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FAQ zum Kurz-Prozess: Vom „befangenen Richter“ bis zur „Unschuldsvermutung“

Findet sein Urteil im Prozess um vermeintliche Falschaussagen "unfair": Sebastian Kurz. // Foto: Kontrast.at

Paukenschlag im Kurz-Prozess: Ex-Kanzler Sebastian Kurz wurde in einem Strafprozess nicht rechtskräftig zu 8 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Es geht um mutmaßliche unwahre Aussagen vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Im FAQ erklären wir, was es mit juristischen Floskeln wie “Unschuldsvermutung”, “bedingtes Urteil” oder “befangenem Richter” auf sich hat – und warum vor dem Gesetz alle gleich sind.

Nicht jeder kann so wie Sebastian Kurz ein abgebrochenes Jus-Studium in seinem Lebenslauf vorweisen. Damit auch alle anderen dem Prozess um Ex-Kanzler Sebastian Kurz folgen können, haben wir die häufigsten Fragen zum Kurz-Prozess gesammelt.

Was ist die Wahrheitspflicht? Warum gilt die auch im U-Ausschuss?

Vor Gerichten und in Untersuchungsausschüssen gilt die Wahrheitspflicht. Die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss orientiert sich stark an jener im gerichtlichen Strafprozess. Zeugen und Zeuginnen müssen also nicht nur wahr, sondern auch vollständig aussagen. 

Dass Sebastian Kurz nach Ansicht des Gerichts eben nicht vollständig ausgesagt hat, führte schließlich zu seiner erstinstanzlichen Verurteilung. Denn durch die unvollständige Aussage sei ein falscher Eindruck erweckt worden.

Und was ist die Unschuldsvermutung?

In einem Strafverfahren gilt der oder die Angeklagte als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Die Anklagebehörde – also die Staatsanwaltschaft – muss eben die Schuld beweisen. Angeklagte sind nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten. Die Unschuldsvermutung ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren. Ihre rechtliche Grundlage findet sich etwa in der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der österreichischen Verfassung. 

Der Verfassungsgerichtshof bezeichnet die Unschuldsvermutung als einen “die gesamte österreichische Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz”. Die Unschuldsvermutung stellt auch an mediale Berichterstattung den Anspruch, keine Vorverurteilungen anzustellen. Solange es zu keiner rechtskräftigen Verurteilung kommt, darf nicht der Anschein von Schuld erweckt werden.

Vor dem Gesetz sind alle gleich?

Sebastian Kurz war durch seine nicht rechtskräftige Verurteilung derart aufgewühlt, dass er nach Ende des Prozesses sogar an seine paar Semester am Wiener Juridicum zurückdachte:

„Ich habe Jus nicht fertig studiert, aber ich habe gelernt, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sein sollen“

Es stimmt, dass in der österreichischen Verfassung der sogenannte “Gleichheitssatz” tief verankert ist. “Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich”, heißt es in Artikel 7. Nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Gerichte sind daran gebunden. Urteile dürfen nicht unsachlich und willkürlich sein. 

Im Umkehrschluss bedeutet der Gleichheitssatz aber nicht nur, dass Gleiches gleich, sondern dass auch Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Und so ist anzumerken, dass an einen Bundeskanzler, einen langjährigen Berufspolitiker, der zahlreiche Rhetorikkurse absolviert und einen großen Beraterstab im Rücken hat, natürlicherweise ein strengerer Maßstab als an den “Herrn Mayer” anzusetzen ist, wenn er in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagt.

Was bedeutet eine bedingte Strafe?

Bei der bedingten Haftstrafe wird die Haft nicht sofort vollstreckt. Das Absitzen der Haftstrafe ist eher vom Eintritt einer gewissen Bedingung abhängig: nämlich dem erneuten Begehen und der erneuten Verurteilung wegen einer Straftat innerhalb einer Probezeit von ein bis drei Jahren. Tritt diese Bedingung ein, kann die erneut verhängte Strafe um die bereits bedingt verhängte Strafe erweitert werden. Oft wird in so einem Fall auch von einer “Bewährungsstrafe” gesprochen. 

Eine bedingte Strafe ist eine rechtskräftige Verurteilung, somit ist die Schuld des oder der Verurteilten gerichtlich festgestellt. Dieser kann sich in dieser Sache nicht mehr auf die Unschuldsvermutung berufen. Eine bedingte Haftstrafe wird dann verhängt, wenn die reine Androhung der Strafe bereits genügend abschreckende Wirkung auf den oder die Verurteilte hat. Oftmals ist das der Fall, wenn es bislang zu keinen strafrechtlichen Verurteilungen kam.

Was ist die erste Instanz? Und was kann ein Rechtsmittel bewirken? 

Für einen funktionierenden Rechtsstaat ist es zentral, gegen eine strafrechtliche Verurteilung ein Rechtsmittel ergreifen zu können. Die erste Instanz ist dabei das Gericht, das als erstes in der jeweiligen Strafsache verhandelt und ein Urteil fällt. Sieht sich etwa Sebastian Kurz durch das Urteil nun unfair behandelt, so kann er das Urteil “gegenchecken” lassen. 

Die zweite oder übergeordnete Instanz überprüft dann das Urteil – aber nicht in allen Aspekten. Wer das Rechtsmittel ergreift, muss genau begründen, welche Punkte des Urteils er anfechten möchte. Solange sich nur der Beschuldigte an das höhere Gericht wendet, gilt das “Verschlechterungsverbot”. Die zweite Instanz darf Kurz also nicht zu einer härteren Strafe verurteilen als die erste Instanz. 

Seit Oktober 2023 musste sich Sebastian Kurz seinem Prozess im Wiener Straflandesgericht stellen
Seit Oktober 2023 musste sich Sebastian Kurz seinem Prozess im Wiener Straflandesgericht stellen. // Foto: Dnalor 01, CC BY-SA 3.0 AT, via Wikimedia Commons

Bei besonders groben Mängeln im Verfahren, etwa einer fehlenden Urteilsbegründung, kann die Wiederholung der Verhandlung in erster Instanz angeordnet werden. Dann muss auch ein anderer Richter die Verhandlung leiten.

Was macht einen Richter befangen?

Befangenheit bedeutet, dass der Richter oder die Richterin keine sachliche Beurteilung vornehmen kann. Das Gesetz nennt Gründe wie die Beteiligung am Verfahren als Zeuge oder Geschädigter. Auch ein besonderes Naheverhältnis zu beteiligten Personen oder Voreingenommenheit sind Gründe, um einen Richter oder eine Richterin vom Verfahren auszuschließen. Dass ein Richter in der Vergangenheit einmal mit jemandem zu tun hatte, den man als Angeklagter auch kennt, ist allerdings bei Weitem kein Befangenheitsgrund.

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