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Von Millionenhilfen zu Massenkündigungen: Wie KTM in die Insolvenz fuhr

KTM, Europas größter Motorradhersteller, ist insolvent. Das Unternehmen, geführt von ÖVP-Unterstützer Stefan Pierer, kämpft bereits seit Monaten mit massiven Problemen. Zuletzt blieben sowohl die Novembergehälter als auch das Weihnachtsgeld der Beschäftigten aus. Dennoch ließ sich KTM-Chef Pierer großzügige Dividenden auszahlen. In den vergangenen Jahren hatte der Motorradhersteller zudem Millionenbeträge an Corona-Hilfen erhalten.

Dieser Artikel entstand in einer Kooperation mit Kontrast.at.

Der oberösterreichische Motorradhersteller KTM ist zahlungsunfähig und muss ein Sanierungsverfahren einleiten. Zuletzt haben die Beschäftigten nicht einmal mehr ihre Gehälter bekommen. Auch die KTM-Muttergesellschaft Pierer Mobility ist betroffen und versucht, die Insolvenz abzuwenden. Grund für den finanziellen Kollaps des Unternehmens aus Mattighofen sind hohe Schulden und die gesunkene Nachfrage. Gleichzeitig gab es eine massive Überproduktion – deshalb sind bei KTM die Lager voll. Von Ende 2022 bis Mitte 2024 ist der Schuldenstand um das 5-fache gestiegen – von 300 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 1,5 Milliarden Euro 2024. Trotzdem flossen seit 2021 jedes Jahr Dividenden in Millionenhöhe an die Aktionäre von Pierer Mobility AG. Alleine im Frühling 2024 über 17 Millionen Euro. Im Jahr 2023 wurden sogar rund 68 Millionen Euro und 2022 rund 34 Millionen Euro ausgeschüttet.

Und das alles, obwohl der Konzern in den letzten Jahren 10,4 Millionen Euro an Corona-Hilfen in Form von Kurzarbeitsgeldern bekommen hat. Auch damals hat KTM den Aktionär:innen trotzdem 11,25 Millionen Euro an Gewinnen ausgeschüttet. Der größte Teil davon – nämlich rund 7 Millionen – wanderte in die Taschen von KTM-Hauptaktionär Stefan Pierer selbst.

Dividenden für die Aktionäre – Zahlungsstopp für Beschäftigte

Auf der anderen Seite stehen die Beschäftigten, die diese katastrophale Lage nun ausbaden müssen. Denn sie könnten jetzt sogar um ihre Bezahlung umfallen: Das Unternehmen von Stefan Pierer konnte die November-Gehälter und das Weihnachtsgeld nicht mehr zahlen – diese übernimmt jetzt der Insolvenzentgeltfonds. Allerdings muss den KTM-Beschäftigten erst ihr Anspruch darauf zuerkannt werden – die müssen nämlich selbst einen Antrag an den Insolvenzfonds stellen. Am Freitag will KTM ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung einleiten. Dadurch wird das Unternehmen rechtlich wieder zahlungsfähig und könnte so zumindest die Gehälter für Dezember auszahlen.

Massenkündigungen und Produktionsstopp

Bereits im Frühjahr hat das Unternehmen aufgrund der finanziellen Schieflage angekündigt, 300 Beschäftigte in der Produktion und 120 im Forschungs- und Entwicklungsbereich zu entlassen. Im August gab es dann nochmal 200 Kündigungen. Jetzt sollen wieder  300 der rund 5000 Beschäftigten entlassen werden. In Zukunft könnte es sogar noch mehr geben, laut KTM sind bis zu 3.670 Mitarbeiter:innen von der Insolvenz betroffen. Für Jänner und Februar ist zudem ein Produktionsstopp geplant. Zusätzlich soll die Wochenarbeitszeit mit einem Kurzarbeitsmodell auf 30 Stunden reduziert werden. Insgesamt will KTM innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Milliarde Euro einsparen.

Verschachtelte Firmenstruktur – Krise betrifft gesamte Unternehmensgruppe

Ähnlich wie im Fall von René Benkos mittlerweile zusammengebrochenen SIGNA Imperium ist auch die Pierer Mobility AG – zu der KTM gehört – ein komplexes Firmennetzwerk. Gemeinsam halten Pierer und die indischen Unternehmerfamilie Bajaj rund Dreiviertel der Konzernanteile – wobei Stefan Pierer knapp Mehrheitseigentümer ist. Der Rest der Anteile ist in Streubesitz. Da auch der Mutterkonzern von der Zahlungsunfähigkeit betroffen ist, will die Pierer Mobility ein Insolvenzverfahren nach europäischen Recht einleiten.

Auch die Börse reagierte heftig auf die Insolvenzmeldung. Nachdem die Nachricht von der Zahlungsunfähigkeit des Motorradherstellers bekannt wurde, brach der Aktienkurs in zwei Tagen um 55 Prozent ein.

KTM-Chef nimmt selber Förderungen in Anspruch, möchte aber keinen Einfluss des Staates auf die Wirtschaft

Obwohl Pierer selbst staatliche Unterstützung in Form von Corona-Förderungen in Anspruch genommen hat, ließ er bei einer Veranstaltung der IV ein Buch über den argentinischen Präsidenten Javier Milei verteilen. Der möchte aber genau das Gegenteil – nämlich den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft so weit wie möglich zurückdrängen.

KTM Mitte der 1950er Jahren.
Bildcredits: Von KTM AG – Bildspende der KTM AG, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=54346020

Milei hat in Argentinien Zehntausende aus dem öffentlichen Dienst entlassen, Pensionen und staatliche Subventionen gekürzt, er leugnet den menschengemachten Klimawandel, hat Ministerien wie das Frauenministerium abgeschafft und plant Kürzungen bei der Finanzierung von Universitäten – gegen diese Pläne gehen gerade hunderttausende Studierende auf die Straße. Die sogenannte “Schocktherapie” des argentinischen Präsidenten hat zu extremer Armut geführt – mittlerweile gilt jeder zweite Mensch in Argentinien als arm. Das Land ist nach wie vor in einer Wirtschaftskrise, es fehlen staatliche Investitionen und private bleiben bislang aus.

Pierer hat Geld für Millionen-Spenden an ÖVP – zahlt aber Steuern nicht ordentlich

Der KTM-Chef hat in den letzten Jahren hohe Summen an die ÖVP gespendet und vor allem Ex-Kanzler Sebastian Kurz aktiv unterstützt. Konkret hat Pierer der ÖVP 2017 rund 430.000 Euro überwiesen. Dass die Kurz-Strache-Regierung die Unternehmer-Beiträge zur Unfallversicherung von Beschäftigten gesenkt hat, spart Pierers Konzern jährlich 480.000 Euro. Zusätzlich ist er Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung (IV) und übt auch so großen Einfluss auf die Wirtschaft seines Bundeslandes und Österreichs aus. Zuletzt sprach sich der Industrie-Boss auch klar für eine Koalition aus FPÖ und ÖVP aus.

Gleichzeitig nimmt es Pierer mit seinen eigenen Steuern nicht so genau. Nach einer Selbstanzeige muss er nämlich bis zu 8 Millionen Euro an Steuern nachzahlen. Der Grund: Er hat die Erträge aus einer Lebensversicherung in Liechtenstein nicht versteuert, sondern in der Schweiz und den British Virgin Islands geparkt. Kurz vor Inkrafttreten eines Steuerabkommens mit Liechtenstein 2013 überwies er 20,8 Mio. Euro zurück nach Österreich – die Steuern dafür muss er jetzt nachzahlen. Die endgültige Summe steht noch nicht fest, Pierer hat nämlich Beschwerde gegen die Höhe der Forderung eingelegt

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