Großelternkarenz: Zu kurze Öffnungszeiten, zu viele Schließtage oder gleich gar kein Kindergarten im eigenen Wohnort. Nur die Hälfte aller Kindergärten, Krippen oder Horte in Österreich ermöglichen es den Eltern einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nachzugehen. Um das auszugleichen sollen jetzt Oma und Opa einspringen – zumindest wenn es nach der ÖVP geht.
Die ÖVP ist in sechs von neun Bundesländern in führenden Regierungsfunktionen. Trotzdem fehlen überall Kinderbetreuungsplätze. Von 9717 Einrichtungen sind 2454 mehr als einen Monat im Jahr geschlossen, etwa 600 davon mehr als 51 Tage. Um die Lücken bei den Kinderbetreeungsplätzen auszugleichen schlägt die ÖVP jetzt die „Großeltern-Karenz“ vor. Aber was genau steckt dahinter?
Weil die ÖVP auf Kindergärten vergaß, sollen jetzt die Großeltern einspringen
Der Kinderbetreuungsatlas der Arbeiterkammer zeigt in sämtlichen Bundesländern ein trauriges Bild: Jahrelang hat man vergessen die Kindergärten entsprechend auszubauen. Die ÖVP möchte jetzt deshalb, dass die Großeltern einspringen. Ob die alle Lücken füllen können?
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Kinderbetreuung: Wien, Burgenland und Kärnten sind Vorreiter
Es gibt ein Kriterium, das österreichweit anzeigt, wie gut die Kinderbildungseinrichtungen in den Bundesländern ausgebaut sind. Das ist das sogenannte „VIF-Kriterium“. Dieses Kriterium misst die Vereinbarkeit von Job und Familie für beide Elternteile.
Im Burgenland ist dieses Kriterium in den letzten fünf Jahren von 24 Prozent auf 76 Prozent angestiegen. Das bedeutet, dass Eltern mittlerweile in 4 von 5 burgenländischen Kinderbetreuungseinrichtungen problemlos einem Vollzeitjob nachgehen können und die Kinder tagsüber gut betreut sind. Hier hat sich die Politik bemüht möglichst viele und noch dazu gratis Kindergärten auszubauen.
So können beide Elternteile, wenn sie das wollen, einem Vollzeitjob nachgehen und ihre Kinder trotzdem gut betreut wissen. Ähnlich gut, steigt Wien aus. Dort ermöglichen 91 Prozent der Einrichtungen den Eltern eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit. Das ist zwar immer noch gut, dennoch ist hier ein kleiner Rückgang zu den Vorjahren zu erkennen. Vorreiter sind das Burgenland, Wien und auch Kärnten aber noch in einem anderen Punkt: diese drei Bundesländer sind die einzigen, die den Kindergarten gratis anbieten. Alle anderen sechs ÖVP-geführten Bundesländer tun das nicht.
Hier sieht die Betreuungsquote ganz schlecht aus
Anders sieht’s mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den westlicheren Bundesländern. Vorarlberg erreicht 45 Prozent beim VIF-Kriterium, Tirol 46 Prozent und Salzburg 48 Prozent. Auffallender Nachzügler ist Oberösterreich. Hier schafft es die schwarz-blau geführte Landesregierung nicht einmal ein Drittel der Kinderbetreuungseinrichtungen vollzeit-tauglich anzubieten.
Deshalb schlägt die ÖVP nun die Großelternkarenz vor. In der Hoffnung diese eklatanten Lücken auszugleichen. Maria R., 66 Jahre und wohnhaft im Burgenland, reagiert darauf mit gemischten Gefühlen:
Ich bin noch eine junge Oma und in meinem jetzigen Job unglücklich. Ich würde für meine Enkerl alles tun und kann mir deshalb vorstellen meinen Job aufzugeben und die Großelternkarenz zu nützen. Aber was tun Familien mit älteren oder pflegebedürftigen Großeltern? Da gibt’s dann niemanden der aufpasst! Deshalb sollte die Politik den Kindergarten in allen Bundesländern so ausbauen, dass wirklich alle Kinder betreut werden können.
Für Maria kommt die Idee zur Großelternkarenz gerade zur richtigen Zeit. Andrea S. hingegen ist in ihrem Beruf zufrieden und möchte ihn bis zu ihrer Pensionierung weiter ausüben. Für sie käme nicht infrage jeden Tag auf den Enkelsohn aufzupassen. Dafür gäbe es ja die Kindergärten.
Außerdem tut der Austausch mit Gleichaltrigen in der Krippe oder im Kindergarten den Kindern gut. Wenn die Enkerl nur daheim bei der Familie sind, fehlt ihnen später die Sozialkompetenz, meint Andrea S. aus Niederösterreich.
Reaktion auf ÖVP-Vorschlag: Viel Kritik, viele offene Fragen
Kritik hagelt es vom grünen Koalitionspartner im Bund. Die grüne Nationalratsabgeordnet Barbara Nessler will die Gemeinden verpflichten die Kinderbetreuung besser ausbauen. Dass „am Abend die Faulen fleißig werden“ ließ daraufhin der Vorsitzende der sozialdemokratischen Gemeindevertreter:innen, Andreas Kollross von der SPÖ ausrichten.
Denn die Schuld oder Verantwortung könne man nicht einzig bei den Gemeinden suchen – denn die hätten im Zuge des Finanzausgleiches schon vor Monaten bei der Bundesregierung angemeldet, dass schlichtweg das Geld fehle.
Außerdem hätte die SPÖ bereits vor Jahren einen Fünf-Stufen-Plan zum Ausbau der Kinderbetreuung und einen Rechtsanspruch auf einen kostenfreien Kinderbetreuungsplatz vorgelegt, so der Kommunalsprecher Andreas Kollross in einer Aussendung. Die Bundesregierung hungere seit Jahren Städte und Gemeinden aus. Ihnen nun die Verantwortung zuzuschieben, stelle laut Gemeindevertreter-Verband eine Verhöhnung dar.