Gegen Sebastian Kurz und seine engsten Vertrauten wird ermittelt. Es geht um Bestechung, Inseraten-Korruption, Bestechlichkeit. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsmutung. Dass es überhaupt zu Ermittlungen kommen konnte, ist wohl ein erster Erfolg der Justiz. Denn die ÖVP versucht seit zwei Jahren, Daten zu vernichten und Spuren zu verwischen. Ein Überblick über die türkisen Lösch-Aktionen.
ÖVP „Schredder-Affäre“: Ein Kurz-Vertrauter vernichtet 5 Festplatten unter falschem Namen
Mai 2019, kurz nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Ein enger Mitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz ruft bei der Firma „Reisswolf“ an: Er möchte Datenträger vernichten lassen. Nur fünf Tage nach dem Ibizia-Skandal schmuggelt der Kurz-Mann fünf Festplatten aus dem Bundeskanzleramt und lässt sie schreddern. Er überwacht die Vernichtungs-Aktion persönlich und fordert die Mitarbeiter der Firma „Reisswolf“ auf, die Datenträger insgesamt drei Mal durch den Schredder zu jagen. Das alles macht der Kurz-Vertraute unter einem falschen Namen: Er nennt sich „Walter Maisinger“, heißt in Wirklichkeit aber Arno M. und ist Social-Media-Chef im Kanzleramt. Die Sache fliegt nur deshalb auf, weil er vergisst die Rechnung für das Schreddern zu bezahlen.
Was war auf den Festplatten, die der ÖVP-Mann so nervös vernichten ließ? Die Türkisen behaupten, es handle sich „nur“ um Druckerfestplatten. Im Ibizia-Untersuchungs-Ausschuss stellte sich aber später heraus: Nur drei der fünf Festplatten gehören zu Druckern. Die anderen beiden sind Laptop-Festplatten. Eine davon war in einem Laptop-Modell verbaut, das auch ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel nutzte. Die Daten sind jedenfalls für immer vernichtet. Dafür hat der Kurz-Vertraute mit seiner dreifachen Reisswolf-Aktion gesorgt, die als ÖVP “Schredder-Affäre” bekannt wird.
Thomas Schmid löscht sein ganzes Handy, vergisst aber auf das Backup
Oktober 2019. Der Kurz-Vertraute Thomas Schmid – er ist zu diesem Zeitpunkt Chef der staatlichen ÖBAG – löscht alle Chats auf seinem Handy. Einer Mitarbeiterin schreibt er: „Ich habe heute alles gelöscht. Bei WhatsApp.“ Schmid scheint sich zu freuen, er schreibt weiter: „Und nochmal alles durchsucht und weggeworfen. Genial.“
Thomas Schmids Freude hält nicht lange an: Im Dezember 2019 beschlagnahmt die Staatsanwaltschaft sein Handy. Die Ermittler finden ein Backup und können sämtliche Chat-Nachrichten von Schmid wiederherstellen. Sie sind später der Ausgangspunkt für die umfangreichen Ermittlungen gegen Sebastian Kurz und sein Umfeld.
Blümels Frau geht während der Hausdurchsuchung mit dem Laptop spazieren
Februar 2021. Die Staatsanwaltschaft steht für eine Hausdurchsuchung vor der Türe von ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel. Er muss sein Handy abgeben. Den Laptop können die Ermittler zunächst nicht finden: Blümels Frau ist zum Zeitpunkt der Razzia spazieren – mit dem Laptop des Finanzministers.
Gernot Blümel muss vom Bundespräsidenten per Exekution zur Akten-Auslieferung gezwungen werden
Mai 2021. ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel verweigert monatelang, angeforderte Akten an den Ibizia-Untersuchungs-Ausschuss zu liefern, obwohl ihn das Gesetz dazu verpflichtet. Selbst nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs rückt Blümel die Akten nicht heraus. Erst als ihn der Bundespräsident per Exekution dazu zwingt, liefert der Finanzminister E-Mails und Daten. „So etwas gab es in dieser Form noch nicht“, sagt Alexander van der Bellen.
Die Regierung installiert eine Verschlüsselungssoftware um 650.000 Euro
September 2021. Die Regierung will die Handys von Kanzler und Ministern mit einer Sicherheits-Software verschlüsseln, die auch von militärischen Einrichtungen und NATO-Mitgliedern genutzt wird. Dadurch sollen wohl künftig keine geheimen Chats mehr an die Öffentlichkeit gelangen. Geschätzter Kostenpunkt der Verschlüsselungs-Aktion: 650.000 Euro Steuergeld.
PR-Mitarbeiter von Kurz wechselten kurz vor der Razzia ihre Diensthandys aus
Oktober 2021. Mehrere enge Mitarbeiter von Sebastian Kurz sollen neue Handys bekommen haben. Darunter auch sein damaliger Pressesprecher Johannes Frischmann und sein Medienbeauftragter Gerald Fleischmann. Wenige Tage später findet im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale die große Razzia statt.
Meinungsforscherin Sabine Beinschab löschte am Abend vor der Hausdurchsuchung Chats mit Beschuldigten
Oktober 2021. Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab – sie soll laut Verdacht der Staatsanwaltschaft Umfragen für die ÖVP gefälscht haben – tippt folgenden Suchbegriff in ihr Handy: „iCloud löschen iPhone 6“. Wenige Tage später findet eine Hausdurchsuchung bei ihr statt. Noch am Vorabend soll sie außerdem Chats mit anderen Beschuldigten in der Inseraten-Affäre gelöscht haben.