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Stichwort-Kolumne: Mehr Überwachung bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit!

Foto von Matthew Henry auf Unsplash

Zurecht bricht nach dem vereitelten Anschlag auf die Taylor Swift Konzerte in Wien die Debatte über die Sicherheit in unserer Republik aus. Ein Staat muss sich und seine Bürger:innen vor terroristischer Gefahr schützen können. Doch aus dem Affekt eine Totalüberwachung der eigenen Bevölkerung durchsetzen zu wollen, ist der falsche Schluss – und schafft mehr Probleme, als es löst.

“Wer die Freiheit aufgibt, um die Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.”

Selten war das Zitat des früheren US-Staatsmannes Benjamin Franklin so zutreffend, wie momentan. Die komplexen Debatte um die Einsicht des Staates in Chats und Nachrichten, die über verschlüsselte Programme verschickt werden, ist emotional. Besonders viele junge Menschen haben das Gefühl, kaum mehr Privatsphäre zu haben. Um diese wahrnehmen zu können, sind Chats und ihr Handy der gefühlt letzte Ort des privaten Rückzugs.

Die Frage nach der Balance zwischen dem persönlichen Recht auf Privatsphäre und staatlichen Eingriffen in diese ist keine neue. Sie hat auch in der Vergangenheit immer wieder für Debatten gesorgt. Das laute Echo, als FPÖ und ÖVP vor einigen Jahren unter Kanzler Kurz und Innenminister Kickl mit dem Bundestrojaner eine weitreichende Form der Massenüberwachung einführen wollten, hallt bis heute nach.

Anpassungen an das 21. Jahrhundert vornehmen

Umso wichtiger ist es, die vorliegenden Fragen und Vorschläge nicht aus kurzfristiger parteipolitischer Taktik zu kommentieren. Sondern vielmehr sich der Wichtigkeit der Debatte bewusst zu sein. Fakt ist: Ohne die Geheimdienste anderer Länder, wären die österreichischen Behörden den mutmaßlichen Tätern zumindest nicht so rasch auf die Spur gekommen. 

Dass der österreichische Geheimdienst auf richterlichen Beschluss die Anrufe von Personen überwachen darf, auf WhatsApp Nachrichten mit demselben Inhalt jedoch keinen Zugriff hat, ist aus logischer Perspektive nur schwer zu erklären. Grundsätzlich gilt daher: Auch die Terrorabwehr muss wie jeder andere politische Bereich nach Möglichkeit mit der Zeit gehen.

Persönliche Rechte wahren – demokratische Kontrolle sicherstellen

Gleichzeitig gilt es, Risiken abzuwägen und die Einführung von zielloser Massenüberwachung, die großes Missbrauchspotential bietet, zu verhindern. Daher gibt es aus dieser Sicht zwei Perspektiven, die zwingend eingehalten werden müssen. Erstens, das zielgerichtete Abgreifen von Information im Bedarfsfall. Nur wenn technisch sichergestellt werden kann, dass nicht das gesamte Handy inklusive aller Dateien und Vorgänge gescreent werden, sondern etwa gezielt auf bestimmte Apps zugegriffen werden kann, sollte eine solche Variante denkbar sein. Denn die Konsequenz, dass MitarbeiterInnen in Nachrichtendiensten mehr oder weniger nach freiem Ermessen uns gläsern machen können, birgt großes Missbrauchspotential. 

Mehr Überwachung? Da gibt’s viel Kritik!

Die vergangenen Wochen und Monate rund um die Russland-Spionage-Affäre-Ott haben desolate Zustände in den Nachrichtendiensten offengelegt. Diesen Strukturen die Möglichkeit zu geben, ungefiltert die gesamten Handydaten von Personen abgreifen zu können, ist besonders in der aktuellen Situation ein Risiko. Dieses totzuschweigen oder als Kleinigkeit abzutun, bringt uns in der Debatte nicht weiter. 

Gleichzeitig muss zweitens gewährleistet werden, dass ein mögliches Abgreifen von Daten sich auf wirklich schwere Straftatbestände der staatlichen Sicherheit beschränkt. Zudem muss das von einer unabhängigen Kontrollinstanz außerhalb der nachrichtendienstlichen Struktur begleitet, evaluiert und gegebenenfalls beanstandet werden. In einer funktionierenden staatlichen Struktur braucht Macht immer ein entsprechendes Maß an Kontrolle. Wenn es darum geht, in höchstpersönliche Lebensbereiche einzugreifen, muss diese Kontrolle umso stärker sein.

Massenüberwachung und die drohende autoritäre Wende

Doch auch der langfristige Aspekt rund um mögliche Auswirkungen einer Gesetzesänderung für mehr Überwachungsmöglichkeiten müssen berücksichtigt werden. Auch und gerade im aktuellen politischen Kontext. Die FPÖ – bereits in der letzten schwarz-blauen Regierung an vorderster Front am Versuch beteiligt, den Bundestrojaner einzuführen, droht mithilfe der ÖVP unter Umständen sogar den Bundeskanzler zu stellen. Gleichzeitig träumt sie von der autoritären Wende nach ungarischem Vorbild. Sie möchte politische Gegner “auf Fahndungslisten setzen”, wie es Parteichef Kickl formuliert.

Der Eingriff in verschlüsselte Nachrichten ist das Fallen einer roten Linie. Wenn die einmal ausradiert ist, kann sie wohl kaum mehr zurückgeholt werden. Das kann bei richtiger und verantwortungsvoller Anwendung ein Mehr an Sicherheit gewährleisten, öffnet radikalen Gruppierungen, die Rechtsstaat und Demokratie abschaffen wollen jedoch auch ein ideales Fundament, um unter scheinheiligen Gründen politische Gegner auszuspionieren und demokratische Opposition zu verunmöglichen, wie dies in den verschiedensten Diktaturen der Welt bereits gängige Praxis ist. 

Diese Perspektive soll keineswegs die Debatte über notwendige Reformen verunmöglichen. Sie soll jedoch im Rahmen aller Emotion rund um die geplanten Anschläge auf die Konzerte von Taylor Swift aufzeigen, dass ein Mehr an Überwachung gerade in diesem Zusammenhang schnell zu einem Bumerang werden kann, der uns alle in unseren Rechten einschränkt.

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