch die Alterung der Gesellschaft. Österreich allein kann diesen Bedarf nicht decken, deshalb wird auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgegriffen. Über ihre Arbeitsbedingungen wird oft geschwiegen.
„Die 24-Stunden-Betreuung ist weiblich und migrantisch“, sagt Simona Ďurišová, Aktivistin der Interessensvertretung für 24-Stunden-Betreuer „IG24“. Es sind Frauen, die großteils aus Osteuropa kommen und zu Hause teilweise selbst Verwandte haben, die Betreuung brauchen würden.
In Österreich stehen die Betreuerinnen ihren Klienten 24 Stunden am Tag zur Verfügung – und bekommen dafür im Schnitt 2-3 Euro pro Stunde. Da sie offiziell Selbständige sind, sollten und könnten sie eigentlich ihr Honorar selbst verhandeln. Doch in der Praxis legen die Vermittlungsagenturen den Preis für diese Dienstleistung fest, wodurch es immer wieder zu Lohndumping kommt.
„Die Agenturen organisieren die gesamte 24-Stunden-Betreuung. Sie suchen nach Personal, sie gestalten alle Verträge, sie verhandeln die Honorare vorab mit den Klienten, sie führen Konfliktmanagement durch, sie organisieren den Transport nach Österreich. Sie fungieren quasi als Arbeitgeber“, sagt Simona Ďurišová. „Das nennt man auch Scheinselbständigkeit.“
Eine 24-Stunden-Betreuerin spricht über ihren Arbeitsalltag
Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Pflege: alle Pflichten – kaum Rechte
Offiziell arbeiten Betreuerinnen selbstständig als Ein-Personen-Unternehmen. Doch sie müssen ihren Arbeitsablauf und ihre Arbeitszeit den Bedürfnissen ihrer Klienten anpassen. Auch über ihren Arbeitsort können sie nicht frei entscheiden. Hinzu kommt, dass sie oft nicht nur Betreuungs-, sondern auch Pflegetätigkeiten durchführen, für die sie gar nicht ausgebildet sind. Dabei tragen sie aber die gesamte Verantwortung für den Gesundheitszustand des Klienten.
24-Stunden-Betreuerinnen können zwar theoretisch einen Klienten ablehnen, doch meistens ist die Agentur dagegen. Denn diese sind an aufrechten Betreuungsverhältnissen interessiert, da sie von beiden Seiten Gebühren einheben.
Obwohl es sich um eine psychisch und physisch herausfordernde Tätigkeit handelt, sind die Betreuerinnen kaum sozial abgesichert. Sie haben keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub, Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall oder Arbeitslosengeld. Auch das 13. und 14. Gehalt sowie kollektivvertragliche Entlohnung kommen in diesem Fall nicht zur Anwendung.
Dringend gebrauchtes Personal und die Ignoranz der Politik
Im März 2020 hat die österreichische Regierung Betreuerinnen direkt aus Bulgarien und Rumänien eingeflogen – mitten im Lockdown. Das zeigt den großen Bedarf an Betreuungskräften. In den Arbeitsbedingungen spiegelt sich das aber nicht wider.
Von Corona-bedingten Förderungen haben 24-Stunden-Betreuerinnen kaum etwas. Der sogenannte „Bleib-Da-Bonus“ von 500€ ist sehr kompliziert in der Antragstellung und wird auf das Konto des Klienten überwiesen. Die Refundierung von PCR-Tests wird ebenso über die Klienten abgewickelt statt über die Betreuerinnen selbst. Auch vom Härtefall-Fonds sind sie ausgeschlossen, weil die Mehrheit kein österreichisches Bankkonto hat und sie in vielen Fällen die Einkommenssteuergrenze nicht überschreiten. Zumindest können sich die
Betreuerinnen seit März für eine Impfung anmelden, nachdem sie zuvor nicht als systemrelevante Berufsgruppe gegolten hatten.
Der Verein Solidarität, der sich für Zusammenhalt und soziales Engagement einsetzt, macht mit einer Kampagne auf die schwierigen Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Betreuung aufmerksam.
Mit einer Petition will der Verein jenen eine Stimme geben, die ihre Solidarität mit den Pflege- und Betreuungskräften durch mehr als nur Dankbarkeit zeigen wollen. Das Motto: Klatschen ist nicht genug – Pflege verdient mehr.
Gefordert werden bessere Arbeitsbedingungen in der 24-Stunden-Betreuung, eine 30-Stunden-Woche für Pflegekräfte, ein reduzierter Betreuungsschlüssel und die Aufwertung der Ausbildung.