„Achtung, es wird hier politisch“, so habe ich dieser Tage einen sehr persönlichen und vor allem politischen Kommentar auf der Business-Plattform LinkedIn veröffentlicht. Alleine in der ersten Woche wurde er über 14.000 Mal aufgerufen wurde, und hat über 200 Reaktionen ausgelöst hat. Für mich zeigt das: Unsere Menschlichkeit ist größer, als jeder rechter Hass.
Gastkommentar von Sonja Kato
Sonja Kato arbeitet als systemischer Leadership Coach und Moderatorin von Fachtagungen, „nicht politisch zu sein, ist ein Privileg, das ich mir nicht leisten kann“, sagte sie zuletzt in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „der Standard“.
Hier ein Link zu ihrem Beitrag auf LinkedIn
Und hier ein Link zu ihrer Initiative auf Instagram unter dem Titel „Mitte_der_Gesellschaft“
„Unsere Menschlichkeit ist größer als jeder Hass“
Das betone ich deswegen, weil LinkedIn bis zur Bekanntwerdung des Treffens Rechts-Radikaler, AfDler und CDUler in einem Hotel in Potsdam, nicht wirklich als Ort gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung bekannt war.
Der von „correctiv“ am 10. Jänner 2024 unter dem Titel „Der Geheimplan gegen Deutschland“ veröffentliche Bericht über rechte Deportationsphantasien, hat ganz Deutschland wachgerüttelt. Mittlerweile spricht der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm ebenso offen für eine inklusive, multiethnische Gesellschaft (und nicht nur über die dramatischen Folgen, die eine AfD für den Wirtschaftsstandort Deutschland hätte).
Der Kult-Trainer des deutschen Bundeslegisten SC Freiburg, Christian Streich, hält eine flammende Rede gegen Rechtsextremismus. Und wer genau auf die vielen Bilder der zahlreichen Demos, die in ganz Deutschland stattfinden blickt, wird erstaunt sein, dort nicht (nur) die üblichen „Gut-Menschen“, sondern auch den gehobenen Mittelstand, jedenfalls aber: die Mitte der Gesellschaft zu sehen.
Die Mitte der Gesellschaft ist wach…
Und damit bin ich beim wesentlichsten Punkt meiner Beobachtungen. Die Verschiebung, die schleichende Verschiebung des Tolerablen, ist über eine unsichtbare Grenze gegangen, die sich nun umso vehementer gegen diese Vereinnahmung durch die Rechtspolitiker und Rechtsextremen wehrt. Und zwar die Grenze dessen, was der schweigenden Mehrheit, der Mitte der Gesellschaft noch zumutbar schien. Eine Grenze, die – offensichtlich und endlich! – beim Thema Massendeportationen erreicht ist.
Die schweigende Mehrheit ist wach, die Mitte der Gesellschaft, die sich noch vor Kurzem „aus der Politik raushalten“ wollte. Jene Mitte, die sich den Luxus keines politischen Standpunktes noch leisten konnte, ist nun auf der Straße. Hamburg: mindestens 50.000 Menschen, München: 100.000 Menschen – so viele, dass die Demo wegen „Überfüllung der Straßen“ sogar abgebrochen werden musste. Und in Heidelberg etwa 18.000 Menschen – bei „nur“ rund 160.000 Einwohnern.
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Das ist der Aufstand der Vielen. Die Vielen, die genug davon haben, dass wenige Extremisten vermeintlich in Ihrem Namen sprechen. Wenn sie von der „Deutschen Gesellschaft“, die es „zu schützen“ gelte, phantasieren.
Die Deportationspläne aus Potsdam waren der berühmte Tropfen, der das Fass des schweigend Hingenommenen für die Mitte der (deutschen) Gesellschaft zum Überlaufen gebracht hat.
…auch in Österreich?
Hier in Österreich sind wir leider an das schleichende Verschieben der Grenze des Zumutbaren schon sehr gewöhnt. Dass das längst auf Kosten der Menschlichkeit und zunehmend zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit geht, erkennt man vor allem dort, wo die FPÖ von der ÖVP in Landesregierungen geholt wurde.
Um es aber politisch zu argumentieren – wer jetzt nicht seine Stimme erhebt, egal ob in den (sozialen) Medien oder auf der Straße, der hat eines noch immer nicht begriffen. Gegen rechtsextreme Politik zu sein ist nicht links, sondern einfach eine Frage der Vernunft und der Menschlichkeit ist. Die Mitte der Gesellschaft wird auch in Österreich aufwachen. Aufwachen müssen.